Neues Urteil

Die (Un-)Zulässigkeit von Bietergemeinschaften

Rechtstipps
30.05.2022

Bietergemeinschaften sind nicht grundsätzlich verboten, aber auch nicht grenzenlos erlaubt.

Dieser "Merksatz" ist nicht wahnsinnig aussagekräftig, zeigt aber bereits einen wesentlichen ­­Umstand: Ob die Bildung einer Bietergemeinschaft erlaubt ist, lässt sich nur im Einzelfall beurteilen. Wie schwierig diese Einzelfallbeurteilung ist, zeigt die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) vom 24. 11. 2021, W187 2246496-2.

Das rechtliche Umfeld

Bei dieser Frage treffen Vergabe- und Kartellrecht zusammen. Dies kann man der BVwG-Entscheidung sehr übersichtlich entnehmen, insbesondere wie folgt:

  • Bietergemeinschaften sind nicht grundsätzlich verboten. Sie dürfen aber keine verbotenen Kartelle darstellen, also eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs.
  • Wenn der Auftraggeber "hinreichend plausible Anhaltspunkte" für ein verbotenes Kartell hat, muss er die Bietergemeinschaft ausschließen.
  • Der bloße Umstand, dass das Angebot einer Bietergemeinschaft an erster Stelle liegt, schließt eine Wettbewerbswidrigkeit noch nicht automatisch aus.
  • Dass jedes Mitglied der Bietergemeinschaft alleine ein Angebot abgeben können hätte (insbesondere die Eignungskriterien alleine erfüllt hätte), bedeutet noch keine Wettbewerbswidrigkeit. Die Bietergemeinschaft kann auch dadurch gerechtfertigt sein, dass nur gemeinsam ein erfolgversprechendes, kaufmännisch vernünftiges oder zweckmäßiges Angebot gelegt werden konnte.
  • Bagatellkartelle nach Kartellgesetz (KartG) sind auch vergaberechtlich erlaubt. Gleiches gilt für andere kartellrechtliche "Freistellungen", etwa jene gemäß § 2 Abs. 1 KartG (angemessene Beteiligung des Auftraggebers an Vorteilen bzw. "Effizienzeffekten", für die eine Wettbewerbseinschränkung unerlässlich ist und die den Wettbewerb nicht zu einem wesentlichen Teil ausschaltet).
  • Die Abgrenzung des betroffenen Markts – diese ist wesentlich für die Beurteilung, ob der Wettbewerb beeinträchtigt ist –, ist eine Tatfrage und keine Rechtsfrage.

Die Schwierigkeit der Beurteilung

Das Vergaberecht legt den Verwaltungsgerichten hier oftmals eine unmögliche Aufgabe vor, nämlich die Beurteilung kartellrechtlicher Sachverhalte in der gesetzlichen Entscheidungsfrist von 6 Wochen ab Einlangen eines Nachprüfungsantrags (schließlich kann das Gericht nicht einfach die Behandlung einer Sache ablehnen, weil sie zu lange dauert). Auch die Einzelfallbeurteilung im Anlassfall durch das BVwG ist zwar im Wesentlichen nachvollziehbar erfolgt, aber im Detail erkennt man die Probleme, von denen nachfolgend zwei herausgegriffen werden:

Erstens: Das BVwG zitiert Literatur, nach der sich in Vergabeverfahren ein ausreichender Wettbewerb durch mindestens drei bis fünf Angebote bemisst. Solche vergaberechtlichen Umstände sind aber kartellrechtlich nicht aussagekräftig. Freilich ist die Anzahl von Angeboten ein Indiz für die Frage, ob der Wettbewerb ausreichend war. Es kann aber im Einzelfall bei zwei Angeboten ein sehr intensiver Wettbewerb vorliegen, ebenso wie ein Wettbewerb bei vielen Angeboten eingeschränkt sein kann.

Wesentlich dafür ist auch die vom BVwG angesprochene Marktabgrenzung, also wie groß das Wettbewerbsumfeld überhaupt im Einzelfall ist bzw. sein könnte. Da dies aber eine Tatfrage ist, wäre sie durch Sachverständige zu klären, und das ist vielfach in wenigen Wochen schlicht unmöglich.

Zweitens: Das BVwG bejaht, dass die Vorteile der Bildung der Bietergemeinschaft an den Auftraggeber weitergegeben wurden, indem das billigste Angebot gelegt wurde. Allerdings ist das gerade nicht ausreichend, um die Ausnahme des § 2 Abs. 1 KartG anzunehmen.

Die Frage wäre, grob gesagt, in welchem konkreten Ausmaß sich aus der Bietergemeinschaft überhaupt Vorteile für die beteiligten Unternehmer ergeben und ob diese Vorteile auch in diesem konkreten Ausmaß weitergegeben wurden. Auch diese Beurteilung bedürfte einer intensiven inhaltlichen (sachverständigen) Untersuchung der Effekte der Bietergemeinschaft und wäre daher ebenso zeitaufwendig.

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