Beschaffung

Grundlegendes zur Markterkundung

Vergaberecht
14.10.2022

Markterkundung ist ein legales Mittel, um eine geeignete Lösung für den Beschaffungsbedarf zu ­finden. Vorsicht ist aber geboten, dass der folgende Wettbewerb nicht verzerrt wird.

Auftraggeber sind oftmals auf Unternehmerkenntnisse angewiesen, um die geeignete Lösung für den Beschaffungsbedarf zu ­finden.

Auch öffentliche und Sektorenauftraggeber dürfen dazu schon vor Erstellung einer Ausschreibung auf die Kenntnisse des potenziellen Bietermarktes zugreifen. Das vergaberechtliche Instrument dazu nennt sich "Markterkundung" und ist in § 24 Bundes­vergabegesetz 2018 (BVergG 2018) geregelt.

Demnach muss der Auftraggeber darauf achten, dass dadurch nicht der (nachfolgende) Wettbewerb verzerrt oder gegen die Grundsätze des Vergabeverfahrens verstoßen wird.

Ob das eingehalten wurde, hatte in einem Anlassfall der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) zu beurteilen (Entscheidung vom 1.3.2022, Ra 2019/04/0139).

Der Anlassfall

Der Auftraggeber machte die Absicht zur vorherigen Markterkundung mittels einer sogenannten ­"Vorinformation" ordnungsgemäß bekannt. Die Unternehmer, die sich dafür meldeten, erhielten ein Konzept für die geplante Ausschreibung. Danach führte der Auftraggeber mit einigen dieser Unternehmer Marktsondierungsgespräche. Es wurden dazu Protokolle geführt, aber diese wurden anderen Unternehmern nicht – auch nicht mit den nachfolgenden Ausschreibungsunterlagen – zugänglich ­gemacht.

Die nachfolgende Ausschreibung wurde dann von einem Unternehmer beim zuständigen Verwaltungsgericht angefochten, der zwar auch im Zuge der Markterkundung das Ausschreibungskonzept erhalten hatte, aber vom Auftraggeber nicht für die Marktsondierungsgespräche ausgewählt wurde. Jene Unternehmer, die dafür ausgewählt wurden, hätten laut Antragsteller einen Wettbewerbsvorteil erlangt. Worin dieser Wettbewerbsvorteil genau liege, konnte der Antragsteller nicht benennen, da ihm die Protokolle nicht bekannt waren.

Der Auftraggeber rechtfertigte sich insbesondere damit, dass er ohnehin diejenigen Informationen aus der Markterkundung, die für die Bieter von Interesse sein könnten, in die Ausschreibung aufgenommen hätte.

Die Entscheidung

Das Verwaltungsgericht erklärte die Ausschreibung für nichtig, da die Informationen aus den Einzelgesprächen im Zuge der Markterkundung nicht vollständig offengelegt wurden und daher gegen Grundsätze des Vergabeverfahrens – insbesondere Bietergleichbehandlung und Transparenz – verstoßen wurde.

Der Auftraggeber wehrte sich gegen diese Entscheidung mittels Revision an den VwGH.

Der VwGH hielt zunächst fest, dass eine Markt­erkundung in Form einer Involvierung von Unternehmern durch Informationsfluss und Erörterung über mögliche künftige Ausschreibungsunterlagen grundsätzlich zulässig ist.

Aber: Aufgrund des Spannungsverhältnisses zwischen diesem vorgezogenen Informationsfluss und dem Gleichbehandlungsgrundsatz legte der VwGH strenge Maßstäbe an die vom Auftraggeber zu gewährleistende Transparenz an. Der Auftraggeber muss in der nachfolgenden Ausschreibung offenlegen, welche Informationen aus der Markterkundung in die Ausschreibung eingeflossen sind und woher diese Informationen stammen, damit die Bieter in der Lage sind zu beurteilen, ob die Gleichbehandlung gewahrt wurde.

Es reichte also nicht aus, dass der Auftraggeber bloß die Informationen aus der Markterkundung für die Ausschreibung verwertete und selbst beurteilte, was den Bietern über die Durchführung einer Markterkundung mitgeteilt wurde. Er hätte auch die Proto­kolle über die Gespräche mit Unternehmern aus der Markterkundung (zwar wohl nur anonymisiert, also nicht mit Namen der Unternehmer) offenlegen müssen.

Zu beachten ist dabei insbesondere, dass weder das Verwaltungsgericht noch der VwGH geprüft haben, ob es inhaltlich betrachtet tatsächlich zu einer Wettbewerbsverzerrung durch die Markterkundung kam. Die Tatsache, dass der Auftraggeber den Informationsfluss aus der Markterkundung nicht vollständig offenlegte und die Bieter eine etwaige Wettbewerbsverzerrung nicht selbst beurteilen konnten, reichte aus, dass die Ausschreibung wegen Verstoßes gegen die vergaberechtlichen Grundsätze für nichtig erklärt wurde.

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