Leistungsverweigerungsrecht bei Rissgefahr im Beton

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07.09.2022

Ein aktuelles OGH-Urteil veranschaulicht, dass das Leistungsverweigerungsrecht des Auftraggebers nach § 1170 in Verbindung mit § 1052 ABGB ein wirksames Druckmittel ist.

Das Leistungsverweigerungsrecht des Auftraggebers nach § 1170 in Verbindung mit § 1052 ABGB ist und bleibt ein höchst wirksames Druckmittel. Dies veranschaulicht eine aktuelle Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (OGH).

Grundlagen

Zur Durchsetzung seines Anspruchs auf Verbesserung verfügt der Auftraggeber, wenn er noch nicht bezahlt hat, über das Leistungsverweigerungsrecht nach § 1170 in Verbindung mit § 1052 ABGB. Er kann den restlichen Werklohn bis zur vollständigen Erfüllung durch den Auftragnehmer zurückbehalten. Die Fälligkeit des Werklohns tritt erst mit Mangelbehebung ein. Durch die Vereinbarung eines Haftungsrücklasses wird das Leistungsverweigerungsrecht in der Regel nicht eingeschränkt, sofern dies nicht die Vertragsauslegung im Einzelfall ergibt. Das Leistungsverweigerungsrecht ist in den Grenzen des § 879 ABGB vertraglich abdingbar.

Bei Vereinbarung der ÖNorm 2110 hat der Auftraggeber gemäß Punkt 10.4 das Recht, neben dem Haftungsrücklass das Entgelt bis zur Höhe des Dreifachen der voraussichtlichen Kosten einer Ersatzvornahme der Mängelbehebung zurückzuhalten, wenn die Leistung mit Mängeln übernommen wird. Der Auftragnehmer ist berechtigt, den Einbehalt durch ein unbares Sicherstellungsmittel abzulösen. Bei ABGBVerträgen gilt diese Einschränkung nicht. Die Grenze bildet hier das Schikaneverbot.

Die Berechtigung des Einwandes, der rechtliche Werklohn sei noch nicht fällig, setzt voraus, dass dem Auftraggeber ein Verbesserungsanspruch zusteht. Das Leistungsverweigerungsrecht des Auftraggebers wird unter anderem verneint, wenn eine Verbesserung nicht oder nicht mehr in Betracht kommt, etwa wenn der Auftraggeber den Auftragnehmer vom Mangel nicht verständigt und Maßnahmen setzt, die den Reparaturaufwand beträchtlich erhöhen.

Ein – für das Leistungsverweigerungsrecht erforderlicher – Anspruch auf Verbesserung besteht auch dann nicht, wenn die Verbesserung für den Auftragnehmer mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden wäre (§ 932 Abs. 4 ABGB). Dabei ist nicht allein die Höhe der Behebungskosten entscheidend, sondern die Wichtigkeit der Behebung des Mangels, die nach den Umständen des Einzelfalls im Rahmen einer Interessenabwägung zu beurteilen ist.

Aktuelle Entscheidung

Die Auftragnehmerin begehrte vom Auftraggeber den restlichen Werklohn für beim Bauvorhaben des Auftraggebers erbrachte Bauleistungen. Dabei waren nach dem Bewehrungsplan Bewehrungseisen einzubauen, die die Arbeiter der Auftragnehmerin nicht zur Gänze einbauten. Dies gefährdete die Tragsicherheit des Bauwerks nicht, führte aber zu einer verstärkten Beweglichkeit und in weiterer Folge zu einer erhöhten Rissgefahr. Insbesondere im Zusammenhang mit Schneelasten bzw. Windlasten könnten Verformungen durch Biegungen und Risse entstehen. Die Ausführung entsprach nicht dem Stand der Technik. Im vorliegenden Fall stand fest, dass der Auftraggeber die Auftragnehmerin zur Sanierung aufforderte und diese eine Verbesserung nicht durchführte.

Der OGH (26.4.2022, 2 Ob 28/22i) hielt die auf § 1170 in Verbindung mit § 1052 ABGB gestützte Einrede des nicht erfüllten Vertrags des Auftraggebers für berechtigt und wies das Klagebegehren ab. Angesichts des konkreten mit der Verbesserung verbundenen Aufwands und der aufgrund des Mangels erhöhten Verformungs- und Rissgefahr sei die Verbesserung für die Auftragnehmerin nicht mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden. Ausgehend davon sei auch ein Verbesserungsanspruch zu bejahen.

Fazit

Die aktuelle Entscheidung des OGHs veranschaulicht wieder einmal das Risiko des Bauprozesses. Ob ein Mangel tatsächlich vorliegt, ist meist strittig und wird oft erst im Prozess, auch unter Beiziehung von Sachverständigen, festgestellt. Bejaht das Gericht den Mangel, kann es – wie in der Entscheidung geschehen – sein, dass die Werklohnklage des Auftragnehmers abgewiesen wird. Dies ist besonders bitter für den Auftragnehmer, weil er keinen Werklohn bekommt und auch noch die Prozesskosten tragen muss.

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