PublicPrivatePartnerships

PPP-Projekte und zwei Gesetze

Recht
23.03.2021

Von: Redaktion Bauzeitung
Ist die Corona-Epidemie als höhere Gewalt einzuschätzen oder einfach nur Pech? Gerade für PPP-Projekte ist diese Frage essenziell.
Das PPP-Projekt von  der Stadt Wien und der Strabag wird zukünftig rund 1.100 Kindern sowie 138 Pädagog*innen Platz bieten.
Das PPP-Projekt von der Stadt Wien und der Strabag wird zukünftig rund 1.100 Kindern sowie 138 Pädagog*innen Platz bieten.

Baustopps, Betretungsverbote oder gar ein Corona-Cluster? Die Pandemie macht auch vor Public-Private-Partnerships (PPPs) nicht halt. Normalerweise regeln die üblichen Verträge solche Ausnahmezustände. Aber ist die Corona-Pandemie wirklich höhere Gewalt oder einfach nur Pech? Und inwiefern können sich die Vertragspartner auf Corona-Maßnahmen berufen, um Strafzahlungen zu vermeiden?

Ereignis höherer Gewalt

Jedem PPP-Projekt liegt ein umfassendes Vertragswerk zugrunde, das die Aufteilung der Risikotragung, Verantwortungsbereiche und Pflichten der Vertragspartner sowie Pönalen bei Verstößen und Verzögerungen regelt. Ebenso sind Bestimmungen zu höherer Gewalt vorgesehen. Tritt ein Ereignis höherer Gewalt ein und hindert die Vertragspartner an der Erfüllung ihrer Leistungspflicht, so werden sowohl der private als auch der öffentliche Partner von ihrer Leistungspflicht in dem Projekt befreit. Vereinbarte Vertragsstrafen (Pönalen) beispielsweise für eine Bauverzögerung fallen nicht an. Abzüge vom vereinbarten Verfügbarkeitsentgelt für Nichteinhaltung des Service-Level-Agreements (Maluspunkte) kann es jedoch auch während eines Ereignisses höherer Gewalt geben.

Der Hintergrund dafür ist, dass Maluspunkte keine Vertragsstrafen darstellen. Durch die Vergabe von Maluspunkten soll vielmehr die Vergütung nach Maßgabe der Erfüllung der im Service-Level-Agreement vorgegebenen Qualitätsstandards angepasst werden. Maluspunkte werden typischerweise für nicht ihrem Zweck gemäß nutzbare oder verfügbare Flächen oder Räume vergeben. Sollte durch ein Ereignis höherer Gewalt ein Raum nicht nutzbar sein, so muss dieser Raum normalerweise auch nicht gereinigt und sonst instand gehalten werden. Diese dadurch verringerte Instandhaltungspflicht des privaten Partners soll durch den Malusabzug ausgeglichen werden.

Eine weitere Folge des Eintritts eines Ereignisses höherer Gewalt ist die Verschiebung von pönalisierten Terminen. Mehrkosten, die dem privaten Partner durch ein Ereignis höherer Gewalt anfallen, werden vom Auftraggeber grundsätzlich jedoch nicht ersetzt.

Und die Corona-Maßnahmen?

Unter den in den PPP-Verträgen aufgelisteten Ereignissen höherer Gewalt findet sich regelmäßig auch die behördliche Anordnung aufgrund von Epidemien nach dem Epidemiegesetz. Seit dem Auftreten und der Verbreitung des Coronavirus befinden wir uns zweifelsfrei in einer solchen Epidemie. Die im Epidemiegesetz aufgezählten Krankheiten wurden zu Beginn der Corona-Krise um das Coronavirus ergänzt. Als Leser dieser Höheren-Gewalt-Regelung ist man dazu verleitet zu glauben, dass somit automatisch und zweifelsfrei alle Corona-Maßnahmen wie Betriebsschließungen, Abstandsregelungen und Maskenpflicht als Ereignisse höherer Gewalt einzustufen sind. Wie so oft ist die Antwort jedoch nicht so einfach.

Etliche Corona-Maßnahmen basieren nämlich nicht (oder nicht nur) auf dem Epidemiegesetz, sondern (auch) auf dem Covid-19-Maßnahmengesetz. Dieses Maßnahmengesetz wurde zu Beginn der Corona-Krise im März 2020 erlassen. Seither existieren das Maßnahmengesetz und das Epidemiegesetz parallel nebeneinander. Eine spezielle Regelung im Maßnahmengesetz will für Schließungen von Betriebsstätten die Maßnahmen des Epidemiegesetzes nachrangig hinter jene unter dem Maßnahmengesetz stellen. Dies soll den Anspruch auf Entschädigungszahlungen, die nämlich lediglich das Epidemiegesetz vorsieht, weitgehend beschränken.

Der feine Unterschied

Würde nur der reine Wortlaut der Definition von höherer Gewalt in PPP-Verträgen berücksichtigt werden, müsste bei jeder erlassenen Maßnahme analysiert werden, ob diese auf dem Epidemiegesetz oder dem Maßnahmengesetz basiert. Denn dieser feine Unterschied hat erhebliche Auswirkungen: Nur Maßnahmen unter dem Epidemiegesetz würden als Ereignis höherer Gewalt im Sinne der Regelung im PPP-Vertrag gelten und den privaten Partner von seiner Leistungspflicht befreien. Nur in diesem Fall wäre der private Partner vor Pönalezahlungen gefeit und würde weiterhin sein Verfügbarkeitsentgelt, wenn auch möglicherweise verringert durch Malusabzüge, erhalten.

Alle Maßnahmen, die unter dem Maßnahmen­gesetz erlassen wurden, würden hingegen kein Ereignis höherer Gewalt darstellen. In diesem Fall würde der PPP-Vertrag das Vorliegen eines Ausnahmezustands nicht anerkennen. Der private Partner wäre weiterhin uneingeschränkt zur Leistungserbringung verpflichtet. Kann er die geschuldete Leistung aufgrund der Corona-Maßnahmen jedoch nicht oder nur eingeschränkt erbringen, würden ihm Pönalezahlungen und in letzter Konsequenz eine Kündigung durch den öffentlichen Partner drohen.

Gerechtfertigte Unterschiede?

Bei der Auslegung von Verträgen ist nicht bloß auf den reinen Wortlaut, sondern auch auf den Parteiwillen abzustellen. Wollten der öffentliche und der private Partner mit der Klausel für höhere Gewalt tatsächlich eine Unterscheidung vornehmen zwischen Maßnahmen, die formal auf dem Epidemiegesetz basieren, und Maßnahmen, die zwar ebenfalls ihre Basis in derselben Epidemie haben, aber formal-juristisch auf einer anderen Rechtsgrundlage gründen? Oder wollten beide Partner nicht viel eher eine Regelung für den Ausnahmezustand während einer Epidemie schaffen?

Die Beantwortung dieser Fragen ist freilich auf den Einzelfall abzustellen – meiner Meinung nach sprechen im Regelfall jedoch sehr gute Argumente dafür, dass alle Maßnahmen im Rahmen der Corona-­Epidemie als Ereignis höherer Gewalt anzusehen sind – unabhängig davon, auf welchem Gesetz die einzelnen Maßnahmen fußen.

Zu berücksichtigen ist auch, dass vor dem Ausbruch der Corona-Epidemie niemand vorhersagen konnte, dass es so etwas wie ein Maßnahmengesetz geben wird. Mit dem Wissensstand des heutigen Tages empfehle ich, in zukünftigen PPP-Projekten die Definition der Ereignisse höherer Gewalt klarer zu fassen.

Eurostat-Anmerkung zur Situation

In PPP-Projekten haben die Partner nur eingeschränkten Spielraum bei der Verteilung der Risiken. Übernimmt der öffentliche Partner zu viele Risiken, ist die Maastricht-Neutralität nicht mehr gegeben und das Projekt schlägt sich im öffentlichen Haushalt nieder. Daher hat Eurostat Kriterien zur Risikoverteilung in einem Leitfaden veröffentlicht.

Um auf die aktuelle Situation zu reagieren, wurde eine entsprechende Anmerkung veröffentlicht. In dieser spricht sich Eurostat klar dazu aus, dass der Umstand, dass der öffentliche Partner das Risiko der Corona-Krise trägt, nicht dazu führt, dass ein Projekt seine Maastricht-Neutralität verliert. Folglich beeinflussen Kompensationszahlungen, die der öffentliche an den privaten Partner vornimmt, oder sonstige an den privaten Partner gewährten Erleichterungen die Bilanzneutralität eines Projekts nicht. Unterstützungen der öffentlichen Hand müssen lediglich angemessen, verhältnismäßig und zeitlich beschränkt sein. 

Diese Eurostat-Anmerkung war wichtig, um zu vermeiden, dass öffentliche Unterstützungen für die Corona-Epidemie aus Angst vor Umklassifizierung von Projekten nicht gewährt werden.

Annika Wolf

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