Baustellenkoordination

Haftung nach dem Bauarbeitenkoordinationsgesetz

Rechtstipp
31.05.2021

Wann haftet der Bauherr für die Verletzung von Pflichten nach dem Bauarbeitenkoordinationsgesetz trotz Bestellung eines Planungs- und/oder Baustellenkoordinators?

Das Bundesgesetz über die Koordination bei Bauarbeiten (Bauarbeitenkoordinationsgesetz – BauKG) soll Sicherheit und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer auf Baustellen durch die Koordinierung bei der Vorbereitung und Durchführung von Bauarbeiten gewährleisten. Für eben diese Koordinierung ist ein Planungskoordinator für die Vorbereitungsphase und ein Baustellenkoordinator für die Ausführungsphase zu bestellen, sofern auf einer Baustelle gleichzeitig oder aufeinanderfolgend Arbeitnehmer mehrerer Arbeitgeber tätig werden. Planungs- und Baustellenkoordinator kann dieselbe Person sein. Auch besteht die Möglichkeit, dass der Bauherr selbst die Aufgaben des Planungs- und Baustellenkoordinators wahrnimmt, sofern er die dafür notwendigen Voraussetzungen – eine für die jeweilige Bauwerksplanung oder Bauwerksausführung einschlägige Ausbildung und eine mindestens dreijährige einschlägige Berufserfahrung – erfüllt.

Gelangt das BauKG zur Anwendung (gleichzeitig oder aufeinanderfolgend Arbeitnehmer mehrerer Arbeitgeber auf einer Baustelle tätig) und erfüllt der Bauherr nicht die Voraussetzungen oder will die Aufgaben des Planungs- und Baustellenkoordinators selbst nicht wahrnehmen, dann hat er einen Koordinator/Koordinatoren zu bestellen. Für die Bestellung des Koordinators sind nach dem BauKG bestimmte Formvorschriften zu erfüllen, welche zwingend einzuhalten sind. So ist die Bestellung nur wirksam, wenn diese schriftlich erfolgt und der Koordinator dieser nachweislich zugestimmt hat. Für die Zustimmung des Koordinators genügt es nach herrschender Rechtsprechung, wenn diese konkludent erfolgt.

OGH 17.09.2020, 2 Ob 93/20w

Mit dem Thema der Bestellung des Baustellenkoordinators setzte sich der OGH jüngst in der Entscheidung 2 Ob 93/20w auseinander. Der Oberste Gerichtshof führte in seiner Entscheidung hierzu aus, dass die im BauKG verankerte Regelung (Schriftlichkeit und die Notwendigkeit der Zustimmung durch den Koordinator) hinsichtlich der Bestellung des Koordinators zum einen der Beweissicherung und zum anderen zur Schaffung klarer Verhältnisse für alle Beteiligten diene. Als Beteiligter, in dessen Interesse klare Verhältnisse geschaffen werden sollen, gilt zweifelsfrei auch der bei einem Unfall auf der Baustelle verletzte Arbeitnehmer, dient doch die Koordinierung nach dem BauKG eben genau der Sicherheit und dem Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer auf Baustellen.

Erleidet ein Arbeitnehmer durch einen Unfall auf der Baustelle einen Schaden, der bei entsprechender Koordinierung bei der Vorbereitung und Durchführung von Bauarbeiten vermeidbar gewesen wäre, so ist für den geschädigten Arbeitnehmer für die Geltendmachung allfälliger Ansprüche von entscheidender Bedeutung, ob ein Baustellenkoordinator bestellt war oder ob dessen Pflichten mangels Bestellung den Bauherrn trafen. Erfolgt die Bestellung des Koordinators nur mündlich oder konkludent, so müsste der geschädigte Arbeitnehmer ohne sichere Grundlage entscheiden, ob er den Bauherrn oder einen allenfalls bestellten Baustellenkoordinator in Anspruch nimmt. Dies könnte zur Folge haben, dass unter Umständen erst im Prozess geklärt werden kann, ob eine Bestellung erfolgt war oder nicht. Dadurch würde der geschädigte Arbeitnehmer einem erhöhten Prozessrisiko ausgesetzt werden, da er im Zweifel (bei drohender Verjährung) sowohl den Koordinator als auch den Bauherrn in Anspruch nehmen müsste und daher jedenfalls in einem der beiden Verfahren unterliegen und damit kostenersatzpflichtig werden würde. Folglich ist das Interesse des geschädigten Arbeitnehmers an klaren Verhältnissen nicht bloß als eine Ordnungsvorschrift anzusehen, deren Missachtung lediglich verwaltungsstrafrechtlich von Relevanz ist.

Fazit

Daraus folgt, dass sich der Bauherr gegenüber einem geschädigten Arbeitnehmer nur auf die Bestellung eines Baustellenkoordinators berufen kann, wenn diese den Formvorschriften des BauKG entsprechend (schriftlich und mit nachweislicher Zustimmung des Koordinators) erfolgt ist. Liegt eine solche nicht vor, haftet der Bauherr selbst für die Verletzung von Pflichten, die nach dem BauKG den Koordinator träfen.

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