Verzug

Rücktritt des AG bei Verzug des AN

Vertragsrecht
13.12.2021

Bei Verzug des AN hat der AG nur in Ausnahmefällen das Recht ohne Nachfristsetzung vom ­ Vertrag zurückzutreten.

Haben Auftraggeber und Auftragnehmer das Vertrauen in den anderen Vertragspartner aufgrund treuwidrigen Verhaltens verloren, so haben sie nur in Ausnahmefällen das Recht zum Rücktritt vom Werkvertrag aus wichtigem Grund ohne Abwarten einer Nachfrist, da das Aufrechterhalten des Vertrages nicht mehr zumutbar ist.

Schuldnerverzug

Wird ein Vertrag nicht zur gehörigen Zeit, am gehörigen Ort oder auf die bedungene Weise erfüllt, ist der Schuldner in Verzug. Man unterscheidet zwischen objektivem und subjektivem Schuldnerverzug. Bei objektivem Schuldnerverzug kann der Gläubiger (hier: Auftraggeber) an der Vertragserfüllung des Schuldners festhalten oder vom Vertrag zurücktreten. Trifft den Schuldner zusätzlich noch ein Verschulden am Verzug (subjektiver Schuldnerverzug), kann der Auftraggeber zusätzlich noch Schadenersatz fordern. Um vom Vertrag zurückzutreten, muss der Gläubiger dem Schuldner noch "eine zweite Chance" in Form einer Nachfrist ermöglichen. Erst wenn der Schuldner auch in der Nachfrist die Leistung nicht erbringt, wird der Rücktritt wirksam. Ein sofortiges Aufheben des Vertrags wäre eine zu einseitig belastende Maßnahme, dem Schuldner soll daher noch eine letzte Chance zur Vertragserfüllung gegeben werden. Die Nachfrist muss angemessen sein; die Angemessenheit richtet sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls, wobei sowohl die Interessen des Gläubigers als auch jene des Schuldners zu berücksichtigen sind. Insbesondere muss die Nachfrist dem Auftragnehmer eine reale Chance zur Nachholung geben. Weitere Voraussetzung ist auch, dass der Verzug nicht (auch) vom Auftraggeber verursacht wurde. Beim Vorliegen gewisser Umstände kann ausnahmsweise jedoch von einer Nachfristsetzung abgesehen werden. Das ist der Fall, wenn der Schuldner offensichtlich nicht mehr in der Lage ist, die Leistung zu erbringen, oder er diese ernsthaft und endgültig verweigert. Dies gilt auch bei offensichtlicher Unfähigkeit des Vertragspartners.

Verhalten während der Nachfrist

Genau mit dieser Einzelfallabwägung hat sich der Oberste Gerichtshof (OGH) wieder beschäftigt. Im Ausgangsfall beauftragte ein Unternehmen den Auftragnehmer mit der Herstellung und Lieferung von Betonfertigteilen. Als Leistungsfrist waren 5,5 Monate vereinbart. Entgegen der Vereinbarung produzierte der Auftragnehmer während der ersten 2,5 Monate ohne Notwendigkeit gar nicht. Dies hatte zur Folge, dass nach fünf Monaten statt der vereinbarten 85 Prozent der zu liefernden Materialien tatsächlich nur 35 Prozent geliefert waren. Der Auftraggeber forderte daraufhin einen verbindlichen Produktions- und Lieferplan vom Auftragnehmer, den dieser auch erstellte und dem Auftraggeber übermittelte. Der Endtermin wurde gemeinsam zwei Monate nach hinten verschoben. Die vom Auftragnehmer in seinem eigenen Produktions- und Lieferplan zugesicherten Liefermengen erfüllte er bereits in der ersten Woche bei weitem nicht. Zusätzlich fehlten ihm für Teile der Leistungserbringung wesentliche Betriebsmittel, sodass er bestellte Teile gar nicht herstellen konnte.
Ohne die Nachfrist abzuwarten, erklärte der Auftraggeber den Rücktritt vom Vertrag und forderte zusätzlich Schadenersatz für die bis dahin vom Auftragnehmer mangelhaft gelieferten Betonfertigteile. 
Der OGH führte dazu aus, dass durch die Verzögerungen und nicht notwendigen Produktionsstopps der Auftraggeber im Rücktrittszeitpunkt von einem generellen Unvermögen und einer intolerablen Unzuverlässigkeit des Auftragnehmers ausgehen und daher die Nachfrist nicht abwarten bzw. gar keine Nachfrist setzen musste. Offenbar stellte der OGH auch auf die Unmöglichkeit der Produktion wegen der fehlenden Produktionsmittel ab.

Fazit

Generell muss bei Schuldnerverzug immer eine angemessene Nachfrist gesetzt werden, sodass der Schuldner eine letzte Chance zur Vertragserfüllung hat. Nur wenn im Einzelfall aber im Verhalten des Vertragspartners ein generelles Unvermögen oder eine offensichtliche Unfähigkeit vorliegt, kann ausnahmsweise von dieser Regelung Abstand genommen werden und ohne Verstreichen einer Nachfrist vom Vertrag zurückgetreten werden. Die Anforderungen dafür sind hoch, zusätzlich darf der Verzug nicht (auch) vom Auftraggeber verursacht worden sein.

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