Vergaberecht

Angebotsmängel und Haarspaltereien

Rechtstipp
22.02.2021

Das Vergaberecht ist formalistisch und streng. Für Unternehmer bedeutet dies nicht nur viel Aufwand, sondern auch das Risiko, kleine Fehler zu begehen, die große Wirkung haben.

Die folgenden Beispiele zeigen, wie detailliert die Vergabekontrollbehörden gesetzliche Bestimmungen und Festlegungen in Ausschreibungen anwenden.

Aufpassen beim Firmenbuchauszug

Ein Bieter hatte mit dem Angebot einen Firmenbuchauszug vorgelegt, der weder eine Amtssignatur noch eine sonstige Beglaubigung aufwies. Der Auftraggeber forderte vom Bieter einen „beglaubigten“ Firmenbuchauszug (z. B. ein amtssignierter Stichtags­auszug aus dem offiziellen Webzugang zum Firmenbuch) nach. Der Bieter legte diesen vor, aber erst nach Ablauf der vom Auftraggeber für die Nachreichung gesetzten Frist. Der Auftraggeber schied sodann das Angebot des Bieters aus, der Bieter bekämpfte diese Entscheidung beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG). Infrage kamen insbesondere zwei gesetzliche Ausscheidensgründe, nämlich das Ausscheiden wegen nicht gegebener Eignung (§ 141 Abs. 1 Z 2 BVergG 2018) oder das Ausscheiden wegen nicht fristge­rechter Aufklärung (§ 141 Abs. 2 BVergG 2018).

Das BVwG (Entscheidung vom 10. 07. 2020, W139 2228671-2) gab dem Antrag des Bieters statt und hob die Ausscheidensentscheidung auf, und zwar aus ­folgenden Gründen:

Ein Bieter hatte mit dem Angebot einen Firmenbuchauszug vorgelegt, der weder eine Amtssignatur noch eine sonstige Beglaubigung aufwies. Der Auftraggeber forderte vom Bieter einen „beglaubigten“ Firmenbuchauszug (z. B. ein amtssignierter Stichtags­auszug aus dem offiziellen Webzugang zum Firmenbuch) nach. Der Bieter legte diesen vor, aber erst nach Ablauf der vom Auftraggeber für die Nachreichung gesetzten Frist. Der Auftraggeber schied sodann das Angebot des Bieters aus, der Bieter bekämpfte diese Entscheidung beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG). Infrage kamen insbesondere zwei gesetzliche Ausscheidensgründe, nämlich das Ausscheiden wegen nicht gegebener Eignung (§ 141 Abs. 1 Z 2 BVergG 2018) oder das Ausscheiden wegen nicht fristge­rechter Aufklärung (§ 141 Abs. 2 BVergG 2018).

Das BVwG (Entscheidung vom 10. 07. 2020, W139 2228671-2) gab dem Antrag des Bieters statt und hob die Ausscheidensentscheidung auf, und zwar aus ­folgenden Gründen:

  • Die Ausschreibung enthielt unterschiedliche Anforderungen an den Firmenbuchauszug: Für den Nachweis der rechtsgültigen Unterfertigung war ein „beglaubigter“ Firmenbuchauszug verlangt, für den Nachweis der Eignung ein Firmenbuchauszug ohne Beglaubigung. Eine mangelnde Eignung lag daher nicht vor.
  • Auch der Ausscheidensgrund wegen nicht fristgerechter Aufklärung lag nicht vor. Das BVwG folgte hier der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs, dass eine Nachreichung bzw. Aufklärung nach Fristablauf, aber noch vor Ausscheidensentscheidung nicht zum Ausscheiden führt.

Das nächste Beispiel zeigt aber, dass ein solcher Streit um Formalitäten auch anders ausgehen kann.

SV-Beiträge: der richtige Nachweis

Eine Ausschreibung forderte als Nachweis dafür, dass keine Rückstände bei Sozialversicherungsbeiträgen bestehen, eine „letztgültige Kontobestätigung oder eine Unbedenklichkeitsbescheinigung“ des Sozialversicherungsträgers.

Ein Bieter legte einen amtssignierten Kontoauszug vor. Der Auftraggeber schied das Angebot aus, der Bieter bekämpfte diese Entscheidung beim BVwG.

Das BVwG (Entscheidung vom 27. 1. 2020, W273 2226338-2) bestätigte die Ausscheidensentscheidung, denn der Kontoauszug stamme zwar aufgrund der Amtssignatur zweifellos vom Sozialversicherungs­träger, aber diese Amtssignatur belegt nur, dass der Kontoauszug vom Sozialversicherungsträger stammt. Ein Kontoauszug sei weder eine „Bestätigung“ noch eine „Bescheinigung“ des Sozialversicherungsträgers über die Rückstandsfreiheit, weil er keine Erklärung des Sozialversicherungsträgers enthalte.

Streng formal betrachtet, ist diese Unterscheidung zwar nachvollziehbar, nicht aber die nach­folgende Begründung des BVwG, warum dies zum Ausscheiden führen müsse. Der Bieter hätte bei einem Kontoauszug die Möglichkeit, einen Beitragszeitraum auszuwählen, der keinen Rückstand ausweist, und könne dem Auftraggeber Zeiträume mit ausscheidensrelevanten Rückständen dem Auftraggeber vorenthalten.

Freilich könnte ein Bieter, wenn etwa zwei Wochen vor Angebotsabgabe kein Rückstand bestand, eine Woche davor aber schon, nur den zwei Wochen alten Kontoauszug dem Angebot beilegen und dadurch dem Auftraggeber den aktuelleren Rückstand verschweigen. Aber das Gleiche könnte er auch tun, wenn für beide Zeitpunkte eine Kontobestätigung des Sozialversicherungsbeiträgers hat und nur die ältere vorlegt. Warum das BVwG hier einen wesentlichen Unterschied macht, überzeugt daher nicht.

Der Praxistipp

Um das Risiko des Ausscheidens zu minimieren, sollte die Ausschreibung genau gelesen und beachtet werden. Im Zweifelsfall sollte möglichst rasch während der Angebotsfrist beim Auftraggeber nachgefragt werden, was genau gemeint ist und was den Anforderungen der Ausschreibung (nicht) entspricht. 

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