Vergaberecht

Rechtsschutz als Hürdenlauf

Vergaberecht
19.09.2022

Wer Rechtsschutz im Vergaberecht sucht, hat einige Hürden zu überwinden.

Teilweise ist es nachvollziehbar, dass das­ Vergaberecht zugunsten der Auftraggeber diese Hürden hoch gestaltet, denn ein Vergabe­verfahren ist teuer und manchmal auch eilig abgewickelt, und ein Auftraggeber soll eine realistische Chance haben, dieses halbwegs zügig und erfolgreich zu beenden. Auf der anderen Seite soll, so sagt es das EU-­Vergaberecht, Unternehmern ein effektiver Rechtsschutz gewährt werden; also eine realistische Chance, rechtswidrige Auftragsvergaben zu verhindern. In diesem Sinne hat jüngst – wieder einmal – der Europäische Gerichtshof (EuGH 14.7.2022, C-274/21 und C-275/21) einige Hürden zumindest abgemildert.

Effizienter Rechtsschutz laut EuGH in bestimmten Fällen gefährdet

Es ging dabei unter anderem um folgende österreichische Vergabevorschriften (und zwar im Bundes­bereich, wobei die Ländervorschriften sich weitgehend wenig davon unterscheiden): 
Zunächst sieht das Vergaberecht vor, dass der Antragsteller in seinem Nachprüfungsantrag an das Verwaltungsgericht das Vergabeverfahren und die konkret bekämpfte gesondert anfechtbare Entscheidung benennen muss.

Der EuGH entschied, dass dies in jenen Fällen nicht zulässig ist, in denen der Auftraggeber ein Vergabeverfahren ohne vorherige Bekanntmachung durchführt, da ein effizienter Rechtsschutz dadurch praktisch unmöglich gemacht wird: Der Antrag­steller weiß ja nicht, welches Vergabeverfahren konkret geführt wird und in welcher Lage sich dieses gerade befindet (und was daher die aktuelle gesondert anfechtbare Entscheidung sein kann).

"Wahllose" Anfechtung als Mittel der Praxis

In der Praxis haben sich Antragsteller meistens damit beholfen, dass sie alle nur denkbaren Verfahrensarten und anfechtbaren Entscheidungen mit Haupt- und Eventualanträgen angefochten haben. Dieses "Herum­irren im Dunklen" will der EuGH den Antragstellern offenbar nicht (weiter) zumuten.
Weiters muss ein Antragsteller mit dem Antrag schon die Bezahlung der gerichtlichen Pauschalgebühren nachweisen, andernfalls ist der Antrag zurückzuweisen. Das Problem ist, dass sich die Höhe der Pauschalgebühren nach der Verfahrensart, der Anzahl der angefochtenen Entscheidungen, der angefochtenen Anzahl der Lose und unter Umständen auch nach der Höhe des geschätzten Auftragswerts richtet.

Auch dies ist für den EuGH bei Vergabeverfahren ohne vorherige Bekanntmachung aus den gleichen Gründen wie oben unzulässig. Hier haben Antragsteller bisher in der Praxis oft zur "Notlösung" gegriffen, die höchste realistisch denkbare Pauschalgebühr zu bezahlen (und, wenn sie zu viel bezahlt haben, nachträglich einen Antrag auf teilweise Rückerstattung zu stellen), um eine Zurückweisung zu vermeiden.

Dieser Punkt wird auch für Vergabeverfahren mit vorheriger Bekanntmachung dem österreichischen Gesetzgeber einiges Nachdenken bescheren; denn auch in diesen Vergabeverfahren gibt es keine Verpflichtung für den Auftraggeber, den geschätzten Auftragswert bekanntzugeben, sodass ein Bieter bzw. Antragsteller unter Umständen nicht weiß, wie hoch die zu entrichtende Pauschalgebühr ist.

Änderungen notwendig

Das österreichische Vergaberecht für den Rechtsschutzbereich wird sich in den obigen Punkten daher zu ändern haben.
Der EuGH hat übrigens nicht alles verworfen, was ihm zur Vorabentscheidung vorgelegt wurde. Er hat etwa für zulässig erklärt, dass sich die Verfahrensvorschriften für Vergaberechtsschutzverfahren von jenen für Zivilverfahren unterscheiden. Insbesondere hat er gesagt, dass der Umstand höherer Pauschalgebühren im Vergabe- sowie im Zivilrecht alleine noch nicht verboten ist.

Der Fall erinnert übrigens an eine Gesetzes-"Reparatur" in der "Steinzeit" des Vergaberechts, nämlich an die Einführung der Verpflichtung des Auftraggebers, in der Ausschreibung die zuständige Vergabekontrollbehörde zu nennen. Davor war es nämlich – insbesondere wenn ausgegliederte Gesellschaften als Auftraggeber auftraten – für einen Bieter fallweise unmöglich herauszufinden, ob das Vergabeverfahren dem Bund- oder Landesbereich zuzurechnen war.

Branchen
Bau