Branchenfachmesse

Das spricht für einen Messebesuch

Seit dem Ausbruch der Coronapandemie werden immer wieder auch bewährte Marketinginstrumente neu hinterfragt. Dies gilt auch für das Messewesen. Lohnt sich also ein Besuch auf den kommenden ­SHK-Branchenleitmessen? Wir haben dazu zwei verantwortliche Messe-Manager befragt.
Messewesen

Eine aktuelle Studie der Berliner Hochschule bezüglich der Entwicklung von Messen nach der Coronapandemie zeigt, dass Präsenzmessen ihren wichtigen Platz im Marketingmix behalten. Allerdings seien einige Punkte zu beachten. Unter anderem deren Funktion als Quelle der Inspiration. Was ist Ihrer Meinung nach darunter gemeint? Was zählen Sie ganz generell zu den Alleinstellungsmerkmalen und Stärken von Präsenzmessen?

Robert Schneider

Robert Schneider, Messe Wels (Webuild): Es gibt hier das Wort "Serendipität", das heißt, etwas finden, nach dem man nicht gesucht hat. Ich denke, das beschreibt die Inspiration auf Messen ganz gut. Die Fülle der Eindrücke, der Kontakt mit den Beratern auf den Messeständen und die Gespräche mit den Kollegen können durch nichts ersetzt werden. Das haben die letzten Messeveranstaltungen wieder eindrucksvoll gezeigt. Emotion und damit auch Inspiration entstehen eben am besten im zwischenmenschlichen Austausch.

Stefan Seitz

Stefan Seitz, Messe Frankfurt (ISH): Die Stärke von Messen ist ganz eindeutig die persönliche Begegnung. Das haben viele Gespräche mit Ausstellern und Verbänden gezeigt: Der Kern unseres Geschäfts, die persönliche Begegnung, hat Bestand. Wer seine Innovation dem Markt vorstellen und die Geschäfte voranbringen will, der ist vor Ort. Denn Themen können nicht warten. Im persönlichen Austausch lassen sich neueste Entwicklungen einfach am besten besprechen und Lösungen vorstellen. Ein zweiter wichtiger Bestandteil von Präsenzmessen ist die Zufallsbegegnung. Durch das Schlendern durch die verschiedenen Hallen entdeckt man Dinge, die man nicht erwartet hatte. Auf diese unerwarteten Dinge zu stoßen ist meines Erachtens sogar der größte Quell der Inspiration.

Welche Begründung wird von Ausstellern am häufigsten genannt, die von einer Präsenz auf der kommenden Messe absehen?

Schneider: Es gibt für 2023 einen Hauptgrund: die Konjunktur. Und paradoxerweise haben wir gleichzeitig zu viel und zu wenig Konjunktur bzw. Nachfrage. Im Bausektor und im Gewerbe sind die Unternehmen immer noch so stark ausgelastet, dass eine Messeteilnahme oft nicht möglich oder sinnvoll ist, im Sanitärbereich bricht die Nachfrage gerade ein, sodass viele Hersteller auf die Kostenbremse steigen und auf eine Messeteilnahme verzichten. Im Heizungsbereich ist die Nachfrage ebenfalls sehr groß, hier haben wir aber keine Auswirkungen.

Seitz: Die letzte reguläre ISH fand 2019 statt. Seitdem hat sich viel verändert. Das betrifft sowohl die Dynamik der Branche als auch das Marketinginstrument Messe. Corona, geopolitische Entwicklungen und die sich teilweise eintrübenden Konjunkturprognosen in Teilmärkten der ISH haben dazu geführt, dass die Teilnahmeentscheidung, sowohl bei den Besuchenden als auch bei den Ausstellenden, sehr viel kurzfristiger gefällt wird. Eine weitere Folge ist, dass einzelne Aussteller sich kurzfristig entscheiden, von ihrer Teilnahme an der ISH zurückzutreten. Dies ist leider aktuell der Fall, allerdings nur im Bereich "Water" und mehrheitlich bei nationalen Herstellern. Als Grund nennen die Firmen hauptsächlich die sinkende Investitionsbereitschaft im Sanitärmarkt, die gestiegenen Energiepreise und die allgemeine weltpolitische Lage. In einzelnen Fällen sind es auch firmenspezifische Gründe. Dennoch unterstreichen alle weiterhin die Bedeutung der ISH als Leitmesse für die Branche und dass ihnen die Entscheidungen sehr schwergefallen sind. Glücklicherweise ist die Mehrzahl der führenden Firmen in allen Bereichen der ISH weiterhin präsent. Aktuell haben bereits 1.350 Unternehmen ihren Vertrag unterzeichnet. Dies entspricht 72 Prozent im Vergleich zu 2019.

Der Aufwand, SHK-Fachbesucher*innen für einen Messebesuch zu begeistern, steigt angesichts der hohen Auftragslage. Inwieweit muss somit Ihrer Meinung nach der Nutzen, den ein Messebesuch bietet, erhöht bzw. effektiver vermittelt werden, und wie lässt sich dies konkret umsetzen?

Schneider: Grundsätzlich sind wir mit den Besucherzahlen bei allen Messen nach Corona sehr zufrieden. So konnten wir bei der kurzfristig ins Leben gerufenen Webuild dieses Jahr einen ausgezeichneten Besuch verbuchen. Die Nachfrage ist da, es scheitert eher am Angebot. Nichtsdestoweniger sind wir gefordert, die Attraktivität von Messen zu verbessern. Im Kern wird eine Messe immer eine Messe bleiben und ein Spiegel des Marktes sein. Derzeit haben wir im Bereich Sanitär eine ungünstige Marktlage für Messen, ich bin aber überzeugt, dass sich das in den nächsten Jahren wieder drehen wird. Wir befragen die Installateure, feilen an neuen Ausstellungsbereichen, um die Webuild auch in Zukunft attraktiv zu halten. Ich bin hier optimistisch, denn jedes Marketinginstrument hat seine Funktion – und die Funktion der Messe wie oben beschrieben kann bis jetzt noch nicht ersetzt werden. 

Seitz: Der Nutzen eines Messebesuchs ist nach wie vor hoch. Nirgends sonst bekommt man so einen Rundumschlag über alle relevanten Themen, Innovationen und Produkte wie auf einer Weltleitmesse wie der ISH. Die Herausforderung liegt darin, diesen Nutzen auch zu vermitteln und in der Fülle an Informationen Orientierung zu geben. Für diese Zwecke bieten wir beispielsweise viele verschiedene Messerundgänge an und haben Orientierungshilfen wie den ISH Contactor oder die ISH-App entwickelt.

An einer schlüssigen Verschmelzung von Analog und Digital im Messewesen wird derzeit noch weltweit gesucht. Was ist in diesem Zusammenhang Ihr Ansatz?

Schneider: Wir haben hier Digital plus ins Leben gerufen. Auf dieser Plattform hat jeder Aussteller einen virtuellen Messestand und kann seine Produkte präsentieren. Die Besucher können so bereits sechs Wochen vor der Messe virtuell sich über die Messe, die Produkte und Aussteller informieren. Auf der Messe kann der Besucher die Messestände via QR-Code einscannen, seine Daten übergeben oder sich elektronisch Informa­tionen zuschicken lassen. Digital plus hat eine Vielzahl von Funktionen – aber es wird unserer Meinung nach für klassische Messen nur in Verbindung mit einer analogen Messe funktionieren. Und bis alle Besucher und Aussteller wirklich alle Funktionen nutzen, wird noch eine gewisse Zeit vergehen. Das geht nicht von heute auf morgen, aber wir sind der Meinung, dass in Zukunft ein digitales Angebot ein Erfolgsfaktor sein wird. 

Seitz: Zur letzten ISH 2021 ist die Branche rein digital zusammengekommen. Das war eine wertvolle Erfahrung, hat aber auch gezeigt, dass die persönliche Begegnung unverzichtbar ist. Die Messe Frankfurt hat mittlerweile viele verschiedene Veranstaltungsformate erprobt. Das Learning daraus ist, dass digitale Angebote eine perfekte Ergänzung für die physische Veranstaltung sind. Deshalb begleiten wir die ISH 2023 in Frankfurt mit einer digitalen Plattform. Parallel zum Branchentreffpunkt in Frankfurt stellen wir die ISH Digital Extension bereit. Sie bleibt dann noch eine Woche länger bis zum 24. März 2023 nutzbar. Dadurch können alle die Zeit auf der Messe optimal nutzen und beispielsweise im Nachgang verpasste Programmpunkte ansehen. Ein weiterer Vorteil ist die Möglichkeit, zielgerichtet Kontakt aufzunehmen. Über KI-gestütztes Matchmaking lassen sich passende Geschäftspartner finden, um mit ihnen auf der Messe oder digital in Kontakt zu treten. 

Wie wichtig sehen Sie thematische Inhalte und Rahmenveranstaltungen – Stichworte "Kongressmesse" bzw. "Infotainment" – als Ergänzung einer Neuheitenschau?

Schneider: Man muss sich entscheiden, was einem wichtig ist. Vorträge binden einerseits Besucher, die dann nicht bei den Ausstellern sind, erhöhen aber natürlich den Informationscharakter. Gerade bei Kongressmessen erlebt man, dass die Aussteller nur in den Vortragspausen die Besucher zu Gesicht bekommen und sich dann noch in Konkurrenz mit dem Café und den – auch so wichtigen – Branchengesprächen der Besucher befinden. Infotainment ist ein für mich schon ein wenig abgedroschener Begriff und wohl seit mindestens 20 Jahren im Umlauf. Wollen wir die Fachbesucher unterhalten? Wollen wir ihnen unvergessliche Eindrücke geben? Wollen wir zielgerichtete, vertiefte Information geben? Wollen wir den persönlichen Kontakt pflegen? Wollen wir konkrete Aufträge schreiben? Die eierlegende Wollmilchsau gibt es nicht. Aber je größer eine Messe ist, desto mehr verschiedene Zugänge und Angebote kann sie für die Besucher bieten und diese für längere Zeit, vielleicht auch für zwei Tage binden. Kleinere Events können nur Einzelaspekte abbilden.

Seitz: Content stand bei der ISH schon immer im Fokus. Dafür spricht auch unser umfangreiches Rahmenprogramm. Die ISH 2023 steht unter dem Motto "Lösungen für eine nachhaltige Zukunft". Es dreht sich alles um Innovationen, die auf die Erreichung der Klimaschutzziele einzahlen und einen verantwortungsvollen sowie effizienten Umgang mit den verfügbaren Ressourcen ermöglichen. Nachhaltigkeit ist das ganz große Thema. Sie ist das verbindende Element zwischen ISH Energie, bestehend aus Wärme und Luft, und ISH Wasser. Im Bereich Energie bedeutet das, dass wir zukünftig unabhängiger von fossilen Energieträgern werden und den Anteil an erneuerbaren Energien schnell steigern müssen. Eine nachhaltige Nutzung und Versorgungssicherheit ist aber auch im Hinblick auf unser Trinkwasser geboten. Die letzten äußerst trockenen und heißen Sommer haben uns das deutlich vor Augen geführt. Im Bereich Wasser bezieht sich Nachhaltigkeit aber auch auf die eingesetzten Materialien – sowohl in der Produktion als auch bei der Installation. Sie umfasst eine effiziente Warmwasserversorgung und reicht bis hin zu langlebigen Konzepten für die Badgestaltung. Diese sollte zukünftig auf alle Generationen und Bedürfnisse ausgelegt sein. 

Wenn Sie nun in einem Satz zusammenfassen müssten, warum SHK-Fachbesucher*innen Ihre Messe nicht versäumen sollten – wie würde dieser lauten?

Schneider: Nun, diese Frage wird mir nicht zum ersten Mal gestellt. Ich denke, dass man sonst nirgendwo an einem Tag so effizient so viele Neuheiten sehen, persönliche Kontakten knüpfen und Inspirationen erhalten kann wie auf der Webuild. Man wird ganz sicher mit einem Kopf voller Ideen, Pläne und Eindrücke und vielleicht auch Emotionen nach Hause fahren. Dieser Tag rentiert sich auf jeden Fall.

Seitz: Nur auf der ISH gibt es Lösungen für die Probleme unserer Zeit.

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