Jenni vom Dach

"Handwerk braucht auch ein cleveres Köpfchen"

Dachhandwerk
23.10.2023

Von: Redaktion Dach Wand
Jennifer Konsek, alias "Jenni vom Dach", ist Bloggerin und das Gesicht der Fachmesse DACH+HOLZ International 2024. Die 25jährige Münchnerin setzt sich für mehr Frauenpower im Bauhandwerk ein und will zeigen, wie vielseitig das Dachhandwerk ist. Im Interview berichtet sie aber auch über die Herausforderungen.
Jennifer Konsek, alias "Jenni vom Dach", ist das Gesicht der DACH+HOLZ International 2024.
Jennifer Konsek, alias "Jenni vom Dach", ist das Gesicht der DACH+HOLZ International 2024.  

Sie arbeiten im Dachdeckerbetrieb Ihres Vaters. Hat er Sie dazu ermuntert, im Bauhandwerk tätig zu werden, oder hätte er Sie lieber in einem anderen Beruf gesehen, der weniger männerdominant ist?

Jennifer Konsek:Ich habe meinen Realschulabschluss gemacht und bin auf die Fachoberschule (FOS) gegangen. Einen konkreten Plan, was ich beruflich machen möchte, hatte ich noch nicht. Für mich war aber klar, dass ich Bewegung im beruflichen Alltag brauche und nicht im Büro vor dem Bildschirm sitzen will. Deshalb habe ich die FOS nach einem halben Jahr abgebrochen. Mit 15 Jahren habe ich ein Praktikum in einer Tischlerei gemacht, das mir sehr gut gefallen hat. Zudem konnte ich in den Ferien im Dachdeckerbetrieb meines Vaters aushelfen, wo ich viel lernen durfte. Also war eines sicher: Handwerk macht mir Spaß, deshalb empfiehl mir mein Vater, eine Ausbildung zu starten.

Wie ist es, sich von seinem Vater ausbilden zu lassen?

Ich habe keine Sekunde überlegt, die Ausbildung in einer anderen Firma zu machen, weil ich wusste, ich kann im Familienbetrieb viel lernen und die Arbeiten selbst ausprobieren. Mein Vater hat mir von Anfang an sehr viel zugetraut und mich gefördert. Das war die beste Entscheidung, die ich treffen konnte, auch wenn mein Vater manchmal ein bisschen ungeduldig ist (lacht).

Sie waren wahrscheinlich eine der wenigen Frauen in der Schule und im Betrieb. Wie war das für Sie?

Im Betrieb gab es von Anfang an keine Probleme. Ich arbeite mit meinem früheren Babysitter zusammen – er ist angestellter Dachdecker in unserer Firma – und es war bzw. ist wie eine zweite Familie. Er kennt mich seitdem ich ein kleines Kind bin und fand es schon immer cool, dass ich in den Beruf eingestiegen bin. In der Berufsschule war ich das einzige Mädchen in der Klasse. Ich musste mir zum Beispiel anhören, dass Frauen in die Küche gehören würden. Oder, dass ich auf den Baustellen nichts zu suchen hätte, weil Männer das machen würden. Aber viele Klassenkameraden haben sich hinter mich gestellt und gesagt, dass auch Frauen in der heutigen Zeit ins Bauhandwerk gehören. Mittlerweise bin ich viel selbstbewusster und antworte den Menschen direkt, die solch überflüssige Kommentare ablassen.

Heißt das, Sie haben immer wieder mit solchen Vorurteilen zu kämpfen?

Nein, es ist wirklich extrem selten. Ich habe ein super Arbeitsumfeld. Wir arbeiten mit zwei großen Zimmereien zusammen und wir schätzen uns gegenseitig sehr. Die Kollegen wissen ganz genau, was ich kann, und sie sehen es nicht als Problem, dass ich eine Frau bin. Wenn Handwerker aus anderen Gewerken dabei sind, schauen sie manchmal ein bisschen komisch. Aber ich wurde noch nie richtig blöd angemacht. Es sind eher überraschende Blicke, weil Frauen in dem Beruf selten vertreten sind. Oft ist es sogar ein Anlass, ins Gespräch zu kommen, weil die meisten neugierig sind.

"Ich leite bereits viele Projekte. Die Kunden sehen, wer das Sagen hat, und das finden sie immer bewundernswert."
"Ich leite bereits viele Projekte. Die Kunden sehen, wer das Sagen hat, und das finden sie immer bewundernswert."

Wie ist es auf Kundenseite? Müssen Sie sie überzeugen, dass Sie als Frau die Arbeit genauso gut machen wie die männlichen Kollegen?

Bisher tatsächlich auch noch nicht. Ich leite bereits viele Projekte. Die Kunden sehen, wer das Sagen hat, und das finden sie immer bewundernswert.

Sie sind in den sozialen Medien viel unterwegs, zeigen Ihre Arbeit und haben sehr viele Follower. Haben Sie hier manchmal mit Widerständen zu kämpfen?

Negative Kommentare kommen hier ebenfalls sehr selten vor. Und wenn doch, kann es ziemlich witzig werden, weil andere Follower sich einschalten und mich unterstützen. Ich finde, dass Leute, die sich für meine Arbeit nicht interessieren, mir auch nicht folgen sollten.

Was sagen Sie zu jemandem, der meint, eine Ausbildung im Bauhandwerk sei nichts für Frauen?

Meistens ist diese Person fassungslos, wenn ich die Gegenfrage stelle: „Warum denn nicht?“ Wenn das Argument kommt, man sei als Frau nicht stark genug für diese Arbeit, antworte ich, dass man auch Gutes leisten kann, wenn man keine Muckis in den Armen hat. Damit ist das Hauptargument gleich hinfällig. Handwerk ist nicht nur körperliche Arbeit. Es braucht auch ein cleveres Köpfchen dazu. Und es kommt sehr selten vor, dass ich Kollegen um Hilfe bitten muss, weil mir die Kraft fehlt. Man kann es mit Sport vergleichen: Wenn man regelmäßig trainiert, wachsen die Muskeln. Zudem erfordert weder das Dachdecker- noch das Spenglerhandwerk Superkräfte, sondern viel Feingefühl.

Welche Arbeiten machen Ihnen am meisten Spaß?

Das ist eine schwierige Frage, weil es so viel gibt, was ich gerne tue. Ich finde es schön zu sehen, was ich am Ende des Tages mit meinen eigenen Händen geschafft habe. Ich bin ein Riesenfan von Blechgauben und meine absolute Lieblingsarbeit ist das Einblechen von geschwungenen Turmdächern. Das kommt sehr selten vor, aber ich durfte die Arbeit bereits ausführen und das nächste Projekt steht schon an: ein denkmalgeschütztes Haus mit einem großen, extrem geschwungenen Turm. Ich freue mich riesig darauf!

Welche Tipps haben Sie für junge Mädchen und Frauen, die sich für das Handwerk interessieren?

Ich empfehle ihnen, einfach das zu machen, worauf sie Lust haben, auf sich zu hören und sich nichts von anderen ausreden zu lassen. Auch nach einer Ausbildung im Handwerk gibt es viele Möglichkeiten, sich weiterzuentwickeln, zum Beispiel mit dem Meister oder man beginnt ein Studium, das zum Beruf passt.

Apropos Weiterentwicklung: Planen Sie, den Betrieb Ihres Vaters zu übernehmen?

Mein Vater und ich teilen uns bereits die Arbeit auf. Wenn er nicht da ist, habe ich auf der Baustelle das Sagen. In naher Zukunft werde ich den fünfköpfigen Betrieb übernehmen, aber davor will ich noch Erfahrungen sammeln. Um Angebote zu schreiben, braucht man viel Praxiserfahrung. Man muss wissen, wie kompliziert das Ausführen mancher Arbeiten werden kann oder wieviel Zeit man hierfür einkalkulieren muss. Ich denke, ich werde in ein oder zwei Jahren langsam mit in die Betriebsführung einsteigen.

"Es sollte selbstverständlich sein, dass weibliche Fachkräfte im Bauhandwerk arbeiten. Sie sind keine Exotinnen, sondern ganz normale Arbeitskräfte."
"Es sollte selbstverständlich sein, dass weibliche Fachkräfte im Bauhandwerk arbeiten. Sie sind keine Exotinnen, sondern ganz normale Arbeitskräfte."

Sehen Sie sich als Frau im Vorteil, wenn es beispielsweise um das Thema Mitarbeiterführung geht? Würden Sie aktiv versuchen, vermehrt Frauen einzustellen?

Vielleicht haben Frauen ein bisschen mehr Mitgefühl, aber ich glaube nicht, dass es einen Unterschied macht, ob eine Frau oder ein Mann eine Firma leitet. Der Führungsstil hängt eher von der Person und nicht vom Geschlecht ab. Und ich würde ein falsches Zeichen setzen, wenn ich Frauen vermehrt einstellen würde. Denn es sollte selbstverständlich sein, dass weibliche Fachkräfte im Bauhandwerk arbeiten. Sie sind keine Exotinnen, sondern ganz normale Arbeitskräfte.

Gibt es weitere Themen in der Branche, die Ihrer Meinung nach angepackt werden sollten?

Ja, das Toiletten-Thema zum Beispiel: Warum bekommt man es nicht geregelt, dass es auf Baustellen eine Männer- und eine Damen-Toilette gibt? Ich finde, das sollte gesetzlich vorgeschrieben sein. Auch beim Thema Nachwuchs muss mehr passieren: In Realschulen, Hauptschulen und auch in Gymnasien wird viel zu wenig über die Vorteile einer Ausbildung gesprochen. Man sollte hier einen Aufklärungstag einführen und über die Aufstiegs- und Verdienstmöglichkeiten informieren, so dass Schüler einen klaren Vergleich zwischen Studium und Ausbildung haben und selbst entscheiden können.

Sie engagieren sich stark für Ihr Handwerk und haben sich – erfolgreich – als Messegesicht für die DACH+HOLZ International 2024 beworben. Warum ist es Ihnen wichtig, die Messe zu repräsentieren?

Ich liebe meinen Beruf über alles und möchte diese Begeisterung den Leuten da draußen zeigen. Ich will den jungen Menschen die Vielseitigkeit und Abwechslung im Handwerk näherbringen. Und ich will ihnen zeigen, dass es heutzutage auch eine sehr gute Option ist, ins Handwerk zu gehen. Aber vor allem möchte ich auch beweisen, dass Frauen genauso gut ins Bauhandwerk passen wie Männer. Ich freue mich, als Messegesicht viele neue Leute auf der Messe näher kennenzulernen und habe von meinem Vorgänger René Gößling erzählt bekommen, wie schön das ist, diese Erfahrung live vor Ort erleben zu dürfen. Ich kann es kaum erwarten!

Worauf freuen Sie sich besonders bei der DACH+HOLZ?

Auf das Zusammenkommen aller Akteure der Branche und darauf, diese Zusammengehörigkeit live vor Ort zu erleben. Das fand ich 2022 in Köln bereits so schön, Menschen kennen zu lernen, nette Gespräche zu führen, Teil dieser Gemeinschaft zu sein, sich über Neuheiten auszutauschen oder andere Erfahrungswerte zu bekommen und dadurch neue Perspektiven für sich zu entdecken. Das ist enorm wichtig.
(bt)

Jennifer Konsek, alias "Jenni vom Dach", ist das Gesicht der DACH+HOLZ International 2024.

DACH+HOLZ International 2024

Die DACH+HOLZ International – die Messe für Greenbuilding: Gebäudehülle & konstruktiver Holzbau – findet vom 5. bis 8. März 2024 auf dem Messegelände Stuttgart (D) statt. Weitere Informationen unter dach-holz.com.

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