Rosenheimer Fenstertage

Bekenntnis zum Klimaschutz

Rosenheimer Fenstertage
20.10.2022

Von: Redaktion Glas
Die Freude am persönlichen Austausch bei den diesjährigen Rosenheimer Fenstertagen war groß. Gekommen waren die 522 Teilnehmer*innen aber vor allem wegen dem vielfältigen Vortragsprogramm, das die Themen Klimaschutz und Nachhaltigkeit in der Fenster- und Fassadenbranche beleuchtete.
Die vollen Säle zeigten das große Interesse der Fenster- und Fassadenbranche an den Themen der Rosenheimer Fenstertage 2022.
Die vollen Säle zeigten das große Interesse der Fenster- und Fassadenbranche an den Themen der Rosenheimer Fenstertage 2022.

Prof. Jörn P. Lass (Institutsleiter ift Rosenheim) erläutert in seinem Eröffnungsvortrag der Rosenheimer Fenstertage die Systematik, Aufgaben und Nachweise für nachhaltige Bauprodukte.
Jörn P. Lass (Institutsleiter ift Rosenheim)

Mit den 49. Rosenheimer Fenstertagen gab es am 12. und 13. Oktober die durch die Corona-Pandemie unterbrochene und lang erwartete Rückkehr des größten Fachkongresses der Fenster- und Fassadenbranche. Den Auftakt zum Tagungsmotto "Aufbruch in die neue Klimazeit" machte der Institutsleiter Prof. Jörn P. Lass, der in seinem Vortrag "Nachhaltig Bauen – Fenster, Türen und Fassaden als Bausteine der Energie- und Ressourcenwende" sehr genau die zu erwartenden Anforderungen und Nachweise beschrieb, mit denen die Hersteller und Zulieferer rechnen müssen. Als Basis sind zwar die Daten einer Umweltproduktdeklaration (EPD) vorhanden, aber für eine praktisch brauchbare Bewertung der Nachhaltigkeit und Klimasicherheit von Bauelementen braucht es weitere Kenndaten und Bewertungen. Diese werden aber durch die bestehenden Normen nur sehr unvollständig abgedeckt. Deshalb wird das ift Rosenheim bis zur BAU 2023 ein entsprechendes Bewertungssystem entwickeln, das gemäß der Saalumfrage von 88 Prozent der Teilnehmer*innen als notwendig erachtet wurde. Mit den Worten "Fenster und Fassaden sind die einzigen Bauprodukte, die Energie gewinnen können" spornte er die Branche zu Optimismus und mehr Engagement an.

Die Zeit wird knapp

Prof. Dr. Stefan Rahmstorf (PIK) warnt auf den Rosenheimer Fenstertagen eindringlich zur Eile beim Klimaschutz, um die Zunahme von Klimaextremen zu verringern
Stefan Rahmstorf (PIK)

In die gleiche Richtung argumentierte der renommierte Klimaexperte Prof. Dr. Stefan Rahmstorf (Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, PIK), der eindringlich mahnte, dass die Zeit für eine Verringerung des Klimawandels sehr knapp geworden ist und bis 2030 die CO2-Emissionen drastisch reduziert werden müssen, bevor Kipp-Punkte dies extrem erschweren. Positiv stimmte, dass die Technik für den Wandel vorhanden ist, denn die Photovoltaik und Windenergie sind bereits jetzt die günstigsten Arten, Strom zu erzeugen. Zudem räumte er das häufige Missverständnis aus, dass eine Temperaturerhöhung von 1,5 – 2,0°C in Europa ja nicht so schlimm wäre. Bereits jetzt ist diese in Deutschland mit 2,0°C doppelt so hoch wie im Durchschnitt und führt in Europa zu regelmäßigen Hitzewellen, zunehmender Dürre, Bränden und Waldsterben. Durch die Veränderungen des Jetstreams kommt es zudem regelmäßig zu lokalen Starkregen und Überschwemmungen.
Da die Welt bei den jetzigen Maßnahmen auf eine Temperaturerhöhung von ca. 3,2 °C zusteuert, ist konsequentes Handeln gefragt – gerade auch im Gebäudebereich, der sehr überproportional fossile Brennstoffe verbraucht und sich durch die dezentrale Energieversorgung nur sehr langsam ändern lässt. Prof. Rahmstorf erwartet daher auch eine "Zeitenwende" bei den politischen Vorgaben zur energetischen Sanierung des Gebäudebestands.

Aktuelle Analysen zur Bauwirtschaft

Martin Langen (B+L Marktdaten) schilderte auf den Rosenheimer Fenstertagen die Zusammenhänge für die mittelfristig guten Aussichten für die Fenster- und Fassadenbranche.
Martin Langen (B+L Marktdaten)

Martin Langen (B+L Markdaten) präsentierte dazu passend folgende Kernbotschaften, die auf aktuellen Analysen und langjährigen fundierten Erfahrungen beruhen:

  • Die Bauindustrie ist nicht mehr zyklisch, folgt auch nicht zwingend der allgemeinen Wirtschaft und wird von der Politik als systemrelevanter volkswirtschaftlicher Zweig auch in Krisen von der Politik gestützt.
  • Die Politik wird sich bei den Förderungen auf die energetische Sanierung und den Neubau des Sozialen Wohnungsbau fokussieren. Das Einfamilienhaus wird deutlich an Förder-Relevanz verlieren, auch wenn es das Wunschziel vieler Menschen ist.
  • Die (notwendige) massive Zuwanderung erzeugt Umzüge, die meistens als Sanierungsanlass dienen und damit auch die energetische Sanierung fördern.
  • Die höheren Baukosten werden die Bautätigkeiten nur vorübergehend bremsen und führen nicht zu einem dauerhaften Rückgang.
  • Solange höhere Hypothekenzinsen deutlich unter der Inflation liegen, führen diese nicht zu einem Einbruch der Bautätigkeiten, insbesondere im Mehrfamilien-Wohnungsbau.
  • Höhere Energiekosten führen zur energetischen Sanierung.
  • Die Auftragslage bleibt mittelfristig positiv, weil es einen Überhang von ca. 800.000 genehmigten Wohneinheiten gibt, die mehrheitlich aus 2020 bis 2022 stammen.

Der Großteil des starken Einbruchs der Bauwirtschaft im Sommer 2022 sieht Martin Langen als vorübergehendes Phänomen an, weil er als Ursache die stark reduzierten Kapazitäten durch coronabedingten Krankstand und Quarantäne sowie die Urlaubswelle (Betriebsschließungen) sieht.

Thomas Drinkuth (RTG) und Frank Lange (VFF) prognostizieren auf den Rosenheimer Fenstertagen die politischen Maßnahmen für 2023.
Thomas Drinkuth (RTG) und Frank Lange (VFF) prognostizieren auf den Rosenheimer Fenstertagen die politischen Maßnahmen für 2023.

Förderungen, Strategien, Projekte

Am zweiten Kongresstag berichteten Thomas Drinkuth (Repräsentanz Transparente Gebäudehülle) und Frank Lange (Verband Fenster + Fassaden, VFF) über die neuesten Entwicklungen zu den möglichen Ordnungs- und förderpolitischen Maßnahmen der deutschen Regierung. Auch wenn alles noch im Fluss ist, sind doch einige Eckpunkte klar erkennbar. Die aktuelle Energiekrise hat vielen Politikern klargemacht, dass neben einer Förderung der regenerativen Energien eine Verbesserung der Energieeffizienz zwingend nötig ist. Das Paradebeispiel ist die Wärmepumpe, denn es ist deutlich geworden, dass diese nur in einem gut gedämmten Gebäude energieeffizient ist. Deshalb rechnen beide Referenten mit einer deutlichen Förderung für die energetische Sanierung und sprachen sogar von einem "Sanierungsbooster".
Dr.-Ing. Stephan Schlitzberger (IB Hauser GmbH) gab in seinem Vortrag Einblick in die Mechanik der Regierung und die Motivation der Politiker, die nicht nur Probleme lösen wollen, sondern immer auch die Wähler und die nächste Wahl im Blick haben. Erwähnt wurde auch der Druck aus Europa in Form der "Minimized Energy Performance Standards" (MEPS), in der bis 2030 ein klimaneutraler Gebäudebestand gefordert wird.
Die weiteren Vorträge ergänzten die Plenumsvorträge durch wichtige Details. Dazu zählten Informationen zum aktuellen Stand der Recyclingmöglichkeiten, dem aktuellen Stand und Ausblick auf die Überarbeitung des Gebäudeenergiegesetzes mit den zu erwartenden Anforderungen an Glas, Fenster und Fassaden, einem Update zum Stand der Technik der schwierigen Schnittstelle der Bauwerksabdichtung, zur thermischen Sanierung von Kastenfenstern mit Vakuum-Isolierglas (VIG), zum innovativen Einsatz von Vakuumglas und weiteren kreativen Ideen im studentischen Projekt "Solar Decathlon" und praktische und strategische Hinweise zur Entwicklung von Fenstern und Fassaden im Hinblick auf Nachhaltigkeit und Digitalisierung sowie Lösungen zur sehr schwierigen Vereinbarung von Klimaschutz und Denkmalschutz am Beispiel der neuen Nationalgalerie.
Ergänzt wurde das Hauptthema Klimaschutz durch Vorträge zum Brexit und dem britischen Konformitätszeichen UKCA, zur Dauerhaftigkeit von antimikrobiellen Oberflächen und zur fachgerechten Befestigung und zum Nachweis von absturzsichernden Bauelementen.

Alle Referenten waren sich jedenfalls einig, dass die Zeit drängt und eine Steigerung der energetischen Sanierungsquote notwendig und auch machbar ist. "Wir schaffen das" war der einstimmige Tenor und wurde damit dem diesjährigen Motto der Rosenheimer Fenstertage "Aufbruch in die neue Klimazeit" voll gerecht.

Save the Date:
Ein Wiedersehen der Fensterbranche gibt es zu den 50. Fenstertagen am 11. und 12. Oktober 2023.
(bt)

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