Kommentar

Feminismus Reloaded

Feminismus
08.03.2022

Heute ist internationaler Weltfrauentag, der seit jeher für eine paritätische Geschlechterverteilung steht – im österreichischen Handwerk ist das jedoch noch längst keine Selbstverständlichkeit.
AnnaStills / Getty Images

Wenn mich jemand fragt, ob ich Feministin bin, der wird mich zunächst mit sehr nachdenklicher Miene vorfinden, bevor nach reiflichem Abwägen ein verhaltenes "Ja, das könnte man schon so sagen" aus meinen Mund kommt. Eine Reaktion, die tief blicken lässt. Ganz unter uns: Ich habe ein recht ambivalentes Verhältnis zu jenem inflationär zitierten F-Wort, denn es verkörpert für mich ein antiquiertes Bild einer einseitig-subversiven Bewegung. Zudem gibt es ja bereits zahlreiche Denker*innen, die jenes vielschichtige Phänomen bereits in allen möglichen Schattierungen beleuchtet haben. Wozu sollte ich also noch Öl in ein loderndes Feuer gießen?

Nun könnte man(n) sagen, dass ich ja selbst eine Frau bin und als Medienschaffende prädestiniert dafür wäre, eine Lanze für meine "Genossinnen" zu brechen und etwa für eine Gleichstellung der Geschlechter in der Berufswelt zu kämpfen. In gewisser Weise mache ich das auch. So setze ich mich beispielsweise für eine Sichtbarmachung von Frauen im Handwerk ein, indem ich im Tischler Journal über ihren ganz individuellen Weg innerhalb dieser eher männerdominierten Branche berichte – aber braucht es dafür gleich die Feminismus-Keule? Und was ist eigentlich mit den Männern?

In seichten Gewässern

Als der internationale Weltfrauentag nahte und ich gebeten wurde, mich jenem Thema anzunehmen, hielt sich meine Begeisterung zunächst in Grenzen. Ich hatte einfach keine Lust, in seichten, ideologischen Gewässern zu fischen und einen Text zu schreiben, der irgendwie an der Oberfläche herumkratzt. Um einem inhaltslosen Schwadronieren über feministische Themen zu entgehen, muss ich also sehr ehrlich sein – zu Ihnen, werte Leser*innen, und auch zu mir selbst. Gar nicht so einfach, wie ich feststelle. Also versuche ich, das subjektiv eingefärbte Narrativ jener Zeilen zu verlassen und mich in sachdienlicher Argumentation zu üben. Statt also in Tiraden über die vielen Ungerechtigkeiten dieser Welt zu zergehen, gilt es Tatsachen zu schaffen und sich den unumstößlichen Fakten zuzuwenden.

Ernüchternde Zahlen

Wie ist es also um die Frauen in der Berufswelt tatsächlich bestellt? Um sich jener komplexen Thematik in adäquater Weise zu nähern, werfen wir zunächst einen Blick auf die nackten Zahlen: Laut aktueller Erhebungen der WKO ist die Geschlechterverteilung je nach Berufsgruppe sehr unterschiedlich. Während der Frauenanteil im Handel noch 60,3 Prozent und in der Gastronomie rund 57 Prozent beträgt, schlagen die weiblichen Fachkräfte im handwerklichen Bereich nur mehr mit 19,2 Prozent zu buche. Damit ist das Handwerk in Österreich noch immer die Branche mit dem niedrigsten Frauenanteil, wobei das Jahresbruttoeinkommen jener Arbeitnehmerinnen im Durchschnitt noch um bis zu 40 Prozent unter dem Lohnniveau der Männer liegt. Das Lohngefälle geht mit den verschiedensten Benachteiligungen einher: Durch das geringere Einkommen verfügen Frauen im Handwerk über eine vergleichsweise geringere individuelle Absicherung, die sich überdies noch in niedrigen Ersatzraten für Arbeitslosenleistungen und Pensionen fortsetzt – ein nicht enden wollender Teufelskreis.

Verhaltener Positivtrend

Seit mehreren Jahren versuchen die Innungen und andere Interessensverbände noch mehr Frauen für das Handwerk zu begeistern, auch deswegen, weil hierdurch der anhaltende Fachkräftemangel ausgeglichen werden soll – mit zunehmendem Erfolg: Vergleicht man die Anzahl an weiblichen Handwerkerinnen von vor fünf Jahren mit dem Stand von heute, so zeichnete sich insbesondere in der jüngeren Vergangenheit ein steigender Positivtrend ab. Demnach ergreifen immer mehr Frauen einen handwerklichen Beruf – was auch dem Umstand zu verdanken ist, dass die körperlichen Belastungen in den Betrieben aufgrund des digitalen Wandels und der Zunahme an automatisierten Prozessen in den vergangenen Jahren bedeutend gesunken sind. Nichtsdestotrotz sind die Herausforderungen für Frauen im Handwerk noch immer groß: Nicht nur aufgrund des Lohngefälles, sondern auch, weil sie noch immer mit veralteten Rollenbildern konfrontiert werden.

Gezielte Förderung

So stellt sich insbesondere in Zeiten der Corona-Pandemie die Frage, mit welchen Maßnahmen eine Gleichstellung der Frauen erreicht werden kann. Hier bietet etwa das AMS mit "Frauen im Handwerk und Technik" (FiT) ein Qualifizierungsprogramm an, das Frauen den Einstieg in Berufsfelder mit hohem Männeranteil ermöglichen soll. Das Programm umfasst Berufsorientierung, Vorqualifizierung, kontinuierliche Beratung und bietet Frauen eine Begleitung in handwerklich-technischen Berufen – fachlich und mental. Das überzeugte etwa auch Johanna Starkl, die durch die Teilnahme bei "FiT" ihre Liebe zum Handwerk entdeckte und im Zuge dessen eine Lehre zur Tischlerin absolvierte. "Das Förderprogramm war eine tolle Chance für mich, da es sich speziell an Frauen richtet, die in einer männerdominierten Arbeitswelt Fuß fassen möchten", berichtet die Wienerin.

Chancengleichheit durch Weiterbildung

Ein anderes Leuchtturmprojekt dieser Art bietet "FairPlusService" – eine Initiative des Bundesministeriums für Arbeit, des Europäischen Sozialfonds, welche gemeinsam mit der ÖSB Consulting, Update Training und ABZ Austria umgesetzt wird. Das Förderprogramm bietet eine gezielte Unterstützung für Frauen in Niedriglohnsektoren an und basiert auf dem Konzept, Betriebe hinsichtlich Chancengleichheit zu beraten und Mitarbeiter*innen zur Weiterbildung zu ermutigen. Jener ganzheitliche Ansatz sei in Tagen wie diesen besonders wichtig, wie Bundesministerin für Frauen, Familie, Jugend, Medien und Integration, Dr. Susanne Raab anlässlich einer Pressekonferenz am 22. Februar erklärte: "Die Pandemie hat uns in Sachen Gleichstellung deutlich zurückgeworfen. Um Frauen mit diesen Herausforderungen nicht alleine zu lassen, ist eine gezielte Frauenförderung in Richtung Weiterbildung unerlässlich."

In Zeiten der Pandemie ist eine gezielte Förderung und Weiterbildung von Frauen wichtiger denn je.

Dr. Susanne Raab, Bundesministerin für Frauen, Medien, Jugend und Integration

Inklusion statt Exklusion

Abseits jener positiven Entwicklungen zeigt sich jedoch das Problem, dass noch immer jene exkludiert werden, ohne die an eine Gleichberechtigung der Geschlechter gar nicht erst zu denken ist: Die Männer. Dabei ist eine kritische und reflektierte Auseinandersetzung mit männlichen Rollenbildern von ebenso großer Bedeutung, wie auch Alexandra Rubel, leitende Mitarbeiterin des Kokon-Reha Zentrums und Teilnehmerin des "FairPlusService"-Förderprogrammes, zu bedenken gibt: "Wenn ich als Frau in einem Unternehmen Karriere machen will, ist es wichtig, dass auch die Männer in den Prozess eingebunden werden. Es geht aber nicht nur darum, dass ich fachliche Kompetenzen erwerbe, sondern auch in meinem Verhalten und in meiner Kommunikation geschult werde – Gleiches gilt für die Mitarbeiter. Auf diese Weise werden Hierarchien abgebaut und man begegnet sich auf Augenhöhe", so die Niederösterreicherin.

Frauen brauchen Männer

Die vorigen Beispiele haben gezeigt, dass es um uns Frauen gar nicht mal so schlecht bestellt ist. Dennoch haben wir in Sachen Geschlechtergleichheit noch einen weiten Weg vor uns. Das Problem: Der eindimensionale Begriff des Feminismus ist mittlerweile zu einem Selbstläufer geworden – im negativen Sinne. Er führt zu emotional aufgeladenen Debatten und banalen Streitereien über Nebensächlichkeiten. Solcherlei Diskussionen sind nicht nur albern, sie bewirken, dass die eigentlichen Ziele der Gleichberechtigung aus dem Blickfeld geraten. Was es jetzt also braucht ist ein "Feminismus Reloaded", eine Gegenbewegung, die ideologisch entspannt, stressfrei ist und allen Geschlechtern offen steht. Denn eines steht schon jetzt zweifellos fest: Frauen brauchen Männer – und umgekehrt.

Frauen in Handwerk und Technik – FiT

"FiT" ist ein Programm des AMS, mit welchem der Einstieg von Frauen in handwerklichen Berufen gefördert wird. Unterstützt werden mehr als zweihundert verschiedene Ausbildungen im Bereich Handwerk und Technik:

Frauen in Handwerk und Technik

FairPlusService

Das Förderprogramm ist ein kostenfreies Beratungs- und Coachingangebot für Unternehmen, welches sich speziell an Mitarbeiter*innen aus dem Niedriglohnsektor richtet und einen aktiven Beitrag für die Gleichstellung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt leistet:

FairPlusService