Auftragslage 2024

Lösungen liegen auf dem Tisch

Baubranche
22.09.2023

Die Baubranche steht vor schwierigen Zeiten. Wenn das Jahr 2024 nicht zu einem Annus horribilis werden soll, muss rasch gegengesteuert werden.
2024 - Schwierige Auftragslage in der Baubranche

Baustoffe zu horrenden Preisen, steigende Personalkosten, hohe Energiepreise und ausbleibende Aufträge vom privaten Häuslbauer bis zum Großprojekt der öffentlichen Hand führen zu leeren Auftragsbüchern. Die schwierige Lage verschärfen laut Bundesinnungsmeister Bau, Robert Jägersberger, die Lieferkettenthematik, die Energiekosten, die zusätzlichen Steuern wie die CO₂-Steuer und die steigenden Kreditzinsen. Der Quartalsbericht der KMU Forschung Austria verspricht für die nächste Zeit nichts Gutes. Die heimischen Gewerbe- und Handwerksbetriebe beurteilen die Geschäftslage im zweiten Quartal 2023 – ausgehend von einem sehr hohen Niveau – weitaus schlechter als im Vorjahresquartal. Für das dritte Quartal 2023 überwiegen per saldo pessimistische Einschätzungen.

Einen so kräftigen Rückgang gibt es selten.

Renate Scheichel­bauer-Schuster, Obfrau der WKO-­Bundessparte Gewerbe und Handwerk

Renate Scheichel­bauer-Schuster Portät
Renate Scheichel­bauer-Schuster, Obfrau der WKO-­Bundessparte Gewerbe und Handwerk

Starke Abflachung

Gewerbe und Handwerk, allen voran die Baubranche samt Nebenbranchen, leiden unter einer Auftragsflaute. Die Wirtschaftskammer teilt mit, dass die Auftragseingänge beziehungsweise Umsätze um 9,2 Prozent eingebrochen seien. „Einen so kräftigen Rückgang gibt es selten“, sagt die Obfrau der WKO-Bundessparte Gewerbe und Handwerk, Renate Scheichelbauer-Schuster.
„In den Jahren 2023 und 2024 muss mit einer Stagnation im europäischen Bauwesen gerechnet werden“, so Wifo-Experte Michael Klien. Dass die Abflachung voriges Jahr hierzulande stärker ausfiel als im Durchschnitt, „ist vor allem auf den Wohnungsbau zurückzuführen“. Laut Wifo war bereits 2022 der österreichische Wohnungsneubau rückläufig und dürfte im Prognosezeitraum noch deutlicher schrumpfen. Die österreichischen Wirtschaftsforscher haben zuletzt bereits einen leichten Anstieg der Bau-Arbeitslosigkeit festgestellt. Einzig die Sanierung und der Tiefbau kompensieren derzeit die Schwäche des Wohnbaus in Österreich. „Wir haben auch schon von Kündigungswellen gehört, weil fehlende Auftragseingänge verzeichnet wurden“, so Bundesinnungsmeister Jägersberger.

In den Jahren 2023 und 2024 muss mit einer Stagnation im europäischen ­Bauwesen gerechnet werden.

Michael Klien, Wifo

Michael Klien, Wifo, im Porträt
Michael Klien, Wifo

Jetzt Maßnahmen setzen

Die Bandbreite an Maßnahmen, die seitens des Bunds und der Länder gesetzt werden können, um eine drohende Baukrise abzuwenden, ist groß. Nur passieren muss etwas, und zwar schnell, darüber sind sich Branchenvertreter einig! Die Wirtschaftskammer hat Anfang Juli einen Forderungskatalog vorgestellt, der für die Politik durchaus als umsetzungsreifes Drehbuch dienen kann. Dazu zählen ein wieder vereinfachter Zugang privater Häuslbauer und Wohnungskäufer zu Wohnbaudarlehen, eine Neuauflage der Investitionsprämie, eine Anpassung der auf Länderebene geregelten Wohnbauförderung, die Forcierung und Erleichterung von Sanierungsprojekten und letztendlich auch raumordnungsrechtliche Maßnahmen.

Hohe Zinsen bremsen

Die Nachfrage nach Wohnbaudarlehen ist in Österreich stark rückläufig. Im zweiten Halbjahr 2022 ist der Immobilienfinanzierungsboom eingebrochen. Mit einem Volumen von 2,7 Milliarden Euro im Juli 2022 wurde noch ein Spitzenwert erreicht. Dem gegenüber steht nach einer Untersuchung des Finanzberatungsunternehmens Infina im Februar 2023 mit nur noch 750 Millionen Euro ein absoluter Tiefpunkt. Im Vergleich Jänner bis Juni des Jahres 2023 mit 2022 ist die Neukreditvergabe für private Wohnbauzwecke um 62 Prozent zurückgegangen. Schuld daran sind aber nicht nur die in mehreren Schritten signifikant angehobenen Zinsen, sondern auch der deutlich schwierigere Zugang zu einem Darlehen zur Finanzierung eines Eigenheims hinsichtlich der aufzubringenden Eigenmittel und die Höhe der Rückzahlungsrate in Relation zum Familieneinkommen.

Die Leute können sich das Hausbauen einfach nicht mehr leisten.

Josef Rettenwander, Geschäftsführer der RHZ-Brandl-Baugruppe

Josef Rettenwander - Porträt
Josef Rettenwander, Geschäftsführer der RHZ-Brandl-Baugruppe

Privater Hausbau steht still

„Die Menschen in unserem Land haben während der Null-Zins-Politik in ein Eigenheim investiert. Durch die hohen Zinsen, gestiegene Lebenskosten und die deutlich gestiegenen Baupreise ist der private Hausbau eingebrochen. Die Leute können sich das Hausbauen oder den Kauf einer Eigentumswohnung einfach nicht mehr leisten“, schildert Josef Rettenwander, Geschäftsführer der RHZ-Brandl-Baugruppe mit Hauptsitz in der Landeshauptstadt Salzburg, die Situation in diesem Segment.
„Die Investitionen sind oft fremdfinanziert und kaum mehr stemmbar mit den bisherigen Modellen“, schlägt Bundesinnungsmeister Jägersberger in dieselbe Kerbe.
Dazu trägt auch die von den Bundesländern geregelte Wohnbauförderung bei, die laut Branchenexperten dringend angepasst gehört. „Vom derzeitigen Modell in Salzburg mit nichtrückzahlbaren Zuschüssen sollte wieder auf eine Förderung mit einkommensabhängigen Annuitätenzuschüssen, so wie es früher praktiziert wurde, umgeschwenkt werden. Damit wäre für Familien die Finanzierung ihres Eigenheims auch dann gesichert, wenn zum Beispiel ein Gehalt wegfällt“, ist Rettenwander überzeugt.  

Es wird wieder möglich, ‚Junges Eigentum‘ zu erwerben.

Christian Struber, Geschäftsführer der Salzburg Wohnbau und Bundesobmann der ARGE Eigenheim

Christian Struber - Porträt
Christian Struber, Geschäftsführer der Salzburg Wohnbau und Bundesobmann der ARGE Eigenheim

Wohnbaufinanzierung neu ordnen

Markant hat sich auch bei den gemeinnützigen Bauvereinigungen die Nachfrage bei Eigentumswohnungen entwickelt. „Insgesamt haben die multiplen Krisen dazu geführt, dass die Nachfrage nach Eigentum innerhalb von weniger als einem Jahr um 80 Prozent eingebrochen ist. Und eine Verbesserung ist nicht in Sicht“, analysiert Herwig Pernsteiner, Vorstandsvorsitzender der Innviertler Gemeinnützigen Wohnungs- und Siedlungsgenossenschaft sowie Bundesobmann-Stv. des Österreichischen Verbands gemeinnütziger Bauvereinigungen. Der damit einhergehende Rückgang des Finanzierungsvolumens bringt laut Pernsteiner „Probleme für Immobilienentwickler, Banken, Neubauprojekte und somit auch für die gesamte Volkswirtschaft, zumal das Bauwesen einen 7,5-prozentigen Anteil an der heimischen Bruttowertschöpfung hat.“ Dieser Abwärtsspirale wollen die gemeinnützigen Bauvereinigungen entgegenwirken. Christian Struber, Geschäftsführer der Salzburg Wohnbau und Bundesobmann der Arge Eigenheim sowie Vorsitzender des Aufsichtsrates des Verbands gemeinnütziger Bauvereinigungen (GBV), lässt mit einem interessanten Modell aufhorchen. Die Arge Eigenheim ist ein Zusammenschluss von rund 100 Wohnbauunternehmen in Österreich mit einem Verwaltungsbestand von über 400.000 Einheiten, etwa 5.000 Mitarbeitern und einem jährlichen Bauvolumen von mehr als einer Milliarde Euro.

Weg mit KIM-V

Da die sogenannte Kreditinstitute-Immobilienfinanzierungmaßnahmen-Verordnung (KIM-V) für viele junge Menschen die Schaffung von eigenem Wohnraum nahezu unmöglich gemacht hat, haben die Verantwortlichen der Arge Eigenheim das „Junge Eigentum“ entwickelt: Dabei können junge Menschen sofort eine Wohnung kaufen und damit sofort auch grundbücherliche Eigentümer werden. Voraussetzung sind dabei Eigenmittel in Höhe von 20 Prozent des Kaufpreises, die angezahlt werden müssen. Der Restkaufpreis wird vom Bauträger gestundet. Bedingung dafür ist jedoch eine fixe, monatliche Zahlung zur Reduktion der Stundung. Bei einer 65 Quadratmeter großen Wohnung würde dies laut Struber einer monatlichen Belastung von rund 1.000 Euro entsprechen. Der Bauträger bleibt im Grundbuch bis zur finalen Bezahlung des gestundeten Kaufpreises. „Mit dieser Regelung wird es wieder möglich, trotz der gestiegenen Zinsen und Baukosten ‚Junges Eigentum‘ zu erwerben“, so Bundesobmann Struber.

Gemeinden sind gefordert

Die Widmung eines Grundstücks ist in Österreich Gemeindesache. Ob auf einem Stück Land nun gebaut werden darf oder nicht, entscheidet der jeweilige Gemeinderat. Das heißt in der Praxis aber auch, dass eine Gemeinde mit ihrer Umwidmungspolitik von Grün- und Bauland Einfluss auf das Preisniveau von Baugrundstücken hat. Denn knappes Gut ist immer teuer, und die Grundstückspreise haben sich in den vergangenen Jahren in vielen Regionen vervielfacht. Josef Rettenwander, der mit seiner RHZ-Baugruppe viele Bauprojekte für gemeinnützige Wohnbauträger umsetzt, spricht sich nicht nur für Nachverdichtungen im urbanen Raum, sondern ganz klar für zweckgebundene Umwidmungen in Umlandgemeinden aus. Zwar gibt es seit 2018 im Salzburger Raumordnungsgesetz die Widmungskategorie „Förderbarer Wohnbau“, doch die Knappheit an Grundstücken, die sich für die Errichtung von Wohnanlagen mit geförderten Miet- und Eigentumswohnungen eignen, hat mittlerweile besorgniserregende Ausmaße angenommen. Mit punktuellen Umwidmungen ist es aber nicht getan. Mit der Bereitstellung von Flächen für große Wohnsiedlungen muss immer auch die Entwicklung einer entsprechenden Infrastruktur mit Kinderbetreuungseinrichtungen, Einkaufsmöglichkeiten, die Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz und die Ansiedelung von Betrieben einhergehen. Das bringt auch einer Gemeinde Geld.
Es sind aber nicht nur die gestiegenen Baukosten, die eine Umsetzung vieler Bauvorhaben unmöglich machen. Gerade im geförderten Wohnbau sollte man verstärkt laut RHZ-Chef Josef Rettenwander auf eine Vereinfachung der Architektur achten. Preistreiber sind auch die vielen Baunormen und überbordenden Bauvorschriften.

Investitionsprämie NEU

Zur Ankurbelung der Baukonjunktur fordern Branchenvertreter nicht nur eine Senkung der Lohnnebenkosten, eine Anpassung der Zinsobergrenze und die Forcierung von Sanierungsprojekten, ganz oben auf der Wunschliste der Wirtschaftskammer stehen neben einer Neuauflage des Handwerkbonus vor allem die Investitionsprämie. „Diese hat sich während der Corona-Zeit als sehr wirksam erwiesen und ist der wichtigste Hebel für eine nachhaltige Konjunkturstützung“, betont die Präsidentin der Wirtschaftskammer Oberösterreich, Doris Hummer. „Wenn hier nicht aktiv gegengesteuert wird, droht ein großflächiger Einbruch der heimischen Konjunktur“, befürchtet Hummer. Experten sind sich einig: Die Investitionsprämie Neu sei ein unmittelbar wirksamer Hebel zur nachhaltigen Belebung der Konjunktur.

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