Ukraine-Krieg

Das ist bei einem Gaslieferstopp vorrangig zu tun

Im Gespräch mit der GEBÄUDEINSTALLATION ordnet Energy4rent-Chef Georg Patay die möglichen Auswirkungen, die der Krieg in der Ukraine für Österreichs Energieversorgung bringen kann, aus seiner Sicht ein. Zeitpunkt des Interviews: 2. März.
Georg Patay

Durch die aktuelle Situation in der Ukraine ist natürlich auch die Versorgung mit Gas gefährdet. Was sehen Sie als Experte für mögliche Szenarien?

Vorab möchte ich festhalten, dass ich jede Kriegsaktivität ablehne. Verhandlungen sind immer besser, als Blut vergießen. Derzeit erscheint es nahezu unmöglich valide Prognosen erstellen zu können, dennoch versuche ich mögliche Szenarien aufzuzeigen.

Österreich ist in der glücklichen Lage, auf eine hervorragende Gasinfrastruktur zurückgreifen zu können, diese war und ist ein wesentliches Fundament für unseren Wohlstand in den letzten Jahrzehnten. Die österreichischen Gasspeicher sind in der Lage - so diese gefüllt sind - bis zu einem Jahr den gesamten Gasverbrauch verlustfrei zu speichern. Strom muss de facto sofort verbraucht werden, wenn dieser produziert wird. So kann man maximal einen Tagesverbrauch in unseren Pumpspeicher-Kraftwerken zwischenspeichern. Durch die enge Vernetzung von Gas mit den anderen leitungsgebundenen Energien wie Fernwärme und Strom, ergibt sich in der aktuellen Engpass-Situation noch eine ganz andere Herausforderung.

Denn der Energieträger Gas wird sowohl für die Strom-, als auch für die Fernwärmeerzeugung in Österreich eingesetzt. Das bedeutet, eine unsichere Gasversorgung gefährdet auch massiv unsere Fernwärme- und Stromversorgung. Wenn sich die Situation in der Ukraine noch weiter zuspitzt, hat auch Deutschland in der nächsten Zeit eine wirkliche Herkules Aufgabe zu meistern: auf der einen Seite wollen unsere deutschen Nachbarn bei der Stromproduktion auf die Kernenergie und Kohle verzichten, auf der anderen Seite hat man Gas als Brückentechnologie für die Stromproduktion fix eingeplant.

Durch die enge Vernetzung des europäischen Stromnetzes wird man daher in Deutschland den geplanten Ausstieg aus Kohle und der Atomenergie der Versorgungssicherheit opfern müssen, je nachdem wie lange mögliche Versorgungsengpässe dauern. Denn die erneuerbaren Energien sind extrem volatil und nur flexible Gaskraftwerke können die Strom- und Fernwärmeproduktion nachhaltig gewährleisten. Die Wahrscheinlichkeit von Strom Blackouts werden daher zunehmen. Denn wie will man ohne adäquater Speichertechnologie, ohne intelligenter Vernetzung der Infrastruktur und ohne dem Energieträger Gas die Energiewende bis 2040 in Österreich schaffen? Die potenzielle Gaskrise wird sich in eine Strom- und Wärmekrise ausweiten und die Energiewende massiv verlangsamen. Der Preis für Biomasse ist bereits vor dem Kriegsbeginn in der Ukraine massiv angestiegen und wird dies auch weiter tun. Pellets sind kein "lokaler" Energieträger mehr, sie werden international gehandelt und können auch knapp werden. Durch die mittlerweile so engmaschig vernetzte Weltwirtschaft wird sich eine mangelhafte Gasversorgung in Europa sowohl auf eine explodierende Preisentwicklung aller Energieträger auswirken, die Energiewende verlangsamen und es zu einer schnelleren "Wiedergeburt" der Atomenergie kommen.

Kann man auf die Vertragstreue Russlands vertrauen? Was weiß man aus ähnlichen Situationen der Vergangenheit?

In den letzten fünf Jahrzehnten war Russland – selbst in den dunkelsten Zeiten des Kalten Krieges - immer pakttreu.  Die Vertragstreue hängt aber auch von einer intakten Gasinfrastruktur und von einem funktionsfähigen Zahlungswesen ab. Durch den Ausschluss vom internationalen Zahlungssystem Swift wird es russischen Banken praktisch unmöglich gemacht Finanztransaktionen abzuwickeln, wenn diese vom globalen Finanzsystem abgeschnitten werden. Wir müssen also aufpassen, dass sich gut gemeinte Sanktionen - beim derzeit niedrigen Füllstand unserer Gasspeicher - nicht gegen unsere eigene Bevölkerung und Wirtschaft richten. Leider wurde von unserer Bundesregierung verabsäumt, ein wirkungsvolles Erdgasbevorratungsgesetz zu beschließen. So sind aktuell Ausnahmen für die Bezahlung von Gaslieferungen unumgänglich, da wir uns sonst den Gashahn selbst zudrehen.

Wie realistisch ist die alternative Versorgung durch andere Anbieter*innen, beispielsweise mittels Flüssiggas?

Die einfachste Möglichkeit wäre es, bereits bestehende Gaslieferverträge mit anderen Staaten auszubauen. U.a. dämpfte bereits Norwegen die Hoffnungen, Ersatzlieferant für die russischen Gaslieferungen zu sein. Denkbar wäre aber auch die Einfuhr von LNG oder durch Fracking erzeugtes Gas. Allerdings fehlt bei all diesen Überlegungen die nötige Infrastruktur und dieser Aufbau kostet Zeit. Ich rechne nicht damit, dass Russland kurzfristig den Gashahn komplett zudrehen wird. Zudem sollte man nicht außer Acht lassen, dass es auch die Möglichkeit gibt, Gas in Österreich selbst nachhaltig zu erzeugen. Immerhin verfügt Österreich über ein Potenzial von vier Milliarden Kubikmeter Biomethan auf Reststoffbasis. Ein Vielfaches dessen, was unsere Gasheizungen jährlich verbrauchen. Auch das Thema Wasserstoffeinsatz in der Industrie würde die Importabhängigkeit verringern. Leider ist das zuständige Klimaministerium unter Frau Minister Gewessler diesbezüglich sowohl ein Grün Gas Gesetz aber auch eine Wasserstoffstrategie aus ideologischen Gründen bis jetzt schuldig geblieben.

Was lässt sich seitens der Haushalte generell tun, wenn die Heizung ausfällt? Was empfehlen Sie für solche Szenarien bzw. bei einem Blackout als unmittelbare Eigenvorsorge? Wie könnten sich Haushalte generell vorbereiten?

Das Fundament jeder Energiepolitik sollte u.a. die Versorgungssicherheit und die Reduktion des Energieverbrauchs sein. So ist eine wesentliche Prämisse für die EU-weite CO2-Neutralität in 2050 die Reduktion um 50 Prozent. Ich empfehle daher jedem Haushalt seinen Energieverbrauch drastisch durch Modernisierungsmaßnahmen aber auch durch Änderung seines eigenen Benutzerverhaltens zu senken. Ein wesentlicher Eckpfeiler auf diesem Weg wird dabei der Austausch des eigenen veralteten Heizsystems und die thermische Sanierung der Gebäudehülle sein. Speziell bei der Modernisierung des Heizsystems kann "Energy4rent" verstärkt seine Dienstleistungen anbieten, insbesondere in den Wintermonaten.  Der Einsatz von Kachel- und Allesbrenner-Öfen ist in Krisenzeiten auch eine denkbare Kurzfrist-Maßnahme gegen großflächige Wärmeblackouts Szenarien, da diese Heizsysteme keinen Strom benötigen. Aber durch den Wegfall des Notkamins in den diversen Bauordnungen bleibt diese Möglichkeit vielen Kunden verschlossen und die Holzbeschaffung kann in Krisenzeit auf Dauer nicht sichergestellt werden. Leider fehlt noch immer das "Energieeffizienz Gesetz Neu" seitens des Klimaministeriums. So wurde bis dato viel zu wenig der Schwerpunkt auf "echte" Einsparungsmaßnahmen gelegt, mit dem Ausbau von PV und Windenergie kann man allein die Welt nicht retten.

Was kann Ihr Unternehmen bieten, um in solchen Situationen die kritische Infrastruktur zu schützen? Welche Kapazitäten haben Sie verfügbar?

Gestatten Sie mir einen Vergleich aus einer anderen Branche, um die Frage zu beantworten: Ein Mietwagenunternehmen kann nicht die Straßen- und Tankstellen-Infrastruktur für seine Kunden ausbauen und zur Verfügung stellen. Eine ähnliche Aufgabenstellung können wir als "Energy4rent" auch nicht leisten. Wir können unsere modernen, gut gewarteten, engmaschig positionierten mobilen Anlagen mit einem kompetenten und motiviertem Team österreichweit zur Verfügung stellen. Als österreichischer Marktführer verfügen wir über den größten und bestens dezentral verteilten Anlagenpark. Das Fundament unserer Dienstleistungen basiert jedoch auf einer funktionsfähigen Infrastruktur. Bei kleinflächigen Gebrechen können wir helfen, aber beim Zusammenbruch der gesamten kritischen Infrastruktur wie z.B. Strom, Fernwärme, Gas, Wasser und dem Tankstellennetz, ist auch ein Anbieter von mobiler Energie hilflos. Die einzige wirkungsvolle Maßnahme ist die drastische Senkung unseres Energieverbrauchs. Dies ist die robusteste Krisenvorsorge!

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