Interview

Die Glasbranche ist gut gerüstet

Glasbranche
15.03.2023

Viele Handwerker*innen sind mit einem mulmigen Gefühl in die Bausaison 2023 gestartet. Das ergeben nicht nur jüngste Umfragen, auch Bundesinnungsmeister Walter Stackler sieht zahlreiche Herausforderungen für die Branche. Dennoch ist er optimistisch. Lesen Sie, was ihn positiv stimmt.
Bundesinnungsmeister der Glaser, Dachdecker und Spengler Walter Stackler.
Bundesinnungsmeister Walter Stackler sieht die Glasbautechniker*innen auch für weitere Herausforderungen gut gerüstet. 

Die herausfordernden Zeiten nehmen kein Ende. Letztes Jahr lief trotzdem recht gut für die Glasbranche. Was erwarten Sie vom Glas-Jahr 2023?

Natürlich betreffen auch uns Glasbautechniker*innen die stark gestiegenen Material-, Energie- und Personalkosten bis hin zum Arbeitskräftemangel. Der aktuelle Belastungsmix stellt unsere überwiegend klein- und mittelständischen Betriebe vor nie dagewesene Herausforderungen. Aber die Liste der alltäglichen Glasanwendungen ist schier endlos, die moderne Architektur bezieht Glas als Bauelement immer stärker ein, Glaskonstruktionen bestimmen den modernen Baustil entscheidend mit, und die Verwendung von Glas als Werkstoff ist in allen Bereichen sehr zukunftsorientiert. Deshalb bin ich guter Hoffnung: Unsere Betriebe haben die letzten Jahre gut gemeistert und werden auch in dieser wirtschaftlich turbulenten Zeit erfolgreich sein.

Im Baugewerbe ist allgemein ein kräftiger Rückgang bei den privaten und gewerblichen Aufträgen zu bemerken. Worin sehen Sie die größten Bremsen für die Baukonjunktur?

Es ist ein Rückgang im Wohnungsbau zu erwarten, insbesondere bei privaten Hausbauprojekten. Ein Grund hierfür sind die verschärften Bedingungen bei der Kreditvergabe. Mit 1. August 2022 sind neue Kreditrichtlinien in Kraft getreten, die vielen Menschen den Zugang zu Finanzierungen verwehren. Hier besteht Handlungsbedarf, da sonst Wohnen im Eigentum für viele nicht mehr finanzierbar sein wird. Explodierende Baustoffpreise, Fachkräftemangel, die unsichere weltwirtschaftliche Lage und eine hohe Inflation spielen natürlich auch maßgebliche Rollen.
Zudem wird der Markt immer schwerer berechenbar, was die Planungsunsicherheit vergrößert. Preise werden unkalkulierbarer, weil sie in immer geringeren Abständen angepasst werden. Trotzdem sehe ich für unsere Branche halbwegs optimistisch in die Zukunft. Die letzten wirtschaftlich guten Jahre sollten für die meisten Betriebe einen soliden Polster gebracht haben, um eine kleine Krise zu überstehen.

Laut der jüngsten Konjunkturumfrage der KMU Forschung Austria im Gewerbe und Handwerk sind nur 13 Prozent der befragten Betriebe mit positiven Erwartungen in das erste Quartal 2023 gestartet. Wie empfinden Sie die Stimmung im Glaserhandwerk?

Auch bei Glaserbetrieben wächst der Pessimismus. Da wir zurzeit kein Ende der Preissteigerungen bei Energie und Rohstoffen sehen, und inzwischen auch die Kreditzinsen deutlich ansteigen, besteht bei unseren Betrieben große Verunsicherung über die weitere Entwicklung. Ungeachtet der schwierigen gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen behaupten sich die Glaserbetriebe dennoch und besser als erwartet.

Die Industrie verspricht großteils Lieferfähigkeit der gängigen Produkte. Wie sieht es in der Praxis aus: Kämpfen die Unternehmen noch mit Materialengpässen?

Mir sind zurzeit keine Lieferengpässe bekannt.

Wie schwierig ist es, die teilweise enormen Preissteigerungen bei Baumaterial an Kund*innen weiterzugeben? Ist das Verständnis dafür inzwischen gewachsen?

Damit Glaserbetriebe dauerhaft erfolgreich arbeiten können, müssen sie entsprechende Preise für ihre Produkte und Dienstleistungen verlangen. Dazu sind faire Preise erforderlich, die sie aber auch erhöhen müssen, wenn die Kosten für Vorprodukte, Materialien, Energie, betriebliche Ausgaben etc. steigen. Wichtig ist meines Erachtens, dass die Kunden den Grund erfahren, warum ein Produkt teurer geworden ist, damit können sie es besser nachvollziehen. Die meisten Kunden haben für gewisse Preiserhöhungen Verständnis. Denn inzwischen weiß jeder: "alles wird teurer".

Auch die Unternehmen selbst sind von den allgemeinen Preissteigerungen, vor allem im Energiesektor, betroffen. Nutzen Sie und Ihre Kolleg*innen den Energiekostenzuschuss?

Die Energiekosten sind ein gravierendes Problem, aber nicht das einzige. Unsere Betriebe sind mit einem Gesamt-Belastungspaket aus extremen Preissteigerungen von Vormaterialien sowie Personalmangel und schwächelnder Nachfrage konfrontiert. Wie viele energiekostenintensive Klein- und Mittelbetriebe überhaupt förderberechtigt sind und einen Antrag stellen, kann ich nicht einschätzen. Ich hoffe jedenfalls auf rasche und unbürokratische Abwicklung. Wir brauchen jetzt offensive Maßnahmen, damit unsere Unternehmen investitionsfähig bleiben. 

Was würden Sie sich von der Regierung wünschen, um die Kostensteigerungen der Betriebe abzufedern und die allgemeine Konjunktur anzukurbeln?

Die Bundesregierung hat zahlreiche Steuererleichterungen auf den Weg gebracht. Es braucht in dieser Phase gezielte Maßnahmen, innovative Ansätze, damit die Wirtschaft rasch und nachhaltig in Schwung kommt. Konsum und Investitionen sind von größter Bedeutung und müssen gezielt gestärkt werden. Wenn nämlich die Konjunkturlokomotive, das Bau- und baunahe Gewerbe, an Schwung verliert, würden sehr viele Bereiche darunter leiden. Für mehr Investitionen müssen die finanziellen Belastungen für unsere Unternehmen generell reduziert werden und attraktive Anreize geschaffen werden. Ich wünsche mir von der Regierung, dass die Steuerquote, insbesondere die Lohnnebenkosten, drastisch gesenkt werden.

Wie kann die Bundesinnung ihre Mitglieder angesichts der zahlreichen aktuellen Probleme unterstützen?

"Nach drei Jahren Krise ist die Stimmung verständlicherweise nicht berauschend, aber auch nicht schlecht", so ein Zitat des Tiroler Wirtschaftskammerpräsidenten Christoph Walser. Unsere Branche hat die schwierige Zeit sehr gut gemeistert und wird auch in Zukunft ihre Chancen nutzen. 
Das Thema Fachkräftemangel steht allerdings seit mehreren Jahren im Brennpunkt. Hier soll nun mit einer österreichweiten Kampagne Werbung für alle drei Lehrberufe gemacht werden. Ziel ist es, unsere Berufe Dachdecker, Glaser und Spengler mit einem bundeseinheitlichen Erscheinungsbild stärker in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit zu rücken und Jugendliche zu einer Ausbildung zu animieren. Die zentrale, selbstbewusste Aussage der Kampagne lautet "Ich bin ein Macher." – sprich ein Meister meines Handwerks, ich brenne für meinen Beruf. Potenzielle Lehrlinge werden vor allem über Social-Media-Kanäle in Jugendsprache angesprochen. Und selbstverständlich werden wir unsere Mitglieder bei allen aktuellen und künftigen Entwicklungen unterstützen und die damit verbundenen Herausforderungen gemeinsam meistern.

Eine Botschaft zum Schluss: Was möchten Sie Ihren Kolleg*innen für das Jahr 2023 mitgeben?

Es ist unserer Branche gelungen, die großen Herausforderungen der letzten Jahre zu meistern. Ich gehe zwar weiterhin von anspruchsvollen Zeiten aus, sehe unser Berufe aber gut gerüstet, um in Zukunft ein gesundes Wachstum zu erreichen. Und eines stimmt mich dabei optimistisch: In der Krise wurde dem Handwerk wieder mehr Wertschätzung entgegengebracht. Man versteht allmählich, dass das Handwerk ein unverzichtbarer Partner für die Zukunft ist.

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