Diebstahlschutz
Achtung, Diebe!
Eine 500 Kilogramm schwere Rüttelplatte im deutschen Monheim, eine mehrjährige Diebstahlserie in der Steiermark oder Entwendung von eher kuriosem Diebesgut wie Toilettensitzen und bereits eingebauten Steckdosen – Fälle wie diese landen in großen Abständen in den Medien. Dabei sind Eigentumsdelikte auf Baustellen keine Seltenheit, wie gemeinsame Untersuchungen des Kuratoriums für Verkehrssicherheit (KFV) und des Bundeskriminalamts (BK) zeigen. Vom Marktforschungsinstitut Wissma wurden im vergangenen Jahr 150 Bauunternehmen und Baumaschinen-Vermieter zu diesem Thema befragt. Die Ergebnisse sind ernüchternd. So scheint etwa nur ein Teil der gestohlenen Güter von Baustellen auch tatsächlich in polizeilichen Statistiken auf, denn bei weitem nicht alles wird angezeigt. Darüber hinaus rechnen speziell große Baufirmen durchaus mit einem gewissen "Materialverlust" auf Baustellen und inkludieren diesen bereits in ihre Kalkulationen. Doch für kleine Bauunternehmer*innen kann ein einziger Diebstahl – zum Beispiel eines Großgeräts – durchaus auch schwere wirtschaftliche Konsequenzen bedeuten, sei es durch den entstehenden Zeitverlust und damit einhergehende Mehrkosten oder Pönalen, oder weil das Gerät nicht ordentlich versichert war.
88 Prozent der Unternehmen wurden bestohlen
"Rund 88 Prozent der befragten Unternehmen waren bereits mit einem Baustellendiebstahl konfrontiert. Bei zwei Dritteln (69 Prozent) ereignete sich der letzte Diebstahl sogar im Jahr 2020 oder 2021," berichtet Armin Kaltenegger, Leiter des Bereichs Eigentumsschutz im KFV. Die Art der dabei gestohlenen Güter variiert. Es zeigt sich allerdings, dass tendenziell immer mehr hochwertigere Güter entwendet werden. "Grundsätzlich wird alles gestohlen, was nicht niet- und nagelfest ist", so Kaltenegger. Am häufigsten werden nach wie vor Kleingeräte wie Bohrmaschinen, gefolgt von Kleinwerkzeugen und Baumaterialien geklaut.
Die Art der gestohlenen Güter hängt meist aber auch von der jeweiligen Marktsituation und der Nachfrageentwicklung ab. So war in den vergangenen Jahren Kupfer in allen Formen beliebt, in Zukunft könnte es zu einer Zunahme von Holzdiebstahl kommen, prognostiziert man im Kuratorium für Verkehrssicherheit.
Einen nennenswerten Zuwachs an Diebstählen seit der Materialkrise im vergangenen Jahr können weder Porr noch Leyrer + Graf bestätigen, ein Thema seien Diebstahlsdelikte aber auch bei ihnen. "Baustellendiebstahl gibt es, seit es Baustellen gibt, und natürlich ist es auch für die Porr ein wiederkehrendes unerfreuliches Thema", erklärt Porr-CEO Karl-Heinz Strauss. Auch bei Leyrer + Graf ist man immer wieder mit dem Problem konfrontiert. "Auch unsere Baustellen sind von Einbruchsdiebstählen betroffen", berichtet Christian Bruckner, CFO der Leyrer + Graf Bau GmbH. Allein der Sachschaden mache jährlich einen sechsstelligen Betrag aus – die damit verbundenen Stehzeiten seien dabei noch nicht berücksichtigt.
Schadenssumme steigt
Zwar wird im Vergleich zu früher weniger oft eingebrochen, die Schadenssummen sind aber durchaus mitunter beachtlich. Nachdem 2013 die polizeilich erfasste Schadenssumme erstmals über zehn Millionen Euro lag, erreichte diese im Jahr 2017 mit rund 18,7 Millionen Euro ihren Höchststand. In den Folgejahren bewegte sich dieser Wert jeweils um 17 Millionen Euro und fiel im Pandemiejahr 2020 auf 11,6 Millionen Euro, wobei die Daten von 2020 nicht repräsentativ sind. "2021 bewegt sich die Schadenssumme schon wieder deutlich in Richtung 20 Millionen", betont Armin Kaltengger vom KFV. Die Dunkelziffer dürfte jedoch um einiges höher sein, da bei weitem nicht jeder Diebstahl angezeigt wird.
Anzeige? Fehlanzeige!
Laut KFV-Umfrage erstattet rund ein Drittel der Befragten im Falle eines Diebstahls keine polizeiliche Anzeige. Sowohl der gering eingeschätzte Wert der gestohlenen Sachgüter als auch erfolglose Fahndungen nach den Tätern wurden als Gründe für die ausgebliebene Anzeige angeführt. "Viele Unternehmen scheuen den administrativen Aufwand – erst recht, wenn die Versicherung die Schadenssumme bereits ausbezahlt hat", so Klaus Autischer vom Bundeskriminalamt. "Es hilft aber sehr, wenn auch kleine Diebstähle zur Anzeige gebracht werden. Dies erleichtert den Behörden die Strafverfolgung um ein Vielfaches," betont der Kontrollinspektor.
Die Aufklärungsrate bei Baustellendiebstählen ist ausbaufähig, gibt Autischer zu. Nur sechs Prozent aller angezeigten Delikte können aufgeklärt werden. Das liege auch daran, dass die gestohlenen Geräte zuvor nicht genau genug dokumentiert wurden. "Mit einer Inventarnummer können wir nichts anfangen", so Autischer. Er rät Baufirmen, die Individualnummern der Geräte festzuhalten. Durch diese könne man im Zuge eines Aufgriffs Diebesgut identifizieren und retournieren. Diese Nummern würden auch verhältnismäßig oft kontrolliert, zum Beispiel bei Ein- und Ausreisekontrollen.
Eine Frage der Versicherung
Welche Gerätschaften und Materialien im Falle eines Baustellendiebstahls aber überhaupt versichert sind und ob für die Auszahlung eine Anzeige notwendig ist, hängt vom Vertrag bzw. dem Wording ab, erklärt Gerald Katzensteiner, Abteilungsleiter im Bereich Allgemeine Haftpflicht, Bauwesen und Firmengeschäft der VAV Versicherungs-Aktiengesellschaft. Bauunternehmen haben folgende Möglichkeiten, sich gegen Baustellendiebstahl zu versichern:
1) Bauwesenversicherung: Mit dieser können in der Regel elektrische, elektronische und maschinelle Einrichtungen und Anlagen und baugebundene Installationen (z. B. Aufzüge, Klimaanlagen, Brandschutzeinrichtungen, Sanitärinstallationen etc.) mitversichert werden. Die Bauwesenversicherung deckt im Normalfall nur Diebstahl und Einbruchdiebstahl von eingebauten Teilen bzw. von Teilen in ordnungsgemäß versperrten Räumlichkeiten ab. "Allerdings gibt es aber schon Aufweichungen, wo Sachen, die aufgrund ihrer Größe oder Beschaffenheit nicht in Räumlichkeiten verwahrt werden können, innerhalb des die Baustelle umgebenden Bauzaunes gelagert sind, der bewacht bzw. mit Vorhängeschlössern gesichert ist", räumt der Versicherungsexperte ein.
2) Arge-Einbruchdiebstahlversicherung: Die zweite Möglichkeit ist eine Einbruchdiebstahlversicherung für Sachen im Eigentum der Arge-Partner bzw. im Einzelfall auch nur einer Baufirma, die sich zum Zeitpunkt des Schadens in versperrten Containern, die auf oder neben dem Baustellengelände für die Dauer der Errichtung aufgestellt wurden, befunden haben. Versichert sind in diesem Fall
- kaufmännische bzw. technische Betriebseinrichtung,
- Werkzeug aller Art,
- Maschinen aller Art,
- Geräte aller Art.
Bei vielen Bauwesen-Wordings sei eine Anzeige für die Auszahlung der Schadenssumme nicht notwendig, erklärt Gerald Katzensteiner. Anders verhält es sich bei einer Arge-Einbruchdiebstahlversicherung. "Hier ist eine unverzügliche Anzeigepflicht eine vereinbarte Obliegenheit. Das bedeutet, eine Anzeige ist für die Auszahlung der Schadenssumme auf jeden Fall erforderlich", betont der Versicherungsexperte.
Für Auszahlung der Schadenssumme benötigen die Versicherungen laut VAV folgende Dokumente:
- Schadensmeldung des Versicherungsnehmers,
- Leistungsverzeichnis,
- eine detaillierte Forderungsliste,
- Anzeigenbestätigung,
- alte Anschaffungsrechnungen und
- Wiederbeschaffungsrechnungen.
Asset-Tracking als Abschreckung
Damit es erst aber erst gar nicht zu einem Einbruchsdelikt kommt, kann man auch als Baufirma einiges beitragen. Vor allem Baustellen in Ballungszentren und entlang von Autobahnen seien besonders gefährdet, erklärt Klaus Autischer. Das bestätigt auch Christian Bruckner von Leyrer + Graf: "Speziell Baustellen in Wien und östlich von Wien in Grenznähe sind bei uns betroffen. Dabei handelt es sich um weniger frequentierte Gegenden, allerdings mit guten 'Fluchtwegen' z. B. in der Nähe von Autobahnen oder Schnellstraßen." Als Reaktion darauf werden Baustellen bei Leyrer + Graf stärker bewacht bzw. mit Alarmanlagen ausgestattet und zum anderen verschiedene technische Maßnahmen eingebaut, damit die Maschinen und Geräte nicht gestohlen werden können. "Unser Baustellenpersonal ist verstärkt darauf angewiesen, alles zu versperren und zu sichern. Kleingeräte wie Stampfer oder Rüttelplatten werden außerdem nicht mehr auf der Baustelle gelassen und täglich mitgenommen", berichtet Christian Bruckner.
Auch bei der Porr treffe man alle üblichen Absicherungsmaßnahmen wie abgeschlossene Bauzäune und Container sowie, wo die Örtlichkeit es zulässt, Überwachungskameras. Seit 2016 setzt der Baukonzern zusätzlich auf Asset-Tracking bei Baugeräten und Fahrzeugen. "Mit dem Ergebnis sind wir sehr zufrieden", erklärt CEO Karl-Heinz Strauss, "denn seitdem konnten 100 Prozent der mit diesen Telematik-Geräten ausgerüsteten gestohlenen Assets geortet und gefunden werden." Dabei handelte es sich sowohl um Kleingeräte wie z. B. Rüttelplatten als auch um große Walzenzüge, Mobilbagger und Fahrzeuge. "Ich bin überzeugt, dass diese Maßnahmen abschreckend wirken. So haben wir seit Beginn des Asset-Trackings einen Rückgang bei Diebstählen von Geräten und Fahrzeugen um 30 bis 40 Prozent bemerkt", so der Porr-CEO.
Tipps zur Prävention
- Notieren Sie die Individualnummern der Wertgegenstände in einem Verzeichnis und übergeben Sie diese nach einem Einbruch der Polizei. Nur so kann die Polizei das gestohlene Gut identifizieren und Täter*innen überführen.
- Hochwertiges Werkzeug und Maschinen nach Möglichkeit nicht im Baucontainer zurücklassen. Ein eigener Wagen, der nach Ende des Arbeitstages zurück in die Firmenhalle gefahren wird, ist eine gute Möglichkeit.
- Im Baucontainer aufbewahrte Wertgegenstände sollten zusätzlich abgesichert werden (z. B. in einem nochmals gesicherten Schrank).
- Sichern Sie das Baustellengelände so gut wie möglich ab: bspw. durch Einzäunen des Geländes; installieren Sie nach Möglichkeit Video- und Alarmanlagen. Absicherungen sowie Überwachungen können den Widerstand erhöhen und dienen der Abschreckung.
- Achten Sie auf baustellenfremde Personen. Oft haben sich firmenfremde Personen die Arbeitskleidung der Angestellten besorgt. Sprechen Sie daher baustellenfremde Personen an.
- Halten Sie Zugänge zu Büro- und Baucontainern geschlossen und versperrt. Eine bloß zugezogene Türe ist kein Hindernis. Je besser das Schloss, desto abschreckender ist auch seine Wirkung.
Prävention hat Seltenheitswert
Dass die Baustellenabsicherung in der gelebten Praxis aber bei weitem nicht immer so vorbildlich abläuft, zeigt die Studie des KFV. Im Juli 2021 wurden über 100 Baustellen in Augenschein genommen. Das Ergebnis ist ernüchternd: Auf 82 der 117 beobachteten Baustellen wurde ein Schild mit der Aufschrift "Betreten verboten" als Sicherungsmaßnahme montiert. Ein die Baustelle vollständig umschließender Bauzaun kam bei nur etwa zwei Dritteln der Baustellen zum Einsatz (75 von 117) – wobei auch dieser in vielen Fällen Lücken aufweist, die oftmals nur mit einem losen Absperrband "versperrt" werden. Überwachungskameras kamen bei lediglich acht Baustellen zum Einsatz, und Security war nur auf einer Baustelle präsent.
"Wir empfehlen den Bauunterfirmen dringend, mehr in Sicherheitsmaßnahmen zu investieren", appelliert Chefinspektor Peter Seidl vom Bundeskriminalamt an die Unternehmen. Eine Sicherungsmaßnahme, auf die Bauunternehmen auf keinen Fall zurückgreifen sollten, ist, wertvolles Gerät oder Material über Nacht oder übers Wochenende an einem Kran in luftiger Höhe zu parken. "Diese Methode ist sowohl sicherheits- als auch versicherungstechnisch sehr problematisch", betont Peter Seidl vom Bundeskriminalamt.
Diebstahlprävention: Alles sicher im Blick
Noch hat mobile Videoüberwachung auf Österreichs Baustellen Seltenheitswert. Das wird sich bald ändern, ist Frank Käferböck von Kooi überzeugt, wie er im Interview erzählt.
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