Energiepreise

Österreichische Industrie existenziell bedroht

Energie
28.03.2022

Aktualisiert am 31.03.2022
Die Sparte Industrie der Wirtschaftskammer fordert eine schnelle Unterstützung für den Industriestandort Österreich, ein österreichweite Energiestrategie und eine Strompreiskompensation. Für diese hat sich mit Nachdruck auch IV-Präsident Georg Knill in der ORF-Pressestunde ausgesprochen.

Die österreichische  Industrie hat mit massiven Schwierigkeiten zu kämpfen. Aufgrund von Corona kam es zu Rohstoffengpässen und Lieferproblemen, durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine zu gewaltigen Preissteigerungen bei der Energie. Vorige Woche kam auch noch die Ankündigung von Russlands Präsidenten Wladimir Putin, dass alle "unfreundlichen Staaten", zu denen alle EU-Staaten zählen, die Gaslieferungen künftig in Rubel bezahlen müssen dazu. Unter dem Strich befinden sich die heimischen Industriebetriebe daher in einer existenzbedrohenden Ausnahmesituation. "Neben dem unermesslichen menschlichen Leid verursachen die wirtschaftlichen Einschnitte dramatische Schäden. Unmittelbare Auswirkung haben die rasanten Energiepreissteigerungen, fehlenden Rohstoffe und unterbrochenen Lieferketten, die die Industrie massiv unter Druck setzen",sind sich Bundessparten-Obmann Sigi Menz und Spartenobmann Stefan Ehrlich-Adam einig.

Neue Rahmenbedingungen und Energiestrategie

Beide Branchenvertreter fordern deshalb von der Regierung sofortige Maßnahmen und Hilfestellungen, die eine staatliche Energielenkung verhindern. Ein wichtiger Schritt dabei sei eine deutliche Beschleunigung von Genehmigungsverfahren für die Produktionswirtschaft und Infrastruktur. "Damit unsere Betriebe den ökologischen Wandel vollziehen können, müssen ihnen langwierige, bürokratische Steine aus dem Weg geräumt werden", so Ehrlich-Adam.

Aber auch bei den alternativen Technologien müsse die Politik mehr Mut zeigen. "Die Wiener Industrie ist mit ihren Innovationen Teil der Lösung und Partner auf dem Weg zur Energiewende. Es ist höchste Zeit, endlich eine gesamtösterreichische Energie-Strategie zu erarbeiten und zu präsentieren, die auch Rahmenbedingungen für eine Wasserstoff-Wirtschaft in Österreich schaffen soll. Die Wasserstoff-Technologie kann eine echte und attraktive Alternative sein. Dazu brauchen wir aber rasch die Umsetzung der lange versprochenen Wasserstoff-Strategie, also einen notwendigen rechtlichen Rahmen, genauso wie Förderbestimmungen und Regelungen für die Infrastruktur. Nur dann, können Betriebe auch langfristig und sinnvoll ihre Zukunft planen", ist der Wiener Industriechef überzeugt.

Stompreiskompensation und Dekarbonisierungsfonds

Als Sofortmaßnahme brauche es die Einrichtung eines Dekarbonisierungsfonds und die Strompreiskompensation gemäß dem europäischen Emissionshandelssystems. Forderungen, die in den letzten Tagen und Wochen schon mehrmals seitens der Wirtschaftskammer und der Industrie geäußert wurden, bis dato jedoch kein Gehör fanden. "Die Industrie ist ein verlässlicher Arbeitgeber und Partner in der Energiewende. Die Branche hat jetzt jede Unterstützung verdient", betont Ehrlich-Adam. Ebenso eindringlich und gleichlautend ist das Verlangen von Georg Knill, dem Präsidenten der Industriellenvereinigung. Beim Pressegespräch am Sonntag, den 27. März 2022, hat er sich zum wiederholten Male für die Einführung der Strompreiskompensation ausgesprochen. "Das ist eine von der EU gezielt auf die Industrie ausgelegte Unterstützungsmaßnahme, die bereits von 13 Ländern in Europa angewendet wird. Österreich wehrt sich aus mir unerfindlichen Gründen diese Strompreiskompensation einzuführen."

Doch der IV-Präsident möchte nicht nur eine Entlastung, sondern auch einen Belastungsstopp hinsichtlich der geplanten Umweltgesetzgebung. "Wir haben eine fundamental neue Situation hinsichtlich der Energieversorgung. Wir können nicht einfach so fortfahren in der Transformation, wie vor dem Angriffskrieg auf die Ukraine. Wir müssen evaluieren", gibt Knill zu bedenken, der so wie WKÖ-Präsident Harald Mahrer für eine Verschiebung der CO2-Bepreisung ist. Und um die Klimaziele zu erreichen, brauche es zur Unterstützung der notwendigen Innovationen einen Transformationsfonds. "Wir sind startbereit, wir warten auf den Startschuss für die Investitionen. Wir sind aber eigentlich daran gehindert die ersten Schritte zu setzten, denn wichtige Gesetzgebungen, wie das Erneuerbaren-Ausbaugesetz, das zwar schon lange kommuniziert worden ist, ist in den finalen Verordnungen noch immer ausständig", so Knill, der damit explizit einen Hilferuf, die Industrie in deren Belangen entsprechend zu unterstützen, an Energieministerin Gewessler sendete.

IV fordert einen Energie-Staatssekretär

Zusätzlich unter Druck kommen die heimische Industrieunternehmen, durch die Forderung von Wladimir Putin, dass europäische Gaslieferungen nur noch in Rubel bezahlt werden können. Passiert das nicht, droht ein Lieferstopp. Die Auswirkungen auf die europäische Wirtschaft wären enorm. Österreich wäre besonders stark betroffen, da 80 Prozent des Gases aus russischen Quellen kommen.

Auch wenn derzeit die Gaslieferungen aus Russland weiter uneingeschränkt laufen, hat Österreich, so wie Deutschland, am 30. März 2022 die Frühwarnstufe des Notfallplans für Gaslieferungen ausgerufen. Mit dem Unterschied, dass Deutschlands Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) gleichzeitig an alle Unternehmen und Bürger*innen den Appell ausgab, alles zu tun, um Gas einzusparen. Bei uns bedeutet die Frühwarnstufe, die Stufe 1 des Notfallplans, dass das bereits seit Wochen bestehende Überwachungs- und Monitoring-System verschärft wird. Heißt, dass die E-Control und die Austrian Gas Grid Management, die für den heimischen Gasmarkt zuständig sind, das Klimaschutzministerium und die Bundesregierung täglich mit Berichten versorgen.

Für die Industriellenvereinigung muss die Energie daher "Chefsache werden" und fordert einen Energie-Staatssekretär im Bundeskanzleramt. Die Lage sei Ernst und die Energieversorgung Österreichs stehe auf dem Spiel, warnt IV-Präsident Georg Knill. "Tritt der Extremfall einer Drosselung oder Aussetzung der russischen Gaslieferungen ein, haben wir eine Energiekrise, in derzeit noch nicht vorstellbarem Ausmaß", so Knill. Es ziehe gerade "ein gewaltiger Sturm auf" und wir befinden uns "auf offener See ohne Kapitän". "Zahlreichen Betrieben steht das Wasser bis zum Hals. Wir brauchen jetzt einen echten Kapitän, der das Ruder rasch übernimmt und uns sicher durch diesen rauen Sturm führt."

Abstufungen des Notfallplans Gasversorgung

Frühwarnstufe – Stufe 1:

Sie wird ausgerufen, wenn es konkrete und zuverlässige Hinweise gibt, dass es zu einer Verschlechterung der Gasversorgung kommen kann. Sie umfasst vor allem eine noch detailliertere und engmaschigere Überwachung des Gasmarktes in Abstimmung mit den Marktteilnehmern (beispielsweise Speicherbetreibern und Großverbrauchern) an die E-Control und die Bundesregierung. Energielenkende Maßnahmen sind nicht Teil der Stufe 1.

Alarmstufe – Stufe 2:

Sie wird ausgerufen, wenn sich die Gasversorgungslage tatsächlich verschlechtert. Der aktuelle Gasbedarf von Industrie wird abgefragt, und durch engere Abstimmung mit den Speicherbetreibern sollen Engpässe vermieden werden. Die Industrie wird auch aufgefordert, nach Möglichkeit Alternativen zu Erdgas zu nutzen. Energielenkende Maßnahmen sind nicht Teil der Stufe 2.

Notfallstufe – Stufe 3:

Die Notfallstufe tritt ein, wenn kein Gas mehr geliefert wird und die aktuelle Nachfrage nicht mehr gedeckt werden kann. Sie umfasst Maßnahmen für die Industrie wie die Substitution von Erdgas durch andere Energien. Auch Energielenkungsmaßnahmen sind hier möglich. Immer mit dem Ziel, dass die Gasversorgung von Haushalten und kleinen Betrieben gewährleistet bleibt.

Sollte es zu einem Totalausfall der Gaslieferungen aus Russland kommen, können Stufen des Notfallplans auch übersprungen werden.