Brennpunkt

Generation Z(ukunft)

Berufsausbildung
12.10.2022

Lehrlinge zu finden, ist das eine – sie zu halten, das andere. Welche Parameter sind für die junge Generation wichtig, um sich für das Tischlerhandwerk zu entscheiden? Und was braucht es, um sie langfristig im Unternehmen zu halten?

Flexible Arbeitszeiten, mehr Lohn, besseres Image: Die Diskussion um die Bedürfnisse der Arbeitskräfte der Zukunft ist aufgrund des Fachkräftemangels brisanter denn je. Gerade was die Generation Z betrifft – also all jene junge Menschen, die zwischen 1995 und 2010 geboren sind – geht der Tenor oft in Richtung: "Die junge Generation will weniger arbeiten, ist weniger engagiert und will gleichzeitig gutes Geld verdienen." Aber stimmt das wirklich so? Standesvertretern als auch junge Tischlerinnen und Tischler verraten, was für sie wirklich wichtig ist, was sie brauchen, damit sie sich im Lehrbetrieb wohl fühlen und entwickeln können – und damit sie auch langfristig dort bleiben wollen.

Vertrauen fördern

LLW Klaus Fruhmann
"Für die junge Generation ist Kommunikation ein wichtiger Punkt – manchmal fehlt im Betrieb einfach ein Ansprechpartner, der ein vertrauensvolles Verhältnis zu den Lehrlingen aufbaut." Klaus Fruhmann, LLW Steiermark

Einer, der viel mit jungen Menschen im Austausch ist, ist der steirische Landeslehrlingswart Klaus Fruhmann. Bei seinen regelmäßigen Besuchen in der Berufsschule nimmt er sich Zeit, um vor allem eines zu tun: Zuhören. Dabei ist es ihm besonders wichtig, mit den Lehrlingen auf Augenhöhe zu kommunizieren und glaubhaft zu sein. "Wenn ich in den Schulen unterwegs bin, setze ich mich üblicherweise direkt zu den Schüler*innen in die Bankreihe und bleibe nicht vorne stehen – sofern es die Abstandsregeln gerade erlauben", erzählt er. "Dadurch entsteht ein weitaus offenerer Austausch, denn auf Augenhöhe redet es sich schließlich leichter", und genau das ist laut Fruhmann für junge Menschen wesentlich. "Für die junge Generation ist Kommunikation ein wichtiger Punkt – manchmal fehlt im Betrieb einfach ein Ansprechpartner oder eine Ansprechpartnerin, der oder die ein vertrauensvolles Verhältnis zu den Lehrlingen aufbaut." Zeitmangel und der fehlende Blick seien dabei oft genau die Punkte, die dazu führten, dass sich junge Menschen alleine gelassen fühlen. "Wenn ich Lehrlinge fördere und fordere und ihnen ein sicheres Umfeld biete, trauen sie sich auch, sich zu zeigen und ihre Meinung zu äußern, so der Landeslehrlingswart. Und: Die junge Generation will arbeiten, allerdings ist es wichtig, dass ein Sinn dahinter steht und nicht dauerhaft eintönige Arbeitsaufgaben am Programm stehen.

Neue Perspektiven

Ältere Mitarbeiterin
Mitarbeiter bleiben dann lange im Betrieb, wenn sie autonom und flexibel arbeiten können.

"Wir machen uns den Facharbeiter*innenmangel oft selbst. Wenn wir in den Betrieben die jungen Menschen unterstützen, zeigen, dass wir da sind, ein spannendes und abwechslungsreiches Aufgabengebiet schaffen und Zukunftsperspektiven bieten, können wir sie auch länger im Betrieb halten", ist Fruhmann überzeugt. Freilich ist klar, dass in einigen Betrieben oft wenig Raum bleibt für viele unterschiedliche Betätigungsfelder. Hier könnte sich Fruhmann für die Zukunft eine Art Job-Rotation vorstellen: "Was, wenn sich einige Tischlereibetriebe zusammentun, um dem Berufsnachwuchs im Rahmen kleiner Schnupperausflüge neue Aufgabengebiete und Erfahrungen zu ermöglichen? Diese Art von direktem und praxisnahem Austausch könnte dazu führen, dass die Mitarbeiter*innen nicht in andere Branchen wechseln." Denn genau das ist ein wesentlicher Punkt: Viele Facharbeiter*innen wechseln in die Industrie oder wählen einen ganz anderen Arbeitsbereich. Und hier sei nicht nur der Verdienst ein Thema. "Natürlich ist das Argument oft, dass der Tischlerberuf im Vergleich zu anderen Handwerksberufen zu schlecht bezahlt sei", so Fruhmann. "Aber das alleine ist es nicht: Wenn ich als Betrieb ein Umfeld biete, das hält, stützt und Entwicklung möglich macht, wiegt das vieles auf." Ein Lehrling oder eine Fachkraft, der/die autonom arbeiten kann und darf, sich etwas zutraut und sich Herausforderungen stellen kann, entwickelt nämlich auch Ideen, die für den Betrieb sehr fruchtbar sein können. Genau dafür brauche es ein hohes Maß an Kommunikation von Seiten der Chefinnen und Chefs oder der Vorarbeiter*innen. "Die Bedürfnisse der jungen Menschen verändern sich – und das muss den Betrieben bewusst sein. Wenn sie das berücksichtigen, birgt das enormes Potenzial."

Abwechslungsreich und naturverbunden

Johanna Klaunzer
Tischlerin Johanna Klaunzer mit ihrem Gesellenstück: "Ich liebe es, Möbel zu kreieren, handwerklich zu arbeiten und am Schluss zu sehen, was man geschaffen hat."

Manchmal weiß man als junger Mensch noch nicht so genau, wohin der berufliche Weg führen soll. Genau so ging es auch der jungen Tirolerin Johanna Klaunzer. Als 15-Jährige startete sie mit der Tourismusschule und arbeitete nach der Matura einige Zeit in der Branche, bevor ihr klar wurde, dass es sie eigentlich woanders hinzieht. Mit 20 startete sie schließlich eine Tischlerlehre – und bereut den Schritt keine Sekunde lang. "Mit Holz zu arbeiten hat mich immer interessiert, mit 16 habe ich mich einfach noch nicht drübergetraut", erzählt sie. Nicht zuletzt, weil die Rolle als Frau in einer tendenziell männerdominierten Branche keine einfache sei. Aber nach dem ersten Schnuppern im Lienzer Traditionsbetrieb von Gabriel Forcher war ihr klar: Genau da will sie hin. "Ich liebe es, Möbel zu kreieren, handwerklich zu arbeiten und am Schluss zu sehen, was man geschaffen hat." Abwechslungsreich und naturverbunden, so beschreibt sie ihren Beruf. Und es gefällt ihr, dass sie in dem 90 Frau- und Mann-starken Betrieb bereits Vieles gesehen hat: "Schon in der Lehrzeit habe ich viele unterschiedliche Bereiche kennen lernen dürfen und habe dort gelernt, selbständig zu arbeiten."  Mittlerweile hat die 25-Jährige ihre Gesellenprüfung abgeschlossen und ist genau dort gelandet, wo sie hinwollte: "Ich bin in der Abteilung für Sonderanfertigungen und entwickle für und mit den Kunde*innen individuelle Lösungen." Allerdings sieht sie schon auch ganz klar Herausforderungen, die der Beruf generell für junge Menschen mit sich bringt: "Der Lohn ist definitiv ein Thema – im Vergleich zu anderen Handwerksberufen sind Tischler*innen einfach weniger gut bezahlt. Wenn sich das in Zukunft ändert, werden sich vielleicht mehr Jugendliche für den Beruf entscheiden." Auch flexible Arbeitszeiten sind aus ihrer Sicht ein wichtiger Punkt: "Die Vereinbarkeit von Beruf und Freizeit wird für unsere Generation immer wesentlicher." Die Mentalität habe sich hier deutlich verändert: "Ich könnte mir schon vorstellen, irgendwann auch weniger zu arbeiten und dafür auf einen Teil meines Lohns zu verzichten – für die Generationen vor uns war das wohl eher nicht vorstellbar." Für Klaunzer ist klar, dass sie im Betrieb bleiben will und wird: "Der Zusammenhalt im Team und die abwechslungsreichen und interessanten Arbeitsbereiche sind für mich unbezahlbar."

Verantwortung übernehmen

Wenn es um Motivation und Elan geht, ist die Förderung von Autonomie besonders wichtig. "Wenn mir etwas zugetraut wird und ich das Gefühl habe, Verantwortung zu haben, bin ich auch motiviert, etwas zu schaffen", erzählt Lukas Zingl. Der 17-Jährige ist derzeit im dritten Lehrjahr und berichtet, warum er sich in der Pinggauer Tischlerei Oswald so wohl fühlt: "Mein Chef fördert mich sehr und wir haben ein enorm gutes Miteinander im Betrieb." Mittlerweile ist er sowohl in der Arbeitsvorbereitung als auch in der Montage unterwegs und schätzt die Abwechslung. "Am Anfang kann man als Lehrling natürlich noch nicht so viel machen, aber mit den wachsenden Aufgaben wird es immer spannender." Optimal ist für ihn auch die Vier-Tage-Woche im Betrieb, "dadurch habe ich deutlich mehr Freizeit – viele meiner gleichaltrigen Tischlerkolleg*innen beneiden mich darum", sagt Zingl. Flexibilität ist also wichtig, und auf die Frage, welche Rolle Geld spiele, meint er: "Natürlich ist das für unsere Generation ein Thema. Aber ich bin davon überzeugt, dass man immer zurechtkommt, wenn man sich engagiert, fleißig ist und vor allem, wenn man im Betrieb zeigen darf, was man alles kann."

Wenn mir etwas zugetraut wird und ich das Gefühl habe, Verantwortung zu haben, bin ich auch motiviert, etwas zu schaffen.

Lukas Zingl, Tischlerlehrling

Autonom und flexibel

Tischler Samuel Karl
"Ab einem gewissen Zeitpunkt ist es aus meiner Sicht wesentlich, Autonomie mehr zu fördern und Handlungsspielräume zu erweitern", so Tischler Samuel Karl.

Auch für Samuel Karl sind Vielseitigkeit, Autonomie und Flexibilität wesentlich. Und genau das hat er sich übrigens nach seiner Ausbildung im Rahmen der HTL für Möbelbau und Innenraumgestaltung auch selbst geschaffen: Der 29-Jährige fertigt in seiner eigenen Werkstatt aus alten Musikinstrumenten Designobjekte und Möbel mit ganz individuellem Charakter. Die Liebe zum Werkstoff war für ihn eine große Motivation, zusätzlich zum handwerklichen Können war für ihn aber auch das Planen ein wichtiger Punkt. "Ich wollte selber planen und umsetzen – deshalb war die HTL für mich optimal", erzählt er. Die Flexibilität in seiner Arbeitsgestaltung ist durch seine Selbständigkeit ohnehin gegeben – er ist aber auch davon überzeugt, dass das ein wesentlicher Punkt für junge Menschen ist, die in Betrieben ihr Wissen aufbauen: "Natürlich muss man erstmal lernen und kann nicht sofort alles selber umsetzen – aber ab einem gewissen Zeitpunkt ist es aus meiner Sicht wesentlich, Autonomie mehr zu fördern und Handlungsspielräume zu erweitern", so Karl. Damit steige nicht nur die Motivation, sondern auch das Verantwortungsbewusstsein – beides wesentliche Punkte, die letztlich auch dem Betrieb zu Gute kommen. Auch mehr Flexibilität und die Anpassung des Berufs an veränderte Lebensumstände seien wichtig. "Junge Menschen sind entgegen der oft gängigen Meinung nicht weniger motiviert", so der Jungunternehmer. "Sie wollen viel arbeiten und sich auch engagieren – wenn die Rahmenbedingungen stimmen."

Blick in die Zukunft

Wenn man sich verwirklichen kann, das Umfeld stimmt, Vielseitigkeit gegeben ist und sich junge Menschen gesehen und gehört fühlen, werden sie nicht nur viel wahrscheinlicher einen Handwerksberuf ergreifen, sondern auch dabei bleiben. Und genau das ist es, was nicht nur die Generation Z, sondern auch die Zukunft der Tischlereibetriebe braucht.

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Tischlerei