Interview

Geschäfte werden von und zwischen Menschen gemacht

Großhandel
31.05.2022

Frauenthal-Manager Dragan Skrebic erklärt im Interview, warum sein Titelzitat gerade für den Großhandel so bedeutend ist.
Dragan Skrebic

Herr Skrebic, bevor wir über Branchenherausforderungen und Strategien sprechen, kurz zu Ihrer Person: Sie sind ein Vertriebsprofi mit jahrzehntelanger Erfahrung im Elektrobereich. Warum sind Sie 2019 zu Frauenthal gewechselt? 

Bevor ich bei Frauenthal eingestiegen bin, war ich 25 Jahre in der Elektrobranche aktiv. Vom Außendienst bis in die Geschäftsführung habe ich aus verschiedenen Funktionen heraus die gesamte Wertschöpfungskette der Branche intensiv kennengelernt. In dieser Zeit konnte ich für mich erkennen, dass ich mir stets dann, wenn ich Gefahr gelaufen wäre, in einer Komfortzone zu verharren, neue Aufgaben gesucht habe. Nach 25 Jahren ist daher der Wunsch immer größer geworden, etwas völlig Neues zu machen. 

Ihr Aufstieg innerhalb von Frauenthal war dann recht dynamisch. Gibt es einen Königsweg für einen derartigen Karriereverlauf?

Ich denke, dass es kein Patentrezept für "Karriere" gibt. Denn es existieren auch keine zwei Menschen, die gleich sind. Dennoch teilen erfolgreiche Menschen meiner Ansicht nach sehr wohl ein paar Gemeinsamkeiten. Beispielsweise eine ausgeprägte Proaktivität sowie die Resultat- und Ergebnisorientiertheit. Ich habe zudem ein klares Verständnis, wie wichtig und was im Kern Kundenorientierung ist und welche verstärkende Bedeutung Leidenschaft hat. 

Einer Ihrer wohl deutlichsten Fußspuren, die Sie bisher für Frauenthal setzen konnten, ist zweifelsfrei die Erweiterung des Haustechnikgroßhandels um den Elektrobereich. Wie ist es dazu gekommen? 

Es war dazu nicht allzu viel Überzeugungsarbeit notwendig. Denn der Wunsch, in den Elektrobereich einzusteigen, war sowohl im Frauenthal-Management als auch beim Gesellschafter Hannes Winkler sehr ausgeprägt. Er ist durch meinen Einstieg ins Unternehmen wohl lediglich sehr präsent geworden. Jedenfalls stand bereits Ende 2019 die Entscheidung pro Elektro fest. Dann ging es gleich Schlag auf Schlag. Anfang 2020 wurde ein kleines Team auf die Beine gestellt, mit dem wir innerhalb von nur neun Monaten einen funktionierenden Elektrogroßhandel aus dem Boden stampfen konnten. Keine Kleinigkeit, wenn man bedenkt, dass dafür zahlreiche Lieferantenverhandlungen zu führen sind, Sortimente definiert werden müssen, das Lager und Artikelstämme einzurichten sind sowie ein Pricingsystem aufgesetzt und Vertriebsunterlagen erstellt werden müssen. Aus meiner Sicht ist dies in absoluter Rekordzeit passiert. Im Oktober 2020 haben wir den ersten Euro Elektroumsatz gemacht. Heute – eineinhalb Jahre später – reden wir von Monatsumsätzen jenseits von drei Millionen Euro. Aktuell haben wir mehr als 10.000 Elektroartikel auf Lager. Außerdem wachsen die Gewerke Elektro und Haustechnik immer mehr zusammen. Der Ansatz, dass ein technischer Großhandel beide Bereiche abdeckt, liegt somit nahe. 

Dragan Skrebic

Wie viele Haustechnik-Gewerbebetriebe gibt es mit Doppelkonzession – inklusive Elektro? 

Reine Doppelkonzessionäre gibt es laut WKO in Österreich circa 600. Die Zahl der Installationsbetriebe, in denen auch Elektriker*innen beschäftigt sind, ist jedoch deutlich höher. Meine persönliche Schätzung ist, dass zumindest ein Viertel der Haustechniker einen regelmäßigen Elektrobedarf hat. 

Themenwechsel: Eine recht neue Entwicklung ist die offensive Forcierung Ihrer Eigenmarken wie etwa "Alva", auch bei Endkonsument*innen. Bedingen die aktuellen Marktmechanismen aus Ihrer Sicht eine Nachjustierung der Zusammenarbeit in unserer Branche?

Vorweg: Wir verstehen Alva definitiv als Marke des Handwerkers und agieren damit ausschließlich dreistufig. Begonnen haben wir damit, Alva auch B2C zu positionieren, um einen gewissen Pull-Effekt zu erzielen. Denn es gibt Produktgruppen, die in der Dreistufigkeit etwas erodieren, und da ist unser Ansatz mit unserer Marke im Sinne des Installateurs sicherlich ein gutes Gegenkonzept. Was die Industrie betrifft: Ich denke, dass wir es gut schaffen, eine Symbiose mit unseren namhaften Industriepartnern herzustellen, weil wir stets danach trachten, auch in der Alva-Welt mit unseren Stammlieferanten zu kooperieren. Außerdem bekommen Hersteller durch unsere Marke weitere Tasten auf ihrer Klaviatur dazu – nicht nur, was die Stückzahlen betrifft, sondern auch in der Produktpositionierung und Preisgestaltung. 

Aus Industrie und Handel sind immer wieder Klagen zu hören, dass deutlich mehr verkauft werden könnte, als Montagekapazitäten zur Verfügung stünden. Wurde Ihr "Bad & Energie Service"-Montageangebot also aus dieser Not heraus entwickelt, um diese Engpässe am Markt zu reduzieren?

"Bad & Energie Service" agiert ausschließlich und immer im Namen jenes Installationsbetriebs, das ihn beauftragt hat. Von Endkonsument*innen nehmen wir keine Aufträge an. Warum wir diesen Service anbieten? Natürlich liegt es am Fachkräftemangel. Wir wollen die Installationsbetriebe bei der Deckung ihrer Spitzen unterstützen. Zum anderen, wenn man davon ausgeht, dass 80 Prozent aller Installationsbetriebe unter zehn Mitarbeiter*innen haben, wird offensichtlich, dass in dieser Größe nicht alle Haustechnikbereiche abgedeckt werden können. Beispielsweise hat nicht jeder Betrieb Kältetechniker*innen. Auch Photovoltaikanlagen können natürlich nur dann montiert werden, wenn entsprechende Skills verfügbar sind. Und dafür bieten wir nun eben helfende Hände an. 

Welche Arbeiten werden von Ihrem Serviceteam übernommen? Wie viele Personen stehen dafür derzeit österreichweit bereit?

Strategisch haben wir bei diesem Service zwei Stoßrichtungen. Das eine sind sogenannte Komplettierungsarbeiten. Das geht vom Aufmaßnehmen bis zur Badmöbel- und Duschtrennwandmontage. Das zweite Standbein ist die "Technik", also etwa Klimaanlagen- und Wärmepumpen-Inbetriebnahme. Bei Photovoltaikanlagen bieten wir zusätzlich auch die Montage an. Wir versuchen in diesen Feldern unsere Kapazitäten zu erweitern, um vom Neusiedler See bis zum Bodensee entsprechend flächendeckend anbieten zu können. Derzeit besteht dieses Team aus etwas mehr als 20 Mitarbeiter*innen – und wird natürlich laufend erweitert. Sollten wir hierbei an unsere Leistungskapazitäten stoßen, können wir zusätzlich auch noch auf Manpower einiger Partnerunternehmen zurückgreifen.

Dragan Skrebic

Wenn man in unserer Branche nach den Unterscheidungs- beziehungsweise Alleinstellungsmerkmalen der einzelnen Großhändler fragt, werden Frauenthal immer wieder das große technische Know-how und die Expertise in der Digitalisierung zugeschrieben. Was macht Ihre Gruppe Ihrer Meinung nach in diesem Bereich besser?

Ich denke, dass wir eben ein sehr innovatives Unternehmen sind. Aber der eigentliche Punkt ist wohl, dass wir uns nicht nur als bloßen Großhändler sehen, der Paletten schiebt, sondern immer mehr zum Großdienstleister entwickeln. Während Unternehmen in der Regel physische Produkte produzieren, sind unsere Produkte eben konkrete Lösungen. Dies haben wir in unserem Strategieprozess definiert und wird nun schrittweise in unserer Unternehmens-DNA verankert und gelebt werden. Der Grundansatz dazu lautet: unsere Kunden noch erfolgreicher zu machen. Denn es ist meine tiefste Überzeugung, dass wir als Großhändler dazu einen wertvollen Beitrag leisten können. Denn – ganz ehrlich: Über die Ware können wir uns vom Wettbewerb kaum noch differenzieren. Aber wir können sehr wohl über unsere Dienstleistungen und Serviceleistungen punkten. Das sind unsere eigentlichen Produkte. Die Konzepte und Lösungen, die sich innerhalb der von uns definierten vier Quadranten "Digital", "Logistik", "Service" und "Marketing" finden, erweitern sich laufend. Stets mit dem Ziel, damit einen Beitrag zu leisten, unsere Kunden noch erfolgreicher zu machen. Es ist ein sehr dynamischer Prozess und passt sich der jeweiligen Marktsituation an. 

Und wie soll das konkret gelingen? 

Innerhalb unserer vier sogenannten Quadranten haben wir mittlerweile 23 "Problemlöser" entworfen. Ich betrachte dies wie einen Blumenstrauß. Denn kein Kunde wird wohl all diese Lösungen benötigen. Aber ich bin überzeugt davon, dass für jeden Kunden die eine oder andere Blume aus dem Strauß nützlich sein wird und einen Beitrag dazu leistet, dass der Kunde erfolgreicher wird. Das Konzept "Alles Lösung" baut auf diesen vier Quadranten auf. Mein Ziel ist es, dass all unsere Mitarbeiter*innen diesen Lösungsansatz in ihr Geschäftsverständnis aufnehmen. Denn der Preis einer Ware wird zwar immer wichtig bleiben, aber in der Gesamtbetrachtung des Kunden wird die Qualität unserer Partnerschaft derart eben nicht nur auf den Rechnungspreis reduziert sein.

Ein konkretes Beispiel dafür?

Es gibt beispielsweise bei Handwerker*innen ein ausgeprägtes Grundbedürfnis. Und zwar so spät wie möglich bestellen zu können, und so früh wie möglich die Ware zu erhalten. Unser Blumenstrauß bietet dafür ab Juni Bestellannahmezeiten bis 18.30 Uhr. Und diese Bestellungen werden dann von Montag bis Freitag vom Neusiedler See bis zum Bodensee allerspätestens am Folgewerktag ausgeliefert. Im Großraum von Oberösterreich bieten wir ab Juni unser Bestellservice derzeit als Pilotprojekt sogar am Samstag bis Mittag – für Lieferung am Montag – an. Es ist eines der Beispiele, dass wir uns als Teil des Kundenprozesses verstehen. Denn wir helfen damit, unseren Kunden ihre Prozesse zu optimieren und Kosten zu senken. Am Ende des Tages zahlen all unsere derartigen Lösungen jedenfalls auf den Satz "Wir machen unsere Kunden noch erfolgreicher" ein.

Themenwechsel: Wie sieht es mit der Frauenthal-Expo strategisch aus? Bleibt es eine lupenreine Fachmesse?

Vom 14. bis 16. September wird unsere Expo in Wien zu einer Leistungsschau der Frauenthal und seiner Partner und gleichzeitig ein wertvoller Hotspot zum Wissenstransfer für unsere Branche sein. Das Tolle daran ist aus meiner Sicht, dass sie sich evolutionär weiterentwickelt, indem die Expo zu einer gesamtheitlichen Haustechnikmesse inklusive Elektro wird. Mehr als 20 Hersteller aus dem Elektrobereich werden ihre Produkte und Lösungen präsentieren. Damit sind wir die einzige Messe in Österreich, die dies bieten kann. Wir sind übrigens längst komplett ausgebucht, sodass wir allfällige zusätzliche Aussteller gar nicht mehr bedienen könnten. Die Expo bleibt jedenfalls eine B2B-Messe. Wir wollen die Entscheidungsträger*innen unserer Branche zusammenbringen und das bewährte Konzept nicht verwässern. Es ist eine Plattform für den Wissenstransfer, eine Plattform für Trends und Neuheiten und eine Plattform, um Netzwerke zu intensivieren und auszubauen. 

Letzte Frage: Stichworte Covid, Rohstoffmangel, Ukraine-Krieg und Co: Wie sieht es mit der aktuellen Warenverfügbarkeit aus? Wie wirken sich rare Waren auf die Preisstabilität aus? 

Wir begegnen dem Lieferproblem seitens der produzierenden Industrie, indem wir unsere Lagerstände massiv ausbauen und dafür teilweise sogar externe Lager anmieten. Damit wollen wir die Versorgungssicherheit für unsere Kunden so gut wie möglich gewährleisten. Was die Preisstabilität betrifft: Ich bin mittlerweile 28 Jahre im technischen Großhandel aktiv, aber so eine Phase habe ich dennoch noch nie erlebt. In diesem Zusammenhang haben wir leider alle kein Patentrezept parat. Mitunter bekommen wir seitens der produzierenden Industrie – vor allem, wenn es sich um Waren mit besonders energieintensiver Produktion handelt – nur noch Tagespreise. Darunter leidet die gesamte Wertschöpfungskette. Derzeit kann niemand eine langfristige Preisgarantie geben. Ich empfehle unseren Installateur*innen daher, ihre Kund*innen über die aktuelle Situation umfassend zu informieren und darauf hinzuweisen, dass die Preise bis zur Rechnungslegung noch abweichen können. Eine Preisgarantie könne lediglich dann gewährleistet werden, wenn die Kundschaft – damit meine ich auch die Endkonsumenten – bereit sei, die benötigte Ware vorzufinanzieren, die dann umgehend gekauft und geliefert wird.

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