Gewerbe und Handwerk

Höhere Einbußen als in der Finanzkrise

Gewerbe und Handwerk
08.04.2021

Das Jahr 2020 hat dem Bereich Gewerbe und Handwerk eine historische Krise beschert, auch wenn das Umsatzminus von 7,3 Prozent weniger hoch als befürchtet ausfiel. Um die „Konjunktur-Lokomotive Gewerbe und Handwerk“ wieder auf Schiene zu bekommen, fordert die WKÖ ein 5-Punkte-Programm ein.
Bauarbeiter schneidet Holzteile zu.
Gewerbe und Handwerk: Die Umsatzeinbußen 2020 waren dramatischer als in der Finanzkrise 2009.

„Corona, Corona, Corona“, mit diesen Worten eröffnete Renate Scheichelbauer-Schuster, Obfrau der Bundessparte Gewerbe und Handwerk in der Wirtschaftskammer Österreich, die Pressekonferenz nach dem 1. Quartal 2021. Österreichs größte Arbeitgebersparte wurde durch die Corona-Pandemie um Jahre zurückgeworfen, auch wenn das nominelle Umsatzminus 2020 die prognostizierten 10,5 Prozent bzw. das erwartete 11-Milliarden-Minus unterschritten hat. Mit einem Umsatz von 98,2 Milliarden Euro beträgt das tatsächliche Minus 7,7 Mrd. Euro, somit nominell 7,3 Prozent gegenüber dem Allzeithoch des Jahres 2019. Anders ausgedrückt: Der Umsatz 2020 liegt nur knapp über dem Niveau des Jahres 2017 mit 96,5 Mrd. Euro.

Auch wenn es nicht ganz so schlimm kam wie erwartet, sind die Einbußen trotzdem wesentlich dramatischer als in der Finanzkrise 2009. „Alle unsere Branchen verzeichneten 2020 ein Umsatzminus“, erklärt Renate Scheichelbauer-Schuster, die von einer historischen Krise spricht. Untermauert wird das von Christina Enichlmair von der KMU Forschung Austria: „Seit 1981 werden von uns die Konjunktur-Daten erhoben, noch nie war das Ergebnis so schlecht.“

Große Branchen-Unterschiede

Mehr als die Hälfte der Betriebe (54 Prozent) haben für 2020 einen Umsatzrückgang gemeldet, wobei das Minus im Durchschnitt 18,5 Prozent betrug. Bei 23 Prozent der Betriebe blieb der Umsatz auf Vorjahresniveau, ebenfalls 23 Prozent meldeten Umsatzsteigerungen. Damit zeigen sich die großen Unterschiede innerhalb des Gewerbe und Handwerks. Denn während die konsumnahen Branchen hohe Rückgänge hinnehmen mussten, ist das Bau- und Baunebengewerbe im Vergleich dazu mit einem blauen Auge davon gekommen.

Im Gegensatz zu den Berufsfotografen (-37,3%), der Mode und Bekleidungstechnik (-34,1%), dem Kunsthandwerk (-23,6%) und den Friseuren (-21,7%), gab es bei den investitionsgüternahen Branchen wie Hafner, Platten- und Fliesenleger und Keramiker (-0,2%), Dachdecker, Glaser und Spengler sowie Holzbau (jeweils -1,7%) und Baugewerbe (-2,2%) geringere Rückgänge.

Wenig exportierende Betriebe

Auch bei den Exporten zeigen sich die Auswirkungen der Coronakrise und die branchenspezifischen Unterschiede. 2020 entfielen nur 5 Prozent des Gesamtumsatzes auf Exporte, während es 2019 noch 7,3 Prozent waren. In absoluten Zahlen betrugen 2020 die exportierten Waren und Leistungen rund 4,9 Mrd. Euro, das sind um rund 2,8 Mrd. Euro weniger als im Vorjahr, wobei die Exportleistung auf relativ wenige Betriebe zurückzuführen ist. Insgesamt konnten nämlich nur 11 Prozent der Betriebe Export-Umsätze generieren. Die höchsten Exportquoten gab es in den Bereichen Kunststoffverarbeitung (34,9%), Mechatronik (21,3%) und der Metalltechnik (15,6%).

Höher als erwartet lag der Wert der Investitionen. Im Juni 2020 gaben lediglich 23 Prozent der Betriebe an, dass sie investieren wollen, defacto waren es aber doch 45 Prozent die für den Betrieb zusätzliches Geld einsetzten. Für Renate Scheichelbauer-Schuster ein positiver Aspekt angesichts der schwierigen Rahmenbedingungen: „Das zeigt, dass die Betriebe das Vertrauen in die Zukunft und ihre Geschäftsmodelle nicht verloren haben“.

Im Durchschnitt betrug das Investitionsvolumen rund 3.800 Euro pro Beschäftigen, was damit um 31 Prozent unter dem Vorjahr (5.500 Euro) liegt. Beim Großteil der Investitionen handelt es sich um Ersatzinvestitionen (48%), 34 Prozent waren Erweiterungsinvestitionen und 18 Prozent der Investitionen entfielen auf Rationalisierungen.

Stabile Auslastung

Positive Signale im 1. Quartal gibt es beim Auftragsbestand der investitionsgüternahen Branchen. Im Vergleich zum 1. Quartal 2020 ist der durchschnittliche Auftragsbestand um 9,2 Prozent gestiegen. Vor allem das Baunebengewerbe mit Hafner, Platten- und Fliesenleger, Keramiker, Holzbau, Dachdecker, Glaser und Spengler sowie bei der Kunststoffverarbeitung gibt es Steigerungen. Rückgänge gibt es hingegen im Bauhilfsgewerbe sowie bei den Malern und Tapezierern.

Insgesamt wirkt die Lage aber stabil, denn die Auslastung in Wochen ist ähnlich wie zu Jahresbeginn 2020: 41 Prozent der Betriebe könnten sofort zusätzliche Aufträge ausführen, 39 Prozent in drei Monaten, 14 Prozent in sechs Monaten und 6 Prozent erst in neun Monaten. Es verwundert daher nicht, dass gerade bei den investitionsgütenahen Betrieben der Optimismus steigt, auch wenn laut Christina Enichlmair „die Lage trotzdem von großen Unsicherheiten geprägt ist“.

Fünf wichtige Forderungen

Portraitfoto von Scheichelbauer-Schuster Renate, Obfrau der Sparte Gewerbe und Handwerk

Um die „Konjunktur-Lokomotive Gewerbe und Handwerk“ wieder auf Touren zu bekommen, hat Scheichelbauer-Schuster mehrere Forderungen aufgestellt, besser gesagt ein 5-Punkte-Programm formuliert.

Als ersten Punkt nennt sie die stärkere finanzielle Unterstützung von Betrieben in Wien, Niederösterreich und Burgenland, die durch den derzeitigen Ost-Lockdown zusätzlich zu kämpfen haben. Zweitens braucht es ihrer Meinung nach eine Verlängerung der Kurzarbeit weit über den Sommer hinaus sowie, drittens, stabile Perspektiven für mehr Planungssicherheit. Darüber hinaus fordert sie Veränderungen bei den Investitionsprämien, damit diese praxisgerechter werden. Und als fünften Punkt tritt Scheichelbauer-Schuster dafür ein, dass es beim Erfolgsmodell „KMU digital“ eine Aufstockung von derzeit 5 Mio. Euro pro Jahr auf 15 Mio. Euro pro Jahr gibt. „Der Bedarf und die Nachfrage nach diesen Beratungen ist groß. Das ist ein gutes Zeichen für die technologische Aufgeschlossenheit und Innovationsbereitschaft in unserem Land. Die Betriebe müssen aber darauf vertrauen können, dass eine Förderung zur Digitalisierung da ist, wenn sie eine solche benötigen“, unterstreicht Scheichelbauer-Schuster, die gerade in Innovation und Digitalisierung den rettenden Anker in der Krise sieht.