Lohn- und Sozialdumping

Muchitsch: "Preiskampf findet auf Rücken der Löhne statt"

Lohn- und Sozialdumping
22.06.2022

Von: Redaktion Bauzeitung
Zwei Jahre Pandemie und die Ukraine-Krise verschärfen die Situation am europäischen Arbeitsmarkt. Bau-Holz-Gewerkschaftschef Josef Muchitsch fordert auf EU-Ebene Lösungen gegen Lohn- und Sozialdumping.

Zwei Jahre Pandemie, vier Monate Ukraine-Krieg hinterlassen am europäischen Arbeitsmarkt Spuren. Die Arbeitnehmer*innen spüren nicht nur die Rekordteuerung, sondern auch die steigende Konkurrenz billiger Arbeitskräfte. Die Teuerung von Rohstoffen und Energie sowie Lieferengpässe führen zu Verzögerungen und starken Preisanstiegen. Geringere Gewinne und Umsatzrückgänge bei Unternehmen verschärfen den Wettbewerb. "Dies führt zu einem Preiskampf, der nicht zuletzt auch über die Lohnkosten ausgetragen wird. Es wird auf billigere entsendete Arbeitnehmer*innen zurückgegriffen", betont Josef Muchitsch. Diese Entwicklung nahm der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft Bau-Holz zum Anlass, in Brüssel bei verschiedenen EU-Institutionen die aktuellen Baustellen in Sachen Lohn- und Sozialdumping aufzuzeigen und Lösungen zu fordern.

V. l. Alice Wagner (Arbeiterkammer, Büro Brüssel), Beate Gassner (Österreichischer Gewerkschaftsbund), Josef Muchitsch (Gewerkschaft Bau-Holz) und Susanne Wixforth (Deutscher Gewerkschaftsbund)
V. l. Alice Wagner (Arbeiterkammer, Büro Brüssel), Beate Gassner (Österreichischer Gewerkschaftsbund), Josef Muchitsch (Gewerkschaft Bau-Holz) und Susanne Wixforth (Deutscher Gewerkschaftsbund).

Österreich als Zielland Nummer 1 in Europa

Rund 9,6 Prozent aller Entsendungen entfallen auf Österreich, das damit relativ zur Größe des europäischen Arbeitsmarkts das Top-Zielland in der EU ist. 2019 waren es über 120.000 Arbeitnehmer*innen, die nach Österreich entsendet wurden. Nach zwei Jahren Pandemie ist die Tendenz weiter steigend.

Slowenien ist das führende Entsendeland nach Österreich im Bausektor und Einfallstor für Entsendungen aus dem Westbalkan. 35 Prozent aller Arbeitnehmer*innen, die von Jänner bis April 2022 an die österreichische Bauwirtschaft entsendet wurden, stammen aus slowenischen Unternehmen. Die meisten Verdachtsfälle auf Unterentlohnung gibt es bei slowenischen Entsendeunternehmen (im gleichen Zeitraum Jänner bis April 2022 handelte es sich in 36 Prozent der Verdachtsfälle auf Unterentlohnung um slowenische Unternehmen). Mit der Ukrainekrise nimmt das zu.Hinzu komme die Einschleusung Nicht-EU-Bürger*innen durch die Hintertür. "Slowenien schleust Nicht-EU-Bürger*innen nach Europa. 73 Prozent der entsendeten Arbeitnehmer*innen aus Slowenien kommen aus Drittländern, ohne in Slowenien je eine Tätigkeit verrichtet zu haben. Oftmals handelt es sich um Beschäftigte von Briefkastenfirmen", berichtet Muchitsch. Der größte Anteil dieser Beschäftigten komme aus Bosnien. „Das ist ein Skandal und widerspricht der EU-Entsenderichtlinie. Leider gibt es dagegen derzeit keinerlei Sanktionsmöglichkeiten. Wenn es um die Anliegen der Arbeitnehmer*innen geht, schaut Brüssel weg. Hier müssen wir Bewusstsein schaffen.“

Vorwurf: Staatliche Beihilfe für billigere Beschäftigte

Ein weiteres Problem, das den unfairen Wettbewerb befeuert und auf dem Rücken der Arbeitnehmer*innen ausgetragen wird, ist, dass Slowenien bewusst die Sozialversicherungsbeiträge der Unternehmen bei entsendeten Arbeitnehmer*innen senkt, um diese noch günstiger in Europa „anbieten“ zu können. „Das ist eine unfaire und wettbewerbsverzerrende staatliche Beihilfe für billigere Beschäftigte!“, zeigt sich Muchitsch empört. Eine Beschwerde bei der EU-Wettbewerbsbehörde ist seit 2019 anhängig, aber bis dato gibt keine Entscheidung seitens der Kommission. "Anscheinend will man sich hier nicht entscheiden, um keine Konflikte loszutreten", so Muchitsch.

Anläufe dieses Problem bilateral mit Slowenien zu lösen, habe es gegeben, allerdings ohne Ergebnis, heißt es von Seiten der Gewerkschaft. „Damit werden Sozialversicherungssysteme innerhalb der EU an die Wand gefahren, die ohnehin schon durch zwei Jahre Pandemie belastet sind. Europa darf nicht wegschauen, wenn mittels staatlicher Beihilfen Sozialversicherungs-Dumping stattfindet und Entsendungen damit billiger gemacht werden. Die europäischen Behörden müssen schneller und im Sinne der Menschen entscheiden. So kann der EU-Binnenmarkt nicht funktionieren, wenn einzelne Staaten sich nicht an die Spielregeln halten.“ (sm)

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