Ukraine-Krieg: Damit haben wir jetzt zu rechnen

Austria Email-Vorstand Martin Hagleitner erklärt im Interview, welche möglichen Szenarien jetzt auf uns warten.
Martin Hagleitner

Zu Redaktionsschluss der vorliegenden Ausgabe stand der Krieg in der Ukraine vor einer nächsten Eskalationsstufe. Die damit verbundenen Sanktionen bringen massive Auswirkungen auch auf die heimische Haustechnik mit sich. Wie wirkt sich die aktuelle Situation derzeit beispielsweise auf Austria Email konkret aus?

Die Austria Email hat Lieferanten- und Kundenbeziehungen sowohl zur Ukraine als auch zu Russland. Der Mutterkonzern, Groupe Atlantic, verfügt über jeweils ein Werk in Odessa und in Moskau sowie Vertriebsgesellschaften. Auch wenn der Anteil am gesamten Umsatz überschaubar ist, hat das drastische und tragische Auswirkungen vor allem für die Belegschaft in der Ukraine.

Welche möglichen wirtschaftlichen Szenarien könnten sich nun aus Ihrer Sicht ganz generell mittel- bis langfristig für im Osten aktive Unternehmen ergeben?  

Die langfristigen Auswirkungen betreffen nicht nur im Osten aktive Unternehmen. Sie haben globale und insbesondere Folgen für Unternehmen und Haushalte in Europa. Wir dürfen nicht vergessen: seit dem Ausbruch der Pandemie gestörte Lieferketten, fehlende Kapazitäten, um die hohe Nachfrage zu bedienen, und galoppierende Inflation und Energiepreise waren schon vor dem völkerrechtswidrigen Einmarsch Russlands ungelöst. Das könnte sich  potenziell zu einem zusätzlichen politischen und wirtschaftlichen Brandbeschleuniger entwickeln.

Hoffnung machen hingegen der überraschende und schnelle Schulterschluss des Westens, die in den letzten Jahren nicht vorhandene Entschlossenheit der EU und die Wehrhaftigkeit der Ukraine. Nur ein langer und vielleicht sogar ausufernder Krieg wäre das düsterste Szenario. Entscheidend wird auch sein, wie weit Putin noch den Rückhalt der politischen Elite, der Oligarchen und der Bevölkerung hat.

Die Gaspreise gehen durch die Decke. Welche indirekten Auswirkungen hat das auf die produzierende heimische Industrie, die auf diese Energie angewiesen ist?

Die Auswirkungen auf unsere Fertigungskosten sind nach den ohnedies schon stark gestiegenen Rohstoff- und Materialkosten massiv. Die Industrie kann nicht über Nacht auf Gas verzichten. Hier braucht es realistische Übergangsfristen und auch flankierende Maßnahmen wie beispielsweise schnellere Anlagengenehmigungen, um den Umstieg zu schaffen und überdies auch alternative Versorgungsquellen, um die Abhängigkeit von Russland zu reduzieren.  

Das Fenster zum Vorantreiben alternativer Energiestrategien dürfte gerade weit geöffnet sein. Sich von der russischen Energieabhängigkeit zu entkoppeln, würde wohl derzeit von der heimischen Bevölkerung auch dann mitgetragen werden, wenn es mit signifikanten Preiserhöhungen verbunden wäre. Welcher Energiemix ist Ihrer Ansicht nach in der Lage, Österreich auch ohne russisches Erdgas versorgen zu können?

Es geht nicht nur um den Energiemix und den Anteil der erneuerbaren Energie. Unsere Branche hat auch nur begrenzten Einfluss auf die internationale Energiepolitik; nur sowohl Installateure als auch Hersteller und Handel haben Leistungen und Produkte, um kurzfristig auch die Effizienz von bestehenden Anlagen zu verbessern und den Verbrauch zu senken. Und selbstverständlich können die Verbraucher durch ihre Anpassungen der Gewohnheiten – und das ohne Komfortverlust – Heizungs- und Warmwasserbrauch senken

Angenommen, Sie hätten eine Handlungsempfehlung frei, die die heimische Bundesregierung jetzt verbindlich umzusetzen hätte: Wie würde diese lauten?

Es wäre sinnvoll aufgrund der letzten Entwicklungen, zwar nicht von der Dekarbonisierung des Gebäudebestandes abzuweichen, aber Umsetzungspläne und Timing einem Praxis- oder Reality Check zu unterziehen. Und was uns die Krise auch zeigt: Wir brauchen Verbündete und auch international abgestimmte Energie- und Resilienz-Pläne.  

(ck)

Branchen
Haustechnik