Umfrage

Das Glashandwerk in der Corona-Krise

Glashandwerk
24.03.2021

Nach einem Jahr Pandemie haben wir beim Glashandwerk nachgefragt, welche Auswirkungen die Corona-Krise auf den Arbeitsalltag hat. Wie sehr beeinträchtigt die Pandemie die tägliche Arbeit? Sind Lieferengpässe und Preiserhöhungen bemerkbar? Und: Welche Erwartungen haben österreichische Glaserbetriebe für das laufende Geschäftsjahr?
Wie geht es dem Glashandwerk in der Corona-Krise? Wir haben nachgefragt.
Wie geht es dem Glashandwerk in der Corona-Krise? Wir haben nachgefragt.

Thomas Eigenschink, Glaserei Eigenschink, Gmünd/NÖ:
Nach einer kurzen Schockstarre zu Beginn des ersten Lockdowns hat sich die Lage bei uns relativ rasch stabilisiert und wir sind bis jetzt – nicht zuletzt aufgrund der vermehrten Nachfrage nach Hygieneschutzwänden – gut bis sehr gut über die Runden gekommen. Meiner Meinung nach hat sich die Krise auf unser Gewerk bis jetzt nicht wirklich ausgewirkt. Selbstverständlich haben die Corona-Maßnahmen unsere tägliche Arbeit verändert. Immer wieder lüften, vermehrt Hände waschen und desinfizieren, Masken tragen, Abstand einhalten etc. sind mittlerweile fast zur Routine geworden. Unsere MitarbeiterInnen akzeptieren die Situation und tragen sie mit. Ab und zu gibt es leider Probleme bei Kunden, die nicht akzeptieren wollen oder können, dass momentan einiges anders läuft.
Lieferengpässe und Preiserhöhungen sind deutlich bemerkbar. Gewisse Produkte, z. B. 15 mm Floatglas, war im Spätherbst nicht zu bekommen, wir mussten auf eine Bestellung von November 2020 bis Februar 2021 warten – ich kann mich an eine vergleichbare Situation nicht erinnern. Und mit Anfang März haben die Materialpreise erheblich angezogen. 
,Erwartung für das aktuelle Geschäftsjahr‘ ist meiner Meinung momentan der falsche Begriff. Ich würde ihn durch Hoffnung ersetzten. Ich hoffe, dass wir weiterhin gut durch die Krise kommen und unsere Umsätze stabil halten können, dann wäre ich schon mehr als zufrieden.  

Manfred Göllner, Glas Jandl, Salzburg:
Wir, und auch, was ich von den Kollegen höre, hatten im letzten Jahr genug Arbeit. Die Einschränkungen betrafen uns nicht wirklich, und dadurch, dass viele Menschen zuhause waren, haben viele ihr Eigenheim verschönert und Reparaturen vorgenommen, die bisher aufgeschoben wurden.
Preiserhöhungen wurden bereits vorgenommen, und ich befürchte, dass auch noch weitere im Raum stehen. Wir sind vorsichtig mit Angeboten, die über längere Zeiträume gehalten werden müssen und haben unsere Angebote auf nur drei Monate begrenzt. Von Lieferengpässen haben wir als verarbeitender Betrieb noch nicht wirklich etwas mitbekommen. Das ist entweder nicht so dramatisch, oder unsere Industrie hat sich sehr gut darauf vorbereitet.
Ich sehe zwar sehr positiv in die Zukunft, befürchte aber, dass viele Menschen in Zukunft den Euro drei Mal umdrehen werden, bevor sie ihn ausgeben. Die Hotelbranche investiert und baut, was die Handwerksbranche hergibt. Das wird momentan von den Förderungen mit Rücklagen finanziert, aber wir dürfen uns aus dieser Branche in den nächsten Jahren nichts bzw. nur das Nötigste erwarten.
Prinzipiell hoffe ich, dass wir bald wieder zur ,Normalität‘ zurückkehren, sodass die Menschen wieder Sicherheit verspüren und alles wieder in geregelten, planbaren Bahnen läuft.

Privatinvestitionen sind sehr hoch, da die Möglichkeiten für Urlaube eingeschränkt waren und sind und das verbleibende Geld in Wohnungen oder Umbauten investiert wird.

Leopold Planer

Leopold Planer, Glaserei Leopold Planer, Wien:
Der Zugang unserer Kunden war im letzten Jahr recht unterschiedlich – während die einen aufgrund der Pandemie Termine verschoben haben, wollten anderen die sofortige Durchführung von Arbeiten, da sie wegen dem Homeoffice keinen Urlaubstag für die Handwerker benötigten. Grundsätzlich boomt die Bautätigkeit. Privatinvestitionen sind sehr hoch, da die Möglichkeiten für Urlaube eingeschränkt waren und sind und das verbleibende Geld in Wohnungen oder Umbauten investiert wird.
Die Zulieferindustrie jammert über die Verfügbarkeit von Glas, z. B. hatte ein Großhändler für vier Wochen kein 10 mm Floatglas, eine bestellte Glaslieferung eines anderen Lieferanten hatte sechs Monate Lieferzeit. Die Auslastung unserer eigenen ESG-Produktion in Wien ist sehr gut – meine Kollegen sehen mich nicht als Konkurrent, sondern als Alternative mit kurzen Vorlaufzeiten. Eine Preiserhöhung kommt, sie ist derzeit noch in Ausarbeitung. Grundsätzlich sehe ich die Gesamtentwicklung positiv.

Josef Nestler, Glaserei Nestler, Graz/Stmk.:
Ein Jahr Corona ging schneller vorbei als gedacht. Wir hatten drei Monate Kurzarbeit, danach wieder volle Auslastung, da die Kunden statt Urlaubsplänen lieber in ihre Häuser oder Wohnungen investiert haben. Durch diese Situation hatten wir im April und Mai 2020 mit Lieferanten wegen Terminen arg zu kämpfen. Auch die Preiserhöhungen haben uns zu schaffen gemacht. Aber die Entwicklung für 2021 in den ersten drei Monaten ist sehr gut und wird auch weiterhin anhalten.

Andreas Müller, Glas Müller, Frastanz/Vlbg.:
Im März 2020 war der Lockdown ein großer Schock. Sehr viel Ungewissheit und Unplanbarkeit haben die Arbeit sehr erschwert. Ab Mai wurde dann aber klar, dass der Bausektor weiterläuft. Wir haben uns schnell angepasst und alle nötigen Schutzmaßnahmen eingeführt. So haben wir seither Mitarbeiter im Homeoffice, zwischen den Büroplätzen sind Virenschutz-Verglasungen, und alle Mitarbeiter tragen FFP2-Masken, wenn sie sich frei bewegen und Kollegen in anderen Büros besuchen, oder wenn in der Produktion der Mindestabstand nicht eingehalten werden kann. Auch die Testmoral bei den Mitarbeitern ist sehr gut – viele lassen sich freiwillig einmal pro Woche testen.
Leider spüren auch wir die Lieferkettenunterbrechungen und Planungsschwierigkeiten bei den Zulieferfirmen. Vor allem ist seit Sommer/Herbst 2020 die Qualität des Basisglases stark gesunken. Auch die Lieferzeiten für Basisglas haben sich drastisch erhöht – auf bis zu sechs bis acht Wochen. Das ist eine besondere Herausforderung für unsere Mengenplanung, da unsere Kunden eine Lieferung in ein bis zwei Wochen gewohnt sind.
Derzeit ist die Auftragslage sehr gut. Der Bausektor hat der Krise bisher getrotzt, und wir konnten auch das letzte Jahr sehr zufriedenstellend abschließen. Auch für die nahe Zukunft sehe ich noch keine Rückgänge im Bau. Die Frage wird allerdings sein, wie sich das Konsumverhalten der privaten Personen und der Firmen verändern wird, die in der Krise weniger verdient haben bzw. von der Krise voll getroffen wurden. Vor allem bei den Privaten habe ich derzeit das Gefühl, dass mehr Geld ins Eigenheim fließt, da man es ja nicht im Urlaub ausgeben konnte. Wenn es gelingt, die Wirtschaft schnell wieder hochzufahren, könnte der Bausektor gut durchkommen – ansonsten werden wir, wie auch nach der Finanzkrise, später getroffen.

Die Preiserhöhungen in der Baubranche haben bereits begonnen und sind bestimmt noch nicht zu Ende.

Claudia Marton

Claudia Marton, Glas Marton, Hainfeld/NÖ:
Ich denke, dass anfangs ein Umdenken notwendig war, es war durchaus eine Herausforderung, mit der Pandemie richtig umzugehen und schnell zu reagieren. Tägliche Flexibilität war gefordert. Anfangs hat es sicher Einbußen gegeben und der Aufwand ist massiv gestiegen. Jedoch glaube ich, dass ,living and working at home‘ dem Handwerk eine Chance gegeben hat und die Bevölkerung das Geld hier gut angelegt sieht.
Die Preiserhöhungen in der Baubranche haben bereits begonnen und sind bestimmt noch nicht zu Ende. Lieferverzögerungen gibt es immer wieder in bestimmten Bereichen und das treibt die Preise nach oben.
Das Jahr 2021 hat gut begonnen und der Investitionsdrang im Baubereich wird noch ein wenig anhalten.

Siegfried Seidl, Glaserei Seidl, Steyr/OÖ:
Die Einhaltung der Hygienemaßnahmen hat unseren Arbeitsalltag nicht gerade erleichtert, trotzdem erachten wir diese Maßnahmen als sehr sinnvoll und notwendig.
Im Privatbereich gibt es Umsatzzuwächse. Man merkt, dass dich die Menschen viel zuhause aufhalten und dadurch werden Umbauarbeiten getätigt, die vor der Pandemie nicht gemacht wurden, weil man sie nicht als so wichtig erachtet hat, z. B. den Austausch blinder Isoliergläser, Küchenrückwände, Duschkabinen, Ganzglasschiebetüren, Trennwände und im Firmenbereich in erster Linie Umbauten zur Unterstützung von Hygienemaßnamen.
Im normalen Bereich verzeichnen wir keine Lieferengpässe und Preiserhöhungen.
Für 2021 zeichnet sich eine außergewöhnliche Auftragslage ab. Wir blicken ganz allgemein, nicht nur beruflich, positiv in die Zukunft. Denn, wie Max Frisch sagt: ,Krise ist ein produktiver Zustand. Man muss ihm nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen.‘

Die Eigenheim-Sanierung und Verschönerung ist in dieser Zeit bei Privatkunden sehr gefragt – hier kann der innovative Glasbautechnik-Meisterbetrieb auf alle Fälle profitieren.

Gerald Mutzl

Jörg Jurtschitsch, Glas Jurtschitsch, Graz/Stmk.:
Natürlich ist alles nicht ganz so einfach – Maske tragen, desinfizieren, dann wieder testen usw. Aber Arbeit ist überraschenderweise mehr da, als man schaffen kann. Neue Mitarbeiter zu finden, ist dabei leider fast unmöglich, keiner will mehr ein Handwerk lernen.
Lieferengpässe gibt es, da drei Glashütten in Revision sind. Wir merken Engpässe bei farbigem Glas, alles andere geht noch. Die Preise sind ab 1. März 2021 ordentlich gestiegen, auch bei Arcylglas.
Im Moment haben wir eine richtig gute Auftragslage, nach dem Winter sollte sie noch besser werden. Ich bin zufrieden, ich dachte nicht, dass es in dieser Situation so gut wird. Aber es ist natürlich an der Zeit, dass das Leben insgesamt wieder einigermaßen Normalität bekommt. 

Gerald Mutzl, Glasbau Gerald Mutzl, Wien:
Meiner Meinung nach ist das Baunebengewerbe, im speziellen die Glasbautechnik, relativ gut durch die Corona-Krise gekommen. Im Baugewerbe ist es ja zu keinem Lockdown gekommen, einzig Terminverschiebungen hat es durch diverse Gründe hie und da gegeben. Die tägliche Arbeit mussten wir natürlich an die Hygiene-Richtlinien anpassen. Für manche Mitarbeiter war es etwas mühsam nicht darauf zu vergessen, aber im Großen und Ganzen bereitet es keine Probleme.
Noch haben wir die Auswirkungen von Lieferengpässen nicht zu spüren bekommen. Nachdem bei nahezu jedem Angebot der Glasindustrie auf die Lieferzeit vorbehaltlich der Materialverfügbarkeit hingewiesen wird, denke ich, dass man bei größeren Aufträgen entsprechend längere Fertigstellungszeiten gegenüber dem GU oder Endkunden erwähnen und vertraglich absichern sollte. So ähnlich verhält es sich mit der Preisehöhung für Basisglas. Eine längere Preisbindung als drei Monate gegenüber unseren Kunden würde ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht empfehlen.
Für das Geschäftsjahr 2021 ist meine persönliche Erwartung sehr optimistisch. In Wien und Umgebung stehen sehr viele Großprojekte an, die das Baunebengewerbe brauchen. Auch die Eigenheim-Sanierung und Verschönerung ist in dieser Zeit bei Privatkunden sehr gefragt – hier kann der innovative Glasbautechnik-Meisterbetrieb auf alle Fälle profitieren.

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