Johann Marchner

"Das Rad wieder zum Laufen bringen"

Dachbranche
12.12.2023

Auch den Ziegel- und Dachziegelhersteller Wienerberger hat die Krise am Bau hart getroffen. Wie man darauf reagiert, auf welche Produkte man setzt und wie es in der Dachbranche weitergehen kann, haben wir im Interview mit Wienerberger Österreich Chef Johann Marchner erfahren.
"Ich glaube, dass es ohne Unterstützung ganz schwierig wird, denn die Rahmenbedingungen haben sich nicht geändert", sagt Johann Marchner, Geschäftsführer von Wienerberger Österreich, zur aktuellen Krise am Bau.
"Ich glaube, dass es ohne Unterstützung ganz schwierig wird, denn die Rahmenbedingungen haben sich nicht geändert", sagt Johann Marchner, Geschäftsführer von Wienerberger Österreich, zur aktuellen Krise am Bau.

Der Bau befindet sich in einer Krise. Wie geht es Wienerberger Österreich und besonders dem Dach-Bereich?

Johann Marchner: Die Krise, die wir tagtäglich in den Medien verfolgen, vor allem im Baubereich, hat natürlich auch vor uns nicht Halt gemacht. Wir kämpfen mit deutlich zweistelligen Rückgängen. Und man muss dazu sagen, dass es für uns eine ganz spezielle Situation ist, denn wir sind in einem engen Segment tätig – sowohl im Dachbereich als auch im Hintermauerbereich. Wir haben keine Kompensationsfelder wie viele andere in der Bauindustrie. Das macht die Situation auch im Quervergleich mit anderen Herstellern der Baubranche noch ein Stück weit dramatischer.

"Die Krise am Bau hat die Baustoffhersteller erreicht", schrieb die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" Ende August und berichtete, dass der deutsche Tonziegelhersteller Creaton aus Absatzmangel im Sommer vorübergehend alle Werke schließen musste. Wie hat Wienerberger in Österreich auf die Situation reagiert?

Nach Jahren des Ausverkauft-Seins haben wir grundsätzlich mit hohen Lagerständen zu kämpfen. Aber wir haben versucht, möglichst zeitnah darauf zu reagieren, indem wir rund ein Drittel der Kapazitäten herausgenommen haben, damit haben wir bereits im zweiten Quartal 2023 begonnen. Einen Rückgang hatten wir eingeplant, aber wir haben nicht damit gerechnet, dass es so dramatisch kommt. Mit Anfang Dezember gehen wir nun auch in Werkstillstände, die zumindest bis Ende Jänner wirken. Das ist nichts Außergewöhnliches, aber wir ziehen es ein Stück vor. Hier werden Instandhaltungsarbeiten durchgeführt, Zeitguthaben abgebaut und Urlaubsstände reduziert.
Leider haben wir in Österreich nicht die Möglichkeit der Kurzarbeit, wie sie etwa Creaton in Deutschland anwenden konnte. Das macht natürlich auch die Ertragssituation schlechter. Aber wir glauben immer noch daran, dass der Markt sich wieder beruhigen wird. Das versuchen wir auch für 2024 zu kommunizieren.

Apropos Creaton: Im Dezember letzten Jahres gab die Wienerberger-Gruppe einen Megadeal am europäischen Steildachmarkt bekannt. Man strebte den Erwerb von ausgewählten Kerngeschäften von Terreal an, darunter auch die deutsche Terreal-Tochter Creaton. Die österreichische Bundeswettbewerbsbehörde verlangte eine vertiefte Prüfung, der Deal geriet ins Stocken. Was ist inzwischen passiert? Existieren die Expansionspläne angesichts der aktuellen Wirtschaftslage noch?

Da Terreal bis zur endgültigen Genehmigung durch die Wettbewerbsbehörden sein Geschäft weiterhin völlig eigenständig betreibt, gibt es für Wienerberger derzeit keinen Anlass und keine Notwendigkeit, die aktuelle Veräußerung der Terreal-Aktivitäten in Polen, Ungarn und Österreich an Swisspor zu kommentieren, außer, dass mit diesem Verkauf wesentliche Grundlagen der Vereinbarung für den geplanten Erwerb des Terreal-Kerngeschäfts durch Wienerberger erfüllt werden. (Anmerkung der Redaktion: Die Swisspor Gruppe hat Ende September 2023 die Unterzeichnung eines verbindlichen Kaufangebots der Creaton Polska sp. z o.o, der Creaton South-East Europe Kft. und des Österreich-Geschäfts der Creaton GmbH von der Terreal Gruppe bekanntgegeben.)

Es gibt einen Schulterschluss innerhalb der Branche, aber wir finden noch nicht Gehör in der Politik. Ich glaube, dass die Dramatik der Situation noch nicht weit genug angekommen ist.

Johann Marchner, Geschäftsführer Wienerberger Österreich

Wienerberger Österreich Geschäftsführer Johann Marchner
Wienerberger Österreich Geschäftsführer Johann Marchner

Was wären Lösungsansätze, um der aktuellen Krise am Bau entgegenzuwirken?

Es steht ja ein Wahljahr bevor. Einige Lösungsansätze wurden kommuniziert, nicht nur durch uns, auch durch die Bauinnung beispielsweise. Es gibt einen Schulterschluss innerhalb der Branche, aber wir finden noch nicht Gehör in der Politik. Ich glaube, dass die Dramatik der Situation noch nicht weit genug angekommen ist. In den nächsten Wochen und Monaten wird sich aber meiner Meinung nach zeigen, dass die Arbeitslosenzahlen nach oben gehen. Das große Thema wird, wer aus dem gesamten Baugewerbe seine Mitarbeiter nach dem Winter wieder beschäftigen kann.
Ich glaube, dass es ohne Unterstützung ganz schwierig wird, denn die Rahmenbedingungen haben sich nicht geändert. Hier zahlt das Zinsniveau ein, es zahlt die KIM-Regelung ein. Natürlich gibt es Möglichkeiten gegenzusteuern: Das Thema der temporären Abschaffung der Mehrwertsteuer etwa wurde hinlänglich diskutiert. Meines Erachtens nach wären aber auch Unterstützungen für das Zinsniveau möglich, um es den Häuslbauern, aber auch den gemeinnützigen Bauvereinigungen wieder zu ermöglichen zu bauen. Die Politik hätte entsprechende Instrumente in der Hand. Die Hoffnung ist, auch nicht zuletzt durch das Wahljahr 2024, dass man die Situation ernst nimmt und schnellst möglich Maßnahmen setzt.

Neubau und Sanierung: In welchem Verhältnis lag der Umsatz an Dach-Produkten von Wienerberger in den letzten Jahren? Wie sehen Sie die Entwicklung in den nächsten Jahren?

Heute haben wir ein Verhältnis von etwa 70 Prozent Sanierung zu 30 Prozent Neubau. Das war relativ konstant in den letzten Jahren. Hier wird sich grundsätzlich auch nicht viel ändern, wenngleich der Neubau noch weniger werden wird, gerade im kleinvolumigen Bau. Damit wird die Sanierung auch tendenziell zunehmen. Was wir aber sehen, und das stimmt mich doch optimistisch, ist, dass es Bauträger gibt, die das Thema verdichteter Wohnbau verstärkt angehen – also Doppelhaus und Reihenhaus versus Einfamilienhaus.
Und es gibt auch genug Altsubstanz am österreichischen Markt. Doch hier sind wir wieder beim Punkt: Auch die Sanierung eines Daches ist ein Investitionsprojekt. Und leider passiert der Ersatz der Heizung oder der Fenster schneller, als das Dach angegriffen wird. Doch natürlich, tendenziell wird die Sanierung wichtiger.

Die Konkurrenz an leichten, sanierungsgeeigneten Deckmaterialien ist groß. Mit welchen Argumenten und Produkten geht Wienerberger in den Markt?

Grundsätzlich bleiben wir unserer Produktphilosophie und unserem Marktzugang treu. Wir sind nach wie vor überzeugt, dass ein Tondachziegel seine Marktbedeutung hat. Er punktet bei der Langlebigkeit und damit auch in der Nachhaltigkeit. Das sehen wir auch an vielen historischen Bauten: Ein Dachziegel bewahrt über Generationen hinweg seine Funktion, auch in Farbe und Form. Deshalb wird es auch in Zukunft Potenzial für den Tondachziegel geben.
Gerade im urbanen Raum glaube ich, dass man prinzipiell wieder vermehrt über die Nutzung des Dachgeschosses nachdenken wird. Hier könnten wieder Technikräume, Stauräume etc. untergebracht werden, denn der Keller – mit der teuerste Bereich im Bau – wird an Bedeutung verlieren. Stadtbewohner haben immer weniger Autos, Garagen werden nicht mehr in dieser Größe benötigt werden. Das sind Themen, die man neu denken kann und die das Steildach wieder befeuern können.

In Kooperation mit dem österreichischen Photovoltaik-Modulhersteller Sonnenkraft bietet Wienerberger seit kurzem eine intelligente Aufdach-Photovoltaik-Lösung inklusive Planung und Service. Was sind die Vorteile und wie läuft der Verkauf an?

Mit unserer neuen Photovoltaik-Aufdach-Lösung unterstützen wir den Dachdecker. Wir bieten eine technisch saubere All-in-One-Lösung. Denn an vielen Beispielen sieht man, dass Dächer bei der PV-Montage undicht werden, weil Dachziegel oder auch Betondachsteine ausgefräst und damit zerstört werden und die Universalhaken zur Verankerung für die Photovoltaik genutzt werden.
Bei uns gibt es eine saubere, integrierte Dachstütze, die der Dachdecker dem Endkunden gleich mitanbieten kann. Denn er ist der erste Ansprechpartner, noch vor dem Elektriker. So kann er zusätzlich Wertschöpfung für sich generieren und der Kunde hat eine technische saubere Lösung. Und alles was unter dem Dach ist, bleibt Aufgabe des Elektrikers. Unser Ansatz ist eine gute und nachhaltige Photovoltaik-Lösung. In den Gesprächen mit den Dachdeckern stoßen wir durchwegs auf offene Ohren. Wir bieten Unterstützung von der Planung bis zur Montage, und handwerklich ist der Dachdecker der Experte für eine fachgerechte PV-Montage.

Der Schwerpunkt liegt derzeit im Aufdach-Bereich, denn Österreich ist ein klassisches 'Aufdach-Land'.

Johann Marchner

Welche Weiterentwicklungen im PV-Bereich plant Wienerberger? Wird es in naher Zukunft auch Indach-Lösungen geben?

Es wird Indach-Lösungen geben. Jetzt starten wir mit der Aufdach-Lösung, mit dem Produkt, wo wir den Dachdecker am besten in das Thema einführen können. In weiterer Folge werden wir bieten, was der Kunde sich wünscht – sei es ein PV-Dachziegel, eine Indach-Lösung in unterschiedlichen Modulgrößen oder Aufdach. Wir werden kompetent beraten und alle Systeme zur Verfügung stellen. Der Schwerpunkt liegt aber derzeit im Aufdach-Bereich, denn Österreich ist ein klassisches "Aufdach-Land".

Anfang November hat die Wienerberger AG ihr neues, recht ehrgeiziges Nachhaltigkeitsprogramm 2026 vorgestellt. Was sind die wichtigsten Eckpfeiler?

Im Bereich CO2-Emmissionen werden wir, verglichen mit 2020, um 25 Prozent reduzieren, zudem möchten wir die Nutzung von erneuerbarer Energie in unserer Produktion auf 15 Prozent steigern. Im Bereich Kreislaufwirtschaft wollen wir bis Ende 2026 mehr als 90 Prozent unserer verkauften Produkte recycelbar oder wiederverwendbar machen. Und in der dritten Säule unseres Nachhaltigkeitsprogramms, im Bereich Biodiversität, steigern wir die Biodiversitätsflächen bis 2026 um zehn Prozent. Zudem werden wir bis Ende 2026 in der Wienerberger Gruppe 400 Biodiversitätsbotschafter ausgebildet haben und wir werden 100.000 Bäume pflanzen.

Abschließend ein sprichwörtlicher Blick in die Kristallkugel. Was erwarten Sie vom Jahr 2024 für die Dachbranche?

Meine persönliche Vermutung, nicht zuletzt durch das Wahljahr, ist, dass es Maßnahmen geben wird, um das Rad wieder zum Laufen zu bringen. Denn die aktuelle Situation ist eine noch nie dagewesene: Innerhalb von wenigen Monaten sind wir von einem All Time High in ein All Time Low gekommen. Deshalb glaube ich, dass 2024 besser werden wird als 2023. So gehen wir auch ins Rennen.
Aber dazu wird es Unterstützung brauchen. Und selbst dann werden wir immer noch weit von dem entfernt sein, wo wir einmal waren. Mittelfristig muss daher noch mehr kommen, damit man sich diese Struktur und diese Ressourcen auch weiterhin leisten kann. Deshalb noch eine persönliche Bemerkung zum Thema Preis: Wir bekommen derzeit keinerlei Unterstützung, um diese Ressourcen aufrechtzuhalten – das kostet viel Geld. Das bedeutet, dass es 2024 eine leichte Preiserhöhung geben wird. Wir sind gerne bereit, den Markt nachhaltig zu bedienen, aber dafür brauchen wir auch die Unterstützung des Marktes. Wir sehen uns weiterhin als treuer und ehrlicher Partner für unsere Gewerbekunden und Handelskunden.

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