Ökologisierung im Bau

Ziegel sind ein Teil der Lösung

Ziegel
21.02.2024

Der Klassiker unter den Baustoffen erhält von der EU-Taxonomie Rückenwind. Der in seiner Herstellung energieintensive Ziegel bringt mit Blick auf den Lebenszyklus viele Vorteile in Sachen Nachhaltigkeit, wie Ekkehart Pichler, Geschäftsführer bei Martin Pichler Ziegel im Interview erläutert.
Ekkehart Pichler
Ekkehart Pichler, Geschäftsführer bei Martin Pichler Ziegelwerk in Aschach an der Donau

Bauzeitung: Wie wirkt sich die EU-Taxonomie auf den Einsatz von bestimmten Baumaterialien wie Ziegel aus und ab wann?

Ekkehart Pichler: Die EU-Taxonomie war seit Beginn 2022 für große Finanzinvestoren, Versicherungen usw. gültig, erfährt aber seit Beginn 2024 eine deutliche Ausweitung, beispielsweise auf Planungsunternehmen, Baufirmen, Bauträgern, bis hin zu System- und Produktherstellern im Bereich des nachhaltigen Bauens. Die Unternehmensgrenzen liegen derzeit bei mehr als 250 Beschäftigten, einem Umsatz von mehr als 50 Millionen Euro und einer Bilanzsumme von mehr als 25 Millionen Euro. Es kann angenommen werden, dass im Baubereich diese Grenzen relativ rasch erreicht beziehungsweise überschritten werden.

Die EU-Taxonomie umfasst für Neubauten sechs Teilbereiche, davon müssen 2 Bereiche erfüllt werden, die anderen 4 Bereiche dürfen nicht negativ beeinflusst werden. Derzeit sind die Bereiche Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel wesentlich.

Im Bau spielt das Thema Nachhaltigkeit eine immer größere Rolle. Ziegelherstellung gilt generell als energieintensiv. Wie beurteilen Sie die Umweltbilanz des Baustoffes über den gesamtem Lebenszyklus?

Im Vergleich mit anderen Massivbaustoffen fällt auf, dass der Ziegel – trotz der Tatsache, dass dieser im Ofen bei rund 930 Grad Celsius gebrannt werden muss – einen sehr geringen Kohlendioxidausstoß bei der Produktion aufweist. Darüber hinaus sind Ziegel mit einer Lebensdauer von wenigstens 100 Jahren - es gibt Ziegelbauten die bereits jetzt deutlich länger genutzt werden - nahezu unschlagbar langlebig, sodass sich der zunächst erforderliche Energieeinsatz über die Lebensdauer deutlich relativiert. Unsere Altstädte zeigen, dass die Lebensdauer von Ziegelbauten extrem lang ist, und die Eigenschaften wie Wärmedämmung, Festigkeit und Schallschutz in dieser Zeit keinerlei Änderungen erfahren.  Dies auch dann nicht, wenn Elementarereignisse (z.B. Hochwasser) die Bausubstanz betreffen. Ziegelbauten überstehen das in der Substanz völlig unbeschädigt.

Über den Lebenszyklus gesehen ist also die Umweltbilanz äußerst positiv?

Ja, denn im Betrieb des Gebäudes führen die guten Wärmedämmeigenschaften zu geringem Energieverbrauch und somit zu niedrigen Betriebskosten und sehr geringem CO2-Ausstoß. In Summe führt dies dazu, dass Gebäude in Ziegelbauweise bereits jetzt die Grenze von maximal 11 Kilo CO2 pro Quadratmeter Bruttogrundfläche deutlich unterschreiten. Unterhalb dieser Grenze wird die prognostizierte weltweite Erderwärmung auf 1,5°C begrenzt. Wir gehen daher davon aus, dass – bei konsequenter Beachtung der Taxonomie der Anteil von Ziegeln im Wohnbau eher steigen wird.

„Die Erzeugung von Produkten ohne auf die kurz-, mittel- und langfristigen Auswirkungen auf die Umwelt Rücksicht zu nehmen, ist für uns nicht akzeptabel.“

Ekkehart Pichler, Geschäftsführer bei Martin Pichler Ziegelwerk in Aschach an der Donau

Worauf müssen Baufirmen bei der Beschaffung von Ziegel künftig besonders achten?

Ziegel sind ein wesentlicher Bestandteil eines jeden Gebäudes. Entscheidend ist der Baustoffmix insgesamt, welcher zum Einsatz kommt. Man muss die Gebäude noch mehr als bisher gesamtheitlich denken, und auch Fragen nach Rückbau bereits bei der Errichtung mitdenken. Aufgrund der unterschiedlichsten Eigenschaften von Ziegelprodukten – Wärmedämmziegel, Schallschutzziegel, Ziegel mit hoher Festigkeit oder auch Ziegeldecken kann nahezu jeder Bereich eines Gebäudes mit Ziegeln errichtet werden.  Allein dadurch wird der CO2-Ausstoß eines Gebäudes schon bei der Errichtung deutlich reduziert. Darüber hinaus hat die Ziegelindustrie in Zusammenarbeit mit namhaften Statikern ein Statikprogramm entwickelt, welches besonders auf die Anforderungen des Ziegelbaus eingeht und für verschiedenste Problemstellungen praxisgerechte Lösungen ausgibt. Ziegel sind somit bei Bewältigung des Klimawandels nicht das Problem sondern Teil der Lösung.

Werden Faktoren wie etwa Dämmeigenschaften und Nutzungsdauer bei der Umweltbilanz von Ziegel ausreichend berücksichtigt?

Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass Ziegel diese Eigenschaften lange und unveränderlich aufweisen. Meiner Meinung nach wird dies in der Baustoffdiskussion oft übersehen oder vernachlässigt. Die Langlebigkeit beispielsweise erfährt oft nicht jenen Stellenwert der angemessen wäre. Insgesamt aber wird dem Ziegel ein sehr hohes Sympathieniveau entgegengebracht. Er ist und bleibt hoffentlich auch in Zukunft des Österreichers liebster Baustoff.

Welche Rolle spielet das Thema Recycling am Ende der Nutzungsdauer?

Recycling, Kreislaufwirtschaft, Schonung von Ressourcen etc.  wird immer wichtiger, es muss in Zukunft noch mehr als bisher schon bei der Errichtung von Gebäuden auf diese Fragen eingegangen werden. Um diesen Prozess noch besser zu unterstützen haben wir unsere Ziegeldoppelwand entwickelt, die eine ideale Kombination von Wärmedämmung, Schallschutz und Festigkeit darstellt.

Hier wird eine völlige Plastikfreiheit bei Errichtung und Nutzung des Mauerwerks garantiert, da weder zur Verklebung der Ziegel untereinander als auch für Dämmung keinerlei Kunststoffe zur Anwendung kommen.

Ihr Unternehmen widmet sich stark dem Thema Nachhaltigkeit. Warum ist das wichtig?

Wir vom Ziegelwerk Martin Pichler in Aschach haben uns das Ziel gesetzt, ausschließlich mineralische, also kunststoff- und somit plastikfreie Baustoffe zu erzeugen und zu vertreiben.

Dies umfasst unser gesamtes Produktionsprogramm beginnend mit den verschiedensten Ziegelprodukten, geht über Ziegel- und Elementdecken, bauteilaktivierte Decken bis hin zum patentierten Rollmörtel und als letzte Entwicklung der Ziegeldoppelwand für das MF-Haus.

Es ist unser Ziel unseren Kunden Produkte anzubieten, die auch dann wenn das Ende der Nutzungsdauer erreicht sein wird, im Hinblick auf die dann wahrscheinlich strengen Gesetze verhältnismäßig problemlos rückbaubar und wiederverwendbar sein werden. Dies gelingt ausschließlich durch sortenreine Materialverwendung und Vermeidung von Verbundwerkstoffen, die bekanntlich schwer oder kaum recyclebar sind. Die Erzeugung von Produkten ohne auf die kurz-, mittel-, und langfristigen Auswirkungen auf die Umwelt Rücksicht zu nehmen ist für uns nicht akzeptabel.

Welche Herausforderung sehen Sie für Ihr Unternehmen bzw. die Ziegelbranche insgesamt?

Als größte Herausforderung sehe ich in Zukunft die Versorgung des Werkes mit nachhaltig erzeugter Energie, einen ersten Schritt dazu haben wir 2023 mit der Errichtung einer 3.000 m² großen und 700 kWp leistungsfähigen PV-Anlage getan. Ergänzend dazu verwenden wir seit vielen Jahren ausschließlich zertifizierten Grünstrom. Die PKW-Flotte wird sukzessive auf Elektroautos umgestellt.

Was sind die nächsten Meilensteine auf dem Weg zu noch mehr Nachhaltigkeit?

Momentan werden Überlegungen nach alternativen Brennstoffen angestellt (z.B. H2), dies ist ein Thema, wo die gesamte Branche Neuland betritt, und wo es derzeit keine hochskalierbaren Lösungen gibt. Der Elektrobrand wäre zwar ein interessanter Ansatz, allerdings würden sich dadurch aus momentaner Sicht die Energiekosten circa vervierfachen und damit die Produktkosten im Minimum verdoppeln.

Insgesamt aber sind wir zuversichtlich, dass unsere Kunden unsere Philosophie nach innovativen, mineralischen und plastikfreien Baustoffen anerkennen und mittragen.

Ziegel der nächsten Generation

Ziegelstapel
Doppelwand Baustelle

Das neue Doppelwandsystem von Ziegelwerk Pichler ermöglicht bei Neubautätigkeit die Umsetzung der EU-Taxonomie.

Das Martin Pichler Ziegelwerk stellt das neue „PIAplan Doppelwandsystem“ vor. Es basiert auf der Verwendung von 2 Planziegeln (30 mal 30 cm), die stoßfugenversetzt vermauert werden. Dadurch kann eine hervorragende Wärmedämmung (U-Wert von 0,18 W/mK) ohne Verwendung von Wärmedämmverbundsystemen erreicht werden. Dazu kommt mit einem Messwert von 54 dB ein optimaler Schallschutz.

Das System bietet eine Einzelziegelfestigkeit von 15 N/mm² und ermöglicht durch die resultierende hohe Wandfestigkeit – je nach Statik – auch zusätzliche Geschoße, was den Flächenverbrauch deutlich reduziert. Die große Speichermasse verhindert eine Überhitzung im Sommer und führt zu ausgeglichenen Raumtemperaturen während der Heizperiode.

Das System kommt ganz ohne Kunststoffe aus, da zusätzliche WDVS-Systeme, die meist mineralölbasiert sind, entfallen. Das Wandsystem ist wartungsfrei, bei Verwendung diffusionsoffener Putze kommt es im Außenbereich zu weniger Veralgungen und die Gefahr von Schimmelbildung durch falsches Nutzerverhalten kann vermindert werden.  Am Ende der Nutzungsdauer ist der Rückbau problemlos möglich, es entsteht kein Sondermüll.

Mehr auf der Website von Pichler Ziegel.

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