Warten auf die Politik: Wo sind die Milliarden?
Die Bauchemiebranche rechnet für heuer nicht mehr mit einer wirklichen Erholung der Marktsituation – sie kommt wohl erst 2026. Die erhofften Impulse von der Politik sind bislang verpufft. Die Branche setzt ihre Hoffnungen lieber auf Kundennähe und Innovationen.

„Eine Trendwende, wie seitens der Politik groß angekündigt, ist nicht vorhanden. Alle fragen sich: Wo sind die versprochenen Milliarden für den Wohnungsbau? Wenn man sich die Daten der Baubewilligungen ansieht, kann man keine Trendwende sehen oder erahnen.“ Marko Haberhauer, General Sales Manager Österreich bei Master Builders Solutions, formuliert eine Frage, die sich viele in der heimischen Bauwirtschaft stellen – auch in der Bauchemiebranche.
Keine Impulse
Zu ihnen gehört Markus Egger, Geschäftsführer bei Sika Österreich. Er spricht ebenfalls Klartext. „Positive Impulse durch die neue Regierung bleiben bisher aus, dadurch haben sich die Anzeichen einer Erholung zuletzt wieder etwas abgeschwächt“, meint Egger. „Die Bauwirtschaft in Österreich bleibt auch 2025 von schwierigen Rahmenbedingungen geprägt: Geopolitische Spannungen, volatile Märkte, restriktive Investitionsentscheidungen und die verschärften Handelskonflikte sorgen für anhaltende Unsicherheit“, beschreibt er den toxischen Mix, der die Freude der Wirtschaftstreibenden an der Arbeit derzeit dämpft.
Auch bei Sika spüre man die Auswirkungen der Wohnbauflaute – vor allem im Bereich des Wohnungsneubaus, der weiterhin „rückläufig“ sei. Gleichzeitig sieht Egger aber auch ein „enormes Potenzial: Der Bedarf an leistbarem Wohnraum, energetischer Sanierung und Instandhaltung bleibt hoch. Sinkende Zinsen und die Aussetzung der KIM-Verordnung werden hier die benötigten Impulse setzen.“
Die Frage ist nur, wann diese Impulse tatsächlich in der Bauchemie zu spüren sind. Derzeit geht es der gesamten Branche jedenfalls nicht wirklich berauschend: „2025 begann für Mapei Austria mit viel Schwung – die ersten zwei Monate liefen äußerst erfolgreich. Im März zeichnete sich jedoch ein merklich verhaltener Trend ab. In Summe bewegen wir uns derzeit auf Vorjahresniveau“, zeichnet Andreas Wolf, Geschäftsführer von Mapei Austria, ein gemischtes Bild. „Der Wohnbau ist nach wie vor stark von Zurückhaltung geprägt, was sich auch auf unsere klassischen Bereiche wie die Betonzusatzmittel auswirkt. Andererseits sehen wir erfreuliche Entwicklungen in neuen Geschäftsfeldern, wie etwa bei unseren Asphaltzusätzen und innovativen Lösungen für die Sanierung und Renovierung. Diese neuen Segmente gewinnen zusehends an Bedeutung und bieten Potenzial, um schwächere Märkte teilweise auszugleichen.
Ähnlich äußert sich Gunther Sames, Geschäftsführer von Ardex Österreich. „Das Geschäft entwickelt sich aktuell den Erwartungen entsprechend. Die Marktlage in unserem Geschäftsbereich bleibt als schwierig zu bewerten. Es gilt abzuwarten, ob dieser Trend anhält“, so Sames. Die Bauchemie sei stark von der Flaute im Wohnbau betroffen, da viele der Produkte – Abdichtungen, Kleber, Wand- und Bodenspachtelmassen – vor allem im Neubau eingesetzt würden. Sames: „Besonders stark spüren wir den Rückgang bei Einfamilienhäusern und Wohnanlagen, wo der Absatz zuletzt deutlich eingebrochen ist.
Besser entwickelt sich für uns der Bereich Sanierung und Renovierung, weil wir dort gezielt mit unseren Systemlösungen punkten können.“
Und auch bei Westwood Österreich wechseln sich Licht und Schatten ab: „Der klassische Wohnbau ist aktuell natürlich verhalten – das spüren auch wir“, meint Geschäftsführer Andreas Nemeth. Der Lichtblick: „Gerade in Bereichen wie Parkflächen, Industrie, Infrastruktur oder bei Flachdächern steigen die Anforderungen – und hier punkten unsere PMMA-Systeme mit Schnelligkeit und Dauerhaftigkeit. Sanierungen und Spezialanwendungen entwickeln sich gut, weil Investitionen in Substanzerhalt Vorrang haben.“
Sanierung statt Neubau: Das trifft bei Murexin ebenfalls zu. „Im Jahr 2025 setzen sich die Herausforderungen im Neubausektor fort – insbesondere durch Investitionszurückhaltung und immer noch vorhandene Restriktionen bei der Finanzierung, sowohl bei großen Wohnbauprojekten als auch im privaten Hausbau“, sagt Geschäftsführer Bernhard Mucherl und ergänzt: „Während der Wohnbau weiterhin schwächelt, entwickelt sich der Infrastruktur- und Tiefbau stabil, und insbesondere der Renovierungs- und Sanierungsmarkt bietet großes Potenzial.“ Hier punkte man mit einem „umfassenden, leistungsstarken und nachhaltigen Produktsortiment, das perfekt auf die Anforderungen von Sanierungsprojekten abgestimmt“ sei.
Große Hoffnungen, dass sich der Wohnbau bereits im laufenden Geschäftsjahr wieder spürbar erholt, macht sich in der Bauchemiebranche kaum jemand. Westwood Österreich-Chef Nemeth ist da noch vergleichsweise zuversichtlich: „Wir erwarten erste positive Impulse im zweiten Halbjahr 2025 – insbesondere durch Sanierungsförderungen und Investitionen in die kommunale Infrastruktur. Aber auch beim Wohnbau zeichnet sich langsam eine Erholung ab.“
Master Builders Solutions-Manager Haberhauer erwartet da nicht so viel: „Es gibt zwar diverse Prognosen, dass es einen Anstieg im laufenden Jahr 2025 an Neubaugenehmigungen geben soll, jedoch sind die Zweifel dazu hoch, da die Nachfrage von Wohnbaukrediten trotz niedriger Zinslage nicht sehr rege ist.“ Und auch Murexin-Geschäftsführer Mucherl rechnet nicht mit einer raschen Trendwende im Wohnbau. „Eine kurzfristige Erholung im Neubausektor ist aus heutiger Sicht nicht zu erwarten. Wir gehen davon aus, dass sich Investitionen erst mit einer Entspannung bei den Finanzierungskosten und einer allgemeinen Stabilisierung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wieder beleben werden“, schätzt er die Situation ein. Nachsatz: „Im Renovierungs- und Sanierungsmarkt sehen wir hingegen bereits jetzt kontinuierliche Wachstumschancen.“
Eine „spürbare Erholung der österreichischen Bauwirtschaft“ ist aus Sicht von Ardex Österreich-Geschäftsführer Sames „frühestens“ ab dem zweiten Halbjahr 2025 zu erwarten. Er dämpft aber im gleichen Atemzug übertriebene Erwartungen: Diese Erholung werde „voraussichtlich äußerst moderat“ ausfallen und „stark von externen Faktoren wie Zinssenkungen, politischen Maßnahmen und der allgemeinen Wirtschaftslage abhängen“. Sames ergänzend: „Eine umfassende Rückkehr zum Niveau der Boomjahre vor 2020 ist mittelfristig nicht in Sicht.“
Mapei Österreich-Chef Wolf erwartet „eine Stabilisierung der Marktlage frühestens im vierten Quartal 2025. Die wirkliche Erholung – insbesondere im Bereich Wohnbau – wird aus heutiger Sicht erst 2026 einsetzen“, so Wolf. „Entscheidend wird sein, ob politische Impulse wie erleichternde Kreditvergaben oder Investitionsanreize rechtzeitig greifen.“ Vor 2026 sieht auch Sika Österreich-Geschäftsführer Egger keine deutliche Besserung der Situation. „Die Prognosen zeigen: Auch 2025 bleibt das lokale Marktumfeld für die Bauwirtschaft angespannt.“
Im Unterschied zu Deutschland, so Egger weiter, sei in Österreich „aktuell nicht mit größeren staatlichen Investitionspaketen zu rechnen, da die Konsolidierung des Budgethaushalts im Vordergrund“ sehe. „Entsprechend gedämpft sind die kurzfristigen Erwartungen“, fasst er seine Bewertung zusammen. Im zweiten Halbjahr 2025 erwartet er zwar erste Impulse, aber er sieht strukturelle Probleme, die der Bauwirtschaft das Leben unnötig schwer machen: „Ein zentrales Hemmnis bleiben die hohe Kostenbelastung und die Bürokratie. Eine Vereinfachung von Normen und Regulativen wäre ein wichtiger Schritt, den wir ausdrücklich begrüßen und unterstützen.“
Im Umgang mit der flauen Nachfrage bauen die Hersteller durchwegs auf die Themen Kundennähe, Beratung sowie Service und nutzen die ruhige Lage am Markt, um interne Prozesse zu verbessern. Zugleich investieren sie weiter in Innovationen – vor allem mit Blick auf das Thema Nachhaltigkeit. Innovationen spielen bei Westwood laut Österreich-Geschäftsführer Nemeth eine „zentrale“ Rolle. „Unsere Systeme sind langlebig, emissionsarm und ermöglichen gezielte Teilflächeninstandsetzungen statt Komplettabriss“, meint er. „Nachhaltigkeit beginnt mit Qualität – das leben wir vor.“
Das Wort „zentral“ verwendet auch Mapei Österreich-Chef Wolf, um die Bedeutung von Innovationen im Bereich der Nachhaltigkeit zu beschreiben. „Mapei ist seit Jahren Vorreiter in der Entwicklung nachhaltiger Produkte. Unsere Zero-Linie – Produkte mit vollständig kompensierten CO₂-Emissionen steht exemplarisch für diesen Anspruch.“ Man setze „bewusst auf zukunftsfähige Innovationen, die ökologische und ökonomische Anforderungen gleichermaßen erfüllen“.
Ardex Österreich-Geschäftsführer Sames hebt hervor, dass Innovationen „nicht nur im Bereich Nachhaltigkeit“ eine Rolle spielen. Das Thema Innovationen sei enorm wichtig, man forsche aktuell in mehrere Richtungen: „Die wichtigsten Forschungsgebiete sind der Einsatz alternativer Rohstoffe, Prozessoptimierung in der Herstellung und Entwicklung neuer Systemlösungen, die den modernen, nachhaltigen und ökologischen Anforderungen entsprechen.“ Er verweist dabei auf die Ardex Ecobuild-Produkte, die sich „durch ihre umweltfreundlichen und nachhaltigen Eigenschaften auszeichnen“.
„Innovationen sind der Schlüssel zum Erfolg und wir können hier unsere Stärke als Innovationsführer voll ausspielen“, sagt Master Builders Solutions-Manager Haberhauer. Dank des breiten Produktportfolios und der starken technischen Mannschaft habe man in Sachen Nachhaltigkeit in allen Bereichen die passenden Antworten: „Wir haben einiges in petto und unsere R&D arbeitet auf Hochtouren bei Rohstoffentwicklungen.” Die lokale Produktion in Krieglach sei nicht nur ein wichtiger Standort für die Produktentwicklung, sondern biete auch die Möglichkeit sehr rasch und effizient auf die Nachfragen und Gegebenheiten reagieren zu können.“
Bei Murexin setzt man beim Themenkomplex Nachhaltigkeit und Innovation unter anderem stark auf Kreislaufwirtschaft. „Im Rahmen des Forschungsprojekts Kraisbau arbeiten wir gezielt an der Förderung der Kreislaufwirtschaft in der Bauindustrie, etwa durch die Entwicklung von hochwertigen Produkten, die Sekundärrohstoffe verwenden, ohne Qualitätsverluste zu riskieren“, erläutert Murexin-Geschäftsführer Mucherl. „Ein aktuelles Beispiel ist unsere Spezialabdichtung WD-1K: ein vielseitiges, ressourcenschonendes Produkt, das höchsten ökologischen und gesundheitlichen Anforderungen entspricht. Mit solchen Innovationen leisten wir einen aktiven Beitrag zu nachhaltigem Bauen.“
„Nachhaltige Innovationen sind ein zentraler Pfeiler unserer Unternehmensstrategie – gerade in einem Markt, der unter hohem Effizienz- und Transformationsdruck steht“, meint Sika Österreich-Geschäftsführer Egger. Man entwickle Produkte, die einen „klaren Beitrag zu Umwelt- und Klimazielen leisten – etwa durch reduzierte CO₂-Emissionen, verbesserte Energieeffizienz oder den Einsatz kreislauffähiger Materialien“. Als „Vorreiter in der Bauchemiebranche“ setze man bei Sika zum Beispiel auf einen „fundierten Sustainability Portfolio Management (SPM)-Ansatz“. Egger: „Damit bewerten wir systematisch unsere Produkte hinsichtlich definierter Nachhaltigkeits- und Leistungskriterien, wie zum Beispiel Klimaauswirkungen, Verpackung, Luftqualität oder Ressourceneffizienz. Diese Methode ist fest in unserem Produktentwicklungsprozess verankert und hilft uns, gezielt in Lösungen mit hohem Nachhaltigkeitswert und Marktpotenzial zu investieren.“