KI für Baumeister
Noch wird Künstliche Intelligenz (KI) eher selten auf den heimischen Baustellen eingesetzt. Aber das dürfte sich sehr rasch ändern: In den einigen Jahren wird es kaum noch eine Baustelle ohne KI geben – meinen die Experten.

„Meiner Meinung nach sollte die Intelligenz immer vor dem Bildschirm sitzen.“ Heinz-Michael Ruhland, BIM-Experte des Bausoftware-Anbieter Nevaris, hält nichts davon, das Denken nur den Maschinen zu überlassen. Aber, so Ruhland weiter: „Die Digitalisierung ist im Bauwesen nicht aufzuhalten. Das gilt nicht nur für die großen Konzerne, sondern auch für das Baugewerbe. Auch der Baumeister kann die Digitalisierung nutzen. Und dabei wird das Thema KI eine immer größere Rolle spielen.“
KI auf der Baustelle
Die Aussage ist klar. Und sie wird von vielen Experten geteilt. Ruhland: „KI kann entlang der gesamten Wertschöpfungskette eingesetzt werden. Sie wird dazu beitragen, Gebäude besser zu planen, Prozesse und Logistik zu optimieren und den Baufortschritt zu überwachen – was alles hilft, Zeit zu sparen und Kosten zu senken.“
Bislang fristet die Künstliche Intelligenz (KI) am Bau allerdings noch ein bescheidenes Schattendasein. Das belegt eine europaweite Erhebung des Deutschen Wirtschaftsministeriums. Demnach nutzen nur 4,3 Prozent der österreichischen Bauunternehmen bereits in irgendeiner Form KI-Tools. Damit liegen sie in etwa auf dem Niveau ihrer deutschen Branchenkollegen (4,5 Prozent) und über dem EU-Schnitt der Bauwirtschaft von 3,2 Prozent. Das ist allerdings nur ein schwacher Trost. Mit ihrem Wert befindet sich die heimische Bauwirtschaft an vorletzter Stelle im nationalen Branchen-Ranking. Weit hinter den Spitzenreitern „Informatik & Kommunikation“ (37,1 Prozent), „Beratung“ (25,8) oder „Energie/Wasser/Entsorgung“ (14 Prozent). Nur das Gastgewerbe ist hierzulande mit 3,6 Prozent noch zurückhaltender beim Einsatz der KI.
„Das Baugewerbe ist leider eine konservative Veranstaltung. Die Digitalisierung und der Einsatz von KI stehen noch in den Anfängen“, so Nevaris-Experte Ruhland. „Aber das wird sich ändern. Die neue Generation, die jetzt von den Hochschulen kommt, hat ein ganz anderes Verhältnis zur Digitalisierung.“ Jan Köster, Produktmarketing-Manager beim Unternehmen 123erfasst, das Baustellen-Apps anbietet, erläutert, was KI leistet: „KI ist eigentlich nichts anderes als extrem komplexe Mathematik. Es geht bei KI darum, dass ein Algorithmus in sehr großen Datenmengen Muster erkennen kann und daraus statistisch basierte Erzeugnisse generiert.“
Das Start-up Cosuno, das innerhalb von wenigen Jahren die größte Plattform für Ausschreibungen am Bau in Deutschland und Österreich aufgebaut hat, setzt bereits intensiv auf KI (die Bauzeitung berichtete in ihrer Ausgabe 5/2025). In einem Whitepaper zum Thema KI am Bau kommt Cosuno zu einer eindeutigen Einschätzung: „KI-Technologien spielen eine entscheidende Rolle in der Bauindustrie und verändern die Art und Weise, wie Projekte geplant, ausgeführt und überwacht werden.“
KI kann entlang der gesamten Wertschöpfungskette und entlang der gesamten Lebensdauer eines Bauwerks eingesetzt werden. Das beginnt mit der Planung: KI-gestützte Software ist bereits in der Lage, ein Bauwerk zu entwerfen. Dabei nutzt sie historische Projektdaten, die sie auswertet und verbessert: Man gibt Parameter für eine Wohnung vor wie etwa die Fläche, die Zahl der Räume oder Angaben zu den gewünschten Funktionen, und die KI entwirft viele unterschiedliche Pläne“, so 123erfasst-Manager Köster. Die große Stärke der KI: „Anders als wir Menschen ist sie nicht voreingenommen. Ein erfahrener Architekt wäre vielleicht nicht auf die entsprechenden Entwürfe gekommen, kann diese aber professionell einschätzen und als Entscheidungsgrundlage heranziehen. Die KI kommt auf völlig neue Ansätze.“
Verknüpft man die KI mit dreidimensionalen BIM-Modellen von Gebäuden, ist sie bereits in der Lage, Fehler zu erkennen und die Konstruktion zu verbessern. Nevaris-Experte Ruhland sieht hier ein enormes Potenzial: „BIM und KI gehören zusammen: Ich brauche ein digitales Modell, damit ich die KI optimal nutzen kann.“
Ähnlich hilfreich wie beim Entwurf des Gebäudes kann die KI auch bei der Projektplanung sein: Sie ist in der Lage, einen kompletten Projektplan zu entwerfen oder kann Schwachstellen und Ineffizienzen eines bestehenden Projektplans aufspüren und Vorschläge zur Verbesserung machen. Auch hier gilt: Die KI ist nicht voreingenommen. Diese Eigenschaft hilft ihr auch, wenn es darum geht, rasch alternative Projektpläne zu erstellen, falls es eine unerwartete Störung des Ablaufs gibt. „Stellen Sie sich vor, eine wichtige Ressource wird nicht geliefert. Das könnte dazu führen, dass die Baustelle steht“, meint Köster. „Die KI kann nun den Auftrag bekommen, 20 verschiedene Alternativ-Pläne zu entwickeln. Anstatt wie geplant, mit dem Aushub weiterzumachen, könnte man beispielsweise erst die Wandpaneele bauen. Der Baumeister verwendet diese Vorschläge als Basis und entscheidet, wie es weitergeht.“
Und auch bei der laufenden Überwachung der Ausführung ist die maschinelle Intelligenz bereits in der Lage zu unterstützen: Die Baustelle wird mit Kameras oder 3D-Laserscannern, die auf Fahrzeugen oder Drohnen montiert sind, laufend erfasst. Eine intelligente KI-basierte Software erkennt, wie weit die Ausführung den Bauplänen entspricht, welche Bauteile korrekt angebracht sind und wo es Abweichungen gibt. Dazu Köster: „Auf großen Baustellen wird das bereits eingesetzt. Aber diese Technologie steht auch kleineren Unternehmen zur Verfügung.“
Die maschinelle Intelligenz scheint auch auf der Baustelle nicht mehr aufzuhalten sein. Zu diesem Ergebnis kommt auch Start-up Cosuno in seinem Whitepaper: „Der nächste Schritt der Bauindustrie wird eine tiefere Integration von KI und Automatisierung sein. In den kommenden Jahren könnten Bauprojekte nahezu vollständig KI-gestützt abgewickelt werden.“