Holcims Money Maqer
Der Holcim-Konzern setzt bei der Entwicklung von Innovationen auf die Zusammenarbeit mit Startups. Das Ziel: Bei der Suche nach den disruptiven Technologien von morgen vorn mit dabei sein – und die Kunden von heute besser bedienen können.

„Praktisch alle transformativen Sprünge der vergangenen Jahre gehen auf das Konto von Startups – denken Sie nur an Social-Media-Kanäle wie Facebook oder Youtube. Ein anderes Beispiel ist das Elektroauto. Das hat durch das damalige Startup Tesla den entscheidenden Schub bekommen.“ Bengt Steinbrecher weiß, wovon er spricht. Er leitet Holcim Maqer Ventures, die Einheit, die sich beim internationalen Baustoffhersteller um das Management der Startup-Aktivitäten kümmert. „Sie haben die Startup-Mentalität: All-in – entweder es wird was oder nicht“, erläutert Steinbrecher die Vorteile, die Startups gegenüber etablierten Unternehmen besitzen, und ergänzt: „Startups sind auf das Lösen eines konkreten Problems fokussiert. Dazu nutzen sie oft ganz neue Ansätze und bringen mit 100-prozentigem Kundenfokus schnell eine marktfähige Lösung.”
Vorteil durch Startups
Steinbrecher ist bei Holcim offenbar nicht der Einzige, der von diesen Vorzügen überzeugt ist. Maqer hat seit 2018 mehr als 100 Pilotprojekte mit Startups durchgeführt. Mit vielen der jungen Unternehmen kooperiert Holcim weiter. An 16 ist man sogar als Investor beteiligt. „Bei vielen Projekten sind wir Kunde und kaufen eine innovative Lösung ein. Dort, wo wir uns strategisch differenzieren können und wollen, beteiligen wir uns aber auch als Investor“, erläutert Steinbrecher.
Bei einem der Kooperationspartner handelt es sich um das Startup Climate Earth. Mit ihm hat Holcim eine neuartige On-Demand-Lösung entwickelt, mit der Kunden auf Knopfdruck eine Environmental Product Declaration (EPD) für individuelle Betonprodukte anfertigen lassen können. Zudem stellt Holcim ab dem Sommer als erster Anbieter in Österreich auch für alle bestehenden Betonsorten eine EPD zur Verfügung. „Für unsere Kund*innen schaffen wir damit eine wichtige Vergleichbarkeit für den Baustoff Beton für einen bestmöglichen Einsatz. Denn EPDs zeigen alle Umweltindikatoren transparent und sind für Projekte gemäß diverser nachhaltiger Gebäudezertifizierungssysteme, wie BREEAM, LEED oder DGNB schon heute erforderlich“, meint Holcim-Österreich-Chef Haimo Primas.
Noch ein wenig von der Marktreife entfernt ist das Produkt eines anderen Startups – und zwar des amerikanischen Unternehmens Sublime Systems, an dem Holcim Maqer sich beteiligt hat. Sublime Systems hat eine elektrochemische Methode zur Herstellung von Zement entwickelt, mit der CO₂-Emissionen erheblich reduziert werden können. Kohlenstofffreie Rohstoffe wie Basalt und ein elektrochemischer Produktionsprozess bei niedrigen Temperaturen ersetzen den energieintensiven Brennvorgang von Kalkstein bei der Zementherstellung. Dieser sogenannte „True-Zero“-Zement soll dereinst die gleichen Leistungsmerkmale wie traditioneller Portlandzement besitzen, senkt die CO₂-Emissionen aber um mehr als 90 Prozent.
Das junge Unternehmen errichtet derzeit in den USA das erste Zementwerk mit dieser Technologie. Es wird mit 30.000 Tonnen noch eine relativ geringe Jahreskapazität haben. Aber das genügt, um zu testen, ob die Technologie im großen Stil marktfähig ist oder nicht. „Wenn das funktioniert, dann kann das in zehn bis zwanzig Jahren für eine Disruption in der Zementproduktion sorgen“, meint Steinbrecher. Nachsatz: „Und da wollen wir frühzeitig dabei sein.“
Damit nennt er ein wesentliches Argument, warum der Konzern so viel Augenmerk auf die Zusammenarbeit mit Startups legt: „Es geht darum, frühzeitig Zugang zu neuen Technologien und Lösungen zu erlangen und einen First-Mover-Vorteil zu haben“, so der Holcim-Mann. Dabei geht es auch darum, das Risiko zu managen. „Allein der Bau einer Pilotanlage wie der von Sublime Systems in den USA kostet schnell über 100 Millionen Euro. Wenn wir als Holcim ein Dutzend derartiger Projekte finanzieren müssten, wäre das ein enormer Betrag – und man weiß bei diesen Projekten nie, ob sie letztlich ein Erfolg werden oder nicht“, meint Steinbrecher. „Es ist daher sinnvoll, mit anderen Investoren zusammenzuarbeiten und das finanzielle Risiko zu teilen.“
Der Holcim-Manager schätzt die Erfolgsquote bei Startups im Technologie-Bereich bei rund eins zu zwanzig. „Entweder funktioniert die Lösung auf industriellem Level oder nicht. Da gibt es letztlich nur Schwarz oder Weiß.“ Etwas besser, bei eins zu zehn, liegen die Chancen seiner Erfahrung nach in anderen Bereichen wie zum Beispiel der Digitalisierung: „Hier gibt es auch Grauzonen. Die Innovation ist vielleicht nicht der große Wurf, aber die Unternehmen halten sich am Markt.“