Brennpunkt

Die KIM ist tot – es lebe die KIM!

08.07.2025

Die Finanzmarktaufsicht sorgt für Empörung in Bau- und Immobilienwirtschaft: Trotz Auslaufen der umstrittenen KIM-Verordnung mit 30. Juni 2025 soll deren Geist weiter erhalten bleiben.

„Die Vorgangsweise ist einzigartig in Österreich. Mir ist kein ähnlicher Fall bekannt, wo eine Behörde derart vorgegangen ist.“ Die Verärgerung ist Alexander Pawkowicz, Geschäftsführer der Vereinigung Österreichischer Projektentwickler (Vöpe) deutlich anzumerken. Das verdeutlicht er auch mit einem, laut eigenem Bekunden, „zugegeben etwas überspitzten“ Vergleich: „Das ist in etwa so, wie wenn die Polizei sagt: Wir verordnen keine Geschwindigkeitsbegrenzung, aber wer schnell fährt, wird trotzdem gestraft.“

Ärger über FMA

Der Ärger des Vöpe-Geschäftsführers gilt der österreichischen Finanzmarktaufsicht (FMA). Diese hat Mitte Juni den heimischen Banken ein diskretes Schreiben geschickt, das in der heimischen Bau- und Immobilienwirtschaft für reichlich Zündstoff sorgt. Zum Hintergrund: Die FMA hatte 2022 die sogenannte KIM-Verordnung (KIM-VO) erlassen, mit der sie den Banken strenge Auflage für die Vergabe von Immobilienkrediten machte. Das Ziel war angesichts steigender Zinsen und hoher Inflation eine Überschuldung privater Haushalte zu vermeiden und die Banken somit vor faulen Krediten zu schützen.

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Mit der Verordnung zog die FMA verbindliche Obergrenzen ein, die davor nur als Empfehlung für die Banken gegolten hatten. So mussten Kreditnehmer etwa ein Eigenkapital in der Höhe von mindestens 20 Prozent des Kaufpreises inklusive Nebenkosten aufbringen. Die monatliche Kreditrate wiederum durfte maximal 40 Prozent des Nettoeinkommens ausmachen. Die Bau- und Immobilienwirtschaft zeigte sich seitdem wenig erfreut über die KIM-VO und forderte in der Folgezeit vehement deren Abschaffung.

Nach drei Jahren ist es nun so weit. Mit 30. Juni 2025 ist die KIM-VO ausgelaufen. Das dachten jedenfalls alle Beteiligten – bis zum ominösen Schreiben der FMA an die Banken, das sie am 26. Juni in einem öffentlichen Rundschreiben bestätigte. Dessen Inhalt: Die Banken können von den Vorgaben der KIM-VO zwar jetzt abweichen, es müsse, so die FMA, aber „trotzdem eine solide Kreditvergabe gewährleistet“ sein.

In dem Rundschreiben definiert die FMA die Voraussetzungen für Abweichungen von diesen Vorgaben. Die FMA dazu in einem Statement: „Die Vorgaben werden aber weiterhin von der FMA als Richtwert für die solide Kreditvergabe angesehen. Wenn Banken von diesen Vorgaben abweichen, müssen sie zeigen können, dass dieser größere Risikoappetit durch ihre Risikostrategie gedeckt ist, was indes ein höheres Kapitalerfordernis bedeuten kann.“ Ein Sprecher der FMA wies darauf hin, dass die Banken nun tatsächlich „mehr Spielraum bekommen“. Es solle lediglich „der Geist der KIM-Verordnung“ erhalten bleiben, zitierte er Österreichs Notenbankchef Robert Holzmann.

Diese Vorgangsweise ruft nun bei der Bau- und Immobilienwirtschaft eine Empfindung hervor, die sich wohl am treffendsten mit „Empörung” bezeichnen lässt. „Das Schreiben ist ein rechtliches Nullum“, meint Vöpe-Geschäftsführer Pawkowicz. „Gegen eine FMA-Verordnung kann man – zumindest theoretisch – den Rechtsweg beschreiten. Dass die FMA jetzt durch die Hintertür an einem abgelaufenen Regelwerk festhalten möchte, das man aber rechtlich gar nicht greifen kann – dazu fällt mir nur ein Wort ein: ungeheuerlich.“

Gerald Gollenz, scheidender Obmann des Fachverbands der Immobilien- und Vermögenstreuhänder in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) hat zur Vorgangsweise der Behörde noch ein anderes Wort parat: „Das ist eine Katastrophe – nicht nur für den Immobilienmarkt, sondern auch für potenzielle Käuferinnen und Käufer. Die überschießenden Regeln für die Wohnkreditvergabe müssen endlich der Vergangenheit angehören.“ Die Regeln der KIM-Verordnung, so Gollenz weiter, „müssen tatsächlich Geschichte sein und dürfen nicht durch die Hintertür wieder eingeführt werden. Ansonsten schlittern der Immobilienmarkt und die entsprechenden Unternehmen noch tiefer in die Krise.“

Widerspruch gegen die Kritik an der FMA sucht man in der Branche vergeblich. „KIM-Verordnung vorbei – Bevormundung bleibt!“, heißt es beispielsweise auch vom Österreichischen Haus- und Grundbesitzerbund (ÖHGB). Mit dem bevorstehenden Auslaufen der KIM-Verordnung wolle die Finanzmarktaufsicht „ein starres Regelwerk durch ‚Empfehlungen‘ künstlich am Leben erhalten“. ÖHGB-Präsident Martin Prunbauer: „Eine Kreditvergabe braucht klare Rahmenbedingungen – aber keine versteckte Regulierung durch die Hintertür.“

Die FMA rechtfertigt das Festhalten am Geist der KIM-VO mit der Entwicklung der Wohnbaukredite im laufenden Jahr: „Wohnbaukredite sind heuer in Österreich der einzige Bereich, in dem das Kreditvolumen ordentlich wächst“, so die Vorstände der FMA, Helmut Ettl und Eduard Müller. „Von Jänner bis April sind sie um zwei Drittel auf 5,2 Milliarden Euro gestiegen – vor allem dank der derzeit sinkenden Zinsen. Es ist offensichtlich, dass solide Vergabestandards mit Hausverstand ein gesundes Kreditwachstum nicht behindern.“

Die Vertreter der Immobilienwirtschaft sehen das völlig anders: Fachverbands-Obmann Gollenz verweist auf die wenig segensreiche Wirkung, die die KIM-VO in den vergangenen drei Jahren gehabt habe. Zusammen mit den Effekten der Teuerungen habe sie den „österreichischen Immobilienmarkt auf den Kopf gestellt und unsere Branche ebenso wie die Bauwirtschaft in eine schwere Krise geführt“, so Gollenz. „Der Rückgang der Neubau- und Sanierungsleistung beträgt bundesweit bis zu 80 Prozent, hunderte Makler- und Bauträgerunternehmen sind vom Markt verschwunden.“

„Die KIM-Verordnung war von Anfang an zu starr, zu lebensfern und hat trotz nachträglicher Lockerungen vielen Menschen den Zugang zu Wohneigentum verwehrt beziehungsweise erschwert“, ergänzt ÖHGB-Präsident Prunbauer. „Sie hat junge Familien entmutigt, Banken entmündigt und leistbares Eigentum blockiert. Ihr endgültiges Auslaufen ist nicht nur richtig, sondern überfällig.“ Die aktuell vorherrschenden Bedingungen am Wohnungsmarkt verlangen aus seiner Sicht Flexibilität: Banken würden laut ÖHGB „keine fixen Quoten und keine bevormundenden Empfehlungen benötigen, sondern Spielraum für verantwortungsvolle Kreditvergabe und die Möglichkeit kundenspezifisch“ zu entscheiden. Prunbauer: „Wer Eigentum ermöglichen will, muss Vertrauen in die Menschen haben und den Banken Verantwortung zugestehen.“