Produktivität am Bau: mitunter noch mau
Eine aktuelle Studie der Zukunftsagentur Bau (ZAB) zeigt: Bei der Produktivität der heimischen Baubetriebe gibt es Luft nach oben. Nur 58 Prozent der Prozesse sind bislang systematisch geregelt. Woran es ebenfalls oftmals mangelt: Viele Betriebe haben keine klare Positonierung am Markt.
„Wie produktiv arbeiten heimische Bauunternehmen wirklich?“ Auf diese Frage haben die Zukunftsagentur Bau (ZAB) und das Beratungsunternehmen Baukybernetik Solutions gemeinsam eine Antwort gesucht. Im Rahmen des „Bauproduktivitäts-Checks“ haben sie in elf Betrieben des heimischen Baugewerbes eingehend die Prozesse analysiert – von der Baustellenorganisation über die Kalkulation bis zur Digitalisierung. Das Ziel: Den Status quo erheben, Produktivitätshemmnisse aufzeigen und Verbesserungspotenziale identifizieren.
Viel Luft nach oben
Im Zentrum standen dabei nicht Zahlen, sondern die konkreten Abläufe: Wie wird geplant, kalkuliert, gesteuert? Welche digitalen Systeme kommen zum Einsatz? Wie funktioniert die Kommunikation zwischen Baustelle und Büro? Die Ergebnisse zeigen, dass es noch jede Menge Luft nach oben gibt. Denn in den untersuchten Unternehmen sind die Prozesse im Durchschnitt nur zu 58 Prozent systematisch geregelt. Das bedeutet, dass in vielen Betrieben zwar Know-how vorhanden ist, es aber an standardisierten, unternehmensweit gelebten Abläufen mangelt. Das wiederum erschwert nicht nur die Steuerung und Qualitätssicherung, sondern verhindert auch Effizienzgewinne durch Digitalisierung und Innovation.
Georg Hanstein, ZAB-Bereichsleiter für Digitalisierung und Innovation, erläutert das Manko an einem Beispiel: „Der schlechteste Fall ist, wenn jeder Mitarbeiter eigene Systeme nutzt, um Daten zu erfassen – der eine arbeitet mit Excel, der andere mit Word, ein weiterer macht handschriftliche Notizen. So lassen sich Daten nicht vergleichen und Prozesse nicht optimieren.“ Ein einheitliches Vorgehen sei nicht nur die Voraussetzung für betriebswirtschaftliche Steuerung, sondern auch für den sinnvollen Einsatz neuer Technologien wie Künstlicher Intelligenz. „KI braucht strukturierte, konsistente Daten – wenn die fehlen, können selbst beste Algorithmen nichts bewirken“, so Hanstein.
Die Studie hat drei Hebel identifiziert, mit denen sich die Produktivität wirksam steigern lässt. Erstens: die strategische Planung. Viele Betriebe besitzen ausgeprägte technische Kompetenz, doch es fehlt an Produktangeboten mit erkennbaren Alleinstellungsmerkmalen. „Im Wettbewerb um Bauaufträge reicht es heute nicht mehr, allein durch handwerkliche Qualität zu punkten“, meint Norbert Hartl, Bau Bundesinnungsmeister-Stellvertreter. „Gefragt sind Lösungen, die auf konkrete Zielgruppen zugeschnitten sind – mit einem klaren Nutzenversprechen, das sich auch gut kommunizieren lässt.“ Durch eine strategisch gedachte Spezialisierung lassen sich nicht nur Effizienzgewinne erzielen, sondern auch Wettbewerbsvorteile, die sich weniger leicht über den Preis aushebeln lassen.
ZAB-Experte Hanstein nennt ein Beispiel: „Ein Bauunternehmen, das vorgefertigte Ziegelwände in der Halle produziert, schafft es, den Rohbau eines Einfamilienhauses in nur zwei Tagen zu errichten. Für den Bauherrn bedeutet das, bessere Planbarkeit und Zeitgewinn. Das ist ein klarer USP.“ Beispiele wie diese sind noch eher selten, aber es gibt sie. Hanstein sieht „erste Ansätze strategischer Ausrichtung“ im Baugewerbe – etwa durch Spezialisierung auf Sanierung, energieeffizientes Bauen oder modulare Wohnlösungen. „Diese Positionierungen bieten nicht nur neue Märkte, sondern schützen auch besser vor Preisdruck. Wer ein klar umrissenes Produkt anbietet, kann es einfacher vermarkten – und einfacher kalkulieren.“
Bei Hebel Nummer zwei handelt es sich um das digitale Prozessmanagement. Auch hier gibt es Aufholbedarf. Zwar nutzen viele Unternehmen digitale Ordnerstrukturen, doch durchgängige Systeme zur Prozessabbildung, Ressourcenplanung und Projektsteuerung fehlen oft. „Ein digital geführtes Prozessmanagementsystem bringt Ordnung, schafft Transparenz und bildet die Grundlage für moderne Werkzeuge wie KI“, so Baugewerbe-Vertreter Hartl. Der aktuelle Anwendungsgrad liegt laut Studie bei 62 Prozent: Ein Wert, der die bestehenden Reserven deutlich macht. Besonders in mittelgroßen Betrieben ist der Wille zur Digitalisierung durchaus vorhanden. Doch es fehlt an Know-how, personellen Ressourcen oder klarer Strategie. Die Folge: Digitale Systeme werden eingeführt, aber nicht konsequent genutzt. Mitarbeiter*innen arbeiten weiter parallel in gewohnten Strukturen – das führt zu Inkonsistenzen.
Als drittes zentrales Entwicklungsfeld ortet die Studie das Baustellencontrolling. Wenn Bauprojekte klar in Abschnitte und Arbeitspakete gegliedert sind und die nötigen Ressourcen exakt zugewiesen werden, verbessert sich die Steuerung unmittelbar vor Ort. „Gerade auf der Baustelle entscheidet sich, ob ein Projekt wirtschaftlich erfolgreich ist“, betont Hartl. „Wenn Bauleiter*innen und Poliere mit klaren Sollvorgaben arbeiten können, gewinnen sie nicht nur an Orientierung, sondern auch an Selbstständigkeit – und genau das macht ein Unternehmen produktiver.“ Durch transparente Vorgaben und eine begleitende Mitkalkulation können Abweichungen frühzeitig erkannt und gezielt Maßnahmen gesetzt werden.
Die Projektleiter der Studie – Baukybernetik Solutions-Geschäftsführer Hannes Kraxberger und ZAB-Geschäftsführer Harald Kopececk – sehen in den Ergebnissen des Bauproduktivitäts-Checks eine klare Aufforderung zum Handeln: „Der Bauproduktivitäts-Check zeigt, dass viele Bauunternehmen zwar erfolgreich arbeiten, aber systematische, unternehmensweite Standards fehlen und genau darin liegt ein großes Effizienzpotenzial“, meinen sie. Die Ergebnisse sollen nun helfen, gezielt Maßnahmen zur Prozessverbesserung in den Unternehmen umzusetzen.
Die ZAB arbeitet derzeit an einer Metastudie, die vorhandene Forschungsergebnisse erfassen und daraus konkrete Handlungsempfehlungen ableiten soll. Bis Februar 2026 sollen alle relevanten Studien gesichtet, verglichen und ausgewertet werden. Danach will man mit konkreten Vorschlägen an die Betriebe herantreten. ZAB-Experte Hanstein: „Produktivität beginnt nicht auf der Baustelle, sondern bei den Prozessen, die dorthin führen.“




