Interview

Ohne Beton keine grüne Transformation

08.09.2025

Anton Glasmaier, Geschäftsführer des Verbands Österreichischer Betonfertigteilwerke (VÖB), im Interview mit der Bauzeitung. Er vertritt eine klare Meinung: Wenn man die Bauwirtschaft ernsthaft dekarbonisieren will, muss man die nachhaltige Transformation bei mineralischen Baustoffen fördern.

Herr Glasmaier, der Baustoff Beton steht in der Öffentlichkeit häufig in der Kritik, während Holz medial und politisch als nachhaltige Alternative gefeiert wird. Das gefällt Ihnen vermutlich nicht. Was stört Sie besonders?
Anton Glasmaier:
Mich stört vor allem die unausgewogene Betrachtung. Wenn man sich die tatsächlichen Mengenverhältnisse ansieht, sprechen wir im Neubau von rund 90 Prozent mineralischen Baustoffen – Beton und Ziegel – und nur etwa zehn Prozent anderen Materialien wie Holz oder Stahl. In manchen Regionen wie Vorarlberg oder Tirol mag der Holzanteil etwas höher sein, aber im österreichischen Schnitt liegt er bei etwa vier Prozent. Trotzdem wird Holz überproportional gefördert, und das empfinde ich als marktverzerrend.

Kein Hebel bei Holz

Können Sie das konkretisieren?
Es gibt Projekte, bei denen die Förderung für Holzbauweise bei bis zu 75 Euro pro Quadratmeter Nutzfläche liegt. Das übersteigt teilweise sogar den Verkaufspreis von Beton. Das ist kein kleiner Anreiz, sondern ein massiver Eingriff in den Markt. Wenn ich ein Produkt fördere, das nur vier Prozent Marktanteil hat, ist das aus klimapolitischer Sicht kein großer Hebel. Warum konzentriere ich mich nicht auf die 90 Prozent, bei denen die größten CO₂-Einsparungen möglich sind?

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Anton Glasmaier
Anton Glasmaier

Wird das CO₂-Einsparpotenzial beim Beton denn ausreichend genutzt?
Die Zementindustrie hat in den letzten Jahren durchaus Fortschritte gemacht und etwa neun Prozent der CO₂-Emissionen je Tonne Zement im Vergleich zu vor vier Jahren reduziert. Das waren die berühmten „Low Hanging Fruits“. Für die nächsten Schritte braucht es jedoch erhebliche Investitionen – in Abscheidung, Transport und Speicherung von CO₂. Das sind Milliardenprojekte. Leider sehe ich hier noch keine ausreichende politische Unterstützung.

Fordern Sie also eine Priorisierung von Fördergeldern für die mineralische Baustoffindustrie?
Wenn wir wirklich CO₂-neutral werden wollen, führt daran kein Weg vorbei. Natürlich kann man auch Holz fördern, aber nicht mit dem Anspruch, die Bauwirtschaft zu transformieren. Denn das nötige Holz gibt es in der Menge gar nicht – wir entnehmen bereits 90 Prozent des jährlichen Holzzuwachses in Österreich. Mehr wäre nur mit Aufforstung möglich, deren Effekte Jahrzehnte brauchen.

Und selbst wenn mehr Holz verfügbar wäre?
Selbst dann ist der Hebel beschränkt. Wenn ich bei einem Material mit vier Prozent Marktanteil eine Steigerung um zehn Prozent erreiche, bin ich bei 4,4 Prozent. Das bringt uns auf dem Weg zur Klimaneutralität kaum weiter. Wir müssen dort ansetzen, wo die großen Volumina sind – bei Beton, bei Ziegeln, bei mineralischen Baustoffen. Und es geht nicht nur um die Produktion: Auch Recycling spielt eine zentrale Rolle.

Inwiefern?
Wir sprechen in der Branche längst nicht mehr nur vom Frischbeton. Beton kann am Lebensende eines Gebäudes wiederverwertet werden – als Recyclingmaterial, etwa im Straßenbau oder sogar wieder im Hochbau. Damit schließen wir den Materialkreislauf, was ökologisch extrem relevant ist. Hier steckt viel Potenzial, das von außen oft übersehen wird.

Sprechen wir über einen anderen Aspekt: In der Branche hat sich der Begriff „Holz-Hybrid-Gebäude“ durchgesetzt. Was halten Sie von diesem Begriff?
Das ist gutes Marketing, aber selten korrekt. Die meisten sogenannten Holz-Hybrid-Gebäude bestehen zu großen Teilen auch aus Beton. Trotzdem spricht niemand von Beton-Holz-Hybriden. Es scheint, als würde das Wort „Holz“ im Namen automatisch das Image aufwerten – obwohl der Betonanteil oft dominiert. Hier wäre eine klare Definition hilfreich: Der Baustoff, der mehrheitlich verwendet wird, sollte auch im Namen vorkommen. Alles andere ist irreführend.

Hat Beton Ihrer Meinung nach ein Imageproblem?
Bei Bauherren, Planern und in der Fachwelt nicht. Das Problem liegt eher beim Endverbraucher. Holz hat durch seine Natürlichkeit einen Sympathiebonus, während Beton oft mit negativen Begriffen wie „Bodenversiegelung“ oder „Zubetonieren“ assoziiert wird. Dabei hat Beton enorme Vorteile: Langlebigkeit, Statik, Brandschutz, Widerstandsfähigkeit – und durch Bauteilaktivierung auch energetisches Potenzial. Leider ist das in der öffentlichen Debatte oft unterrepräsentiert.

Woher kommt Ihrer Meinung nach diese negative Emotionalisierung?
Sie hat sich in den letzten Jahren verstärkt. Früher war ein Baukran ein Symbol für Fortschritt – heute wird er oft als Bedrohung wahrgenommen. Dazu kommt das Floriani-Prinzip: Niemand will einen Steinbruch oder eine Kiesgrube vor der Haustür, aber dass Baumaterialien auch irgendwo herkommen müssen, wird gerne ausgeblendet.

Sehen Sie in der Bevölkerung ein grundsätzliches Missverständnis über die Funktionsweise Ihrer Branche?
In Teilen, ja. Unsere Branche ist hoch regional organisiert. Transportbeton beispielsweise wird in einem Umkreis von 10 bis 30 Kilometern geliefert. Viele Werke nutzen bereits elektrische Förderbänder oder Systeme mit Eigengewicht, um Rohstoffe effizient zu transportieren. Diese Bemühungen kommen in der öffentlichen Wahrnehmung kaum an. Nachhaltigkeit heißt nicht nur nachwachsender Rohstoff, sondern auch kurze Wege, Recyclingfähigkeit, Langlebigkeit. Und genau das bietet Beton.

Was wünschen Sie sich für die künftige Debatte rund ums Bauen?
Einen faktenbasierten, ganzheitlichen Zugang. Ich bin nicht gegen Holz – im Gegenteil. Jedes Material hat seine Berechtigung. Aber wir müssen weg von ideologisch geprägten Diskussionen und hin zu einer Betrachtung, die Wirkung, Volumen und Effizienz im Blick hat. Fördergelder sollen dort ansetzen, wo der CO₂-Hebel am größten ist. Und das ist nun mal bei Beton der Fall. Wir als Branche stehen bereit, Verantwortung zu übernehmen – aber dazu braucht es auch den politischen Willen, uns dabei zu unterstützen.