Restzahlung gestoppt: OGH gibt Auftraggebern recht
Auch nach Ablauf der Gewährleistungsfrist können Auftraggeber den Werklohn zurückbehalten – sofern ein Anspruch auf Schadenersatz zur Verbesserung besteht. Der Oberste Gerichtshof sorgt damit für mehr Klarheit in der Praxis.

Was tun, wenn ein Bauwerk Mängel aufweist, aber die Gewährleistungsfrist schon abgelaufen ist? Der Oberste Gerichtshof hat in einer aktuellen Entscheidung (4 Ob 78/25m vom 24. Juni 2025) klargestellt: Auch in diesem Fall darf der Auftraggeber den Werklohn zurückbehalten – sofern er einen Schadenersatzanspruch auf Verbesserung gemäß § 933a ABGB geltend macht. Die Entscheidung bringt Rechtssicherheit und ist vor allem für Bauverträge mit langen Ausführungs- oder Abnahmefristen relevant.
Im konkreten Fall begehrte der Auftragnehmer den Werklohn für eine durchgeführte Terrassensanierung. Der Auftraggeber bezahlte jedoch nicht – mit dem Hinweis auf vorliegende Mängel. Die Gewährleistungsfrist war zum Zeitpunkt des Gerichtsprozesses bereits abgelaufen, weshalb die Gewährleistungsansprüche (Verbesserung oder Preisminderung) nicht mehr durchsetzbar waren. Allerdings machte der Auftraggeber einen Schadenersatzanspruch geltend – mit dem Ziel, die Mängel dennoch auf Kosten des Auftragnehmers beheben zu lassen. Er verweigerte daher die Zahlung des restlichen Werklohns. Das ausführende Bauunternehmen klagte auf Werklohnzahlung. Das Bezirksgericht und das Landesgericht wiesen die Klage ab. Der Fall landete schließlich vor dem OGH.
OGH: Anspruch auf Verbesserung rechtfertigt Zurückbehaltung
Das Höchstgericht bestätigte die Vorinstanzen: Ein Auftraggeber darf die Zahlung des Werklohns zurückhalten, solange ein Anspruch auf Verbesserung besteht – auch wenn es sich dabei nicht um einen (verfristeten) Gewährleistungsanspruch, sondern um einen Schadenersatzanspruch handelt.
Im konkreten Fall stand fest, dass der Auftragnehmer die Mängel verschuldet hatte. Damit konnte der Auftraggeber gestützt auf § 933a ABGB Schadenersatz in Form der Verbesserung verlangen – und bis zur Behebung der Mängel den Werklohn zurückbehalten.
Laut OGH ist der Werklohn dann nicht fällig, wenn ein Anspruch auf Verbesserung besteht (auch aus dem Titel des Schadenersatzes), die Verbesserung möglich ist und sie im Interesse des Auftraggebers liegt.
Kein Zurückbehaltungsrecht besteht hingegen, wenn der Auftraggeber die Verbesserung nicht zulässt oder verhindert, die Mängel nicht mehr behoben werden können oder er das Werk eigenständig durch Dritte fertigstellen lässt, ohne dem Auftragnehmer die Chance zur Verbesserung zu geben.
Bedeutung für die Praxis
Die Entscheidung des OGH bringt praxisrelevante Klarheit: Auch nach Ablauf der Gewährleistungsfrist kann der Werklohn zurückbehalten werden, wenn ein verschuldensabhängiger Anspruch auf Verbesserung besteht. Das bedeutet für beide Seiten:
Sicherheit für Auftraggeber: Auch wenn die Gewährleistung verjährt ist, können Auftraggeber sich auf Schadenersatz berufen und den Werklohn so lange zurückbehalten, bis die Mängel behoben sind.
Mängelbehebungspflicht für Auftragnehmer: Die Werklohnforderung kann zurückbehalten werden, selbst wenn die Gewährleistungsfrist abgelaufen ist – solange der Auftraggeber einen begründeten Anspruch auf Verbesserung geltend macht.
Besonders wichtig ist in solchen Fällen die Frage, ob die Verbesserung noch im Interesse des Auftraggebers liegt. Wird etwa ein Dritter mit der Sanierung beauftragt oder verweigert der Auftraggeber die Mängelbehebung, erlischt das Zurückbehaltungsrecht – und der Werklohn wird fällig.
Praxistipp
Für Auftraggeber: Bei Mängeln sollte die Restzahlung des Werklohns nur dann geleistet werden, wenn die Mängel tatsächlich behoben wurden oder die Verbesserung nicht (mehr) verlangt wird. Schadenersatzansprüche können auch nach Ablauf der Gewährleistung ein wirksames Mittel sein, um Mängel auf Kosten des Auftragnehmers beheben zu lassen. Für Auftragnehmer: Wer mit offenen Werklohnforderungen konfrontiert ist, sollte prüfen, ob tatsächlich noch ein Verbesserungsanspruch besteht und ob dieser rechtzeitig und nachvollziehbar geltend gemacht wurde. Dokumentation ist entscheidend: Wer zeigt, dass Mängelbehebung angeboten oder versucht wurde, kann sich gegen unberechtigte Zurückbehaltung besser wehren.
Der Autor

© MP Law
Mag. Christoph Gaar ist Partner bei Müller Partner Rechtsanwälte, Rockhgasse 6, A-1010 Wien
www.mplaw.at