Fokus Tiefbau

Bodenaushub: Haufenweise Hoffnung

29.09.2025

Gewaltige 41 Millionen Tonnen Bodenaushub fallen pro Jahr an. Er gilt bislang als Abfall – was viel Aufwand und Kosten nach sich zieht. Eine neue Verordnung soll das nun ändern. Bau und – Recyclingwirtschaft hofft auf möglichst unbürokratische Regelungen.

„Es gibt ein gewaltiges Potenzial, das bislang noch nicht genutzt wird.“ Tristan Tallafuss, Geschäftsführer des Österreichischen Baustoff-Recycling-Verbands (BRV), meint damit den Bodenaushub – ein Material, das bei nahezu jeder Baumaßnahme anfällt und bislang überwiegend als Abfall behandelt wird. Dabei, so Tallafuss weiter, „könnte es in großem Umfang direkt auf den Baustellen verwendet werden, ohne dass eine Behandlung notwendig wäre – zum Beispiel bei der Befüllung von Künetten oder als Tragschichtmaterial“. Aufbereitetes Aushubmaterial könnte sogar in die Betonherstellung einfließen, so Tallafuss. Es sei „ein gutes Beispiel dafür, wie man mit geringem Aufwand die Bürokratie reduziert, die Planbarkeit erhöht und die Kreislaufwirtschaft fördert.“

41 Millionen Tonnen

Dass hier viel zu holen ist, belegen auch die Zahlen. Laut Bundesabfallwirtschaftsplan fallen in Österreich jährlich rund 70 Millionen Tonnen Abfälle an. 41 Millionen Tonnen davon – also fast 60 Prozent – entfallen auf Bodenaushub. Damit stellt der Bodenaushub mit Abstand den größten Einzelposten im österreichischen Abfallaufkommen dar. Der Anteil liegt deutlich über jenem von Bau- und Abbruchabfällen mit 11 Millionen Tonnen und sonstigen Abfällen mit 18 Millionen Tonnen.

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Dieses Volumen macht Bodenaushub zu einem potenziellen Schlüsselrohstoff im Bauwesen. Die BRV und die Bauwirtschaft sehen darin einen strategischen Wertstoff, der – bei geeigneten rechtlichen Rahmenbedingungen – einen wesentlichen Beitrag zur Ressourcenschonung und zur Umsetzung einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft leisten könnte. Tallafuss schätzt, dass „weit mehr als die Hälfte“ dieses Materials unbedenklich und daher sofort verwertbar wäre – etwa für Erdbauarbeiten oder als Basis für Recyclingbaustoffe. Die Realität sieht bislang allerdings anders aus: Der Großteil des Aushubs landet auf Deponien. Der Grund dafür ist nicht technischer, sondern rechtlicher Natur.

Denn juristisch betrachtet wird Aushubmaterial, das bei einer Baumaßnahme anfällt, automatisch als Abfall klassifiziert – ungeachtet seiner Qualität. Ob es sich um hochwertigen Kies, lehmigen Mutterboden oder sauberen Sand handelt, spielt dabei keine Rolle. Sobald Material die Baustelle verlässt oder nicht wieder an exakt der gleichen Stelle eingebaut wird, greift das Abfallwirtschaftsgesetz (AWG). Laut AWG gelten nicht kontaminierte Böden nur dann nicht als Abfall, wenn sie im Zuge von Bauarbeiten am selben Ort wieder eingebaut werden. Wird der Aushub jedoch auf einer anderen Baustelle oder in einem anderen Bauabschnitt verwendet, gilt er als Abfall – mit entsprechenden Auflagen und Nachweispflichten.

Diese Rechtslage hat mehrere Konsequenzen. Erstens unterliegt der Aushub einer aufwändigen Dokumentationspflicht. Das Material muss gesammelt, gelagert, befundet und einem genehmigten Behandler übergeben werden. Zweitens löst jede Verwertung außerhalb der ursprünglichen Baustelle eine Beitragspflicht gemäß dem Altlastensanierungsgesetz (ALSAG) aus – konkret 9,20 Euro pro Tonne. Drittens entsteht für Bauunternehmen ein nicht unerhebliches rechtliches Risiko. Wer gegen das Abfallrecht verstößt, etwa durch unsachgemäße Lagerung oder fehlerhafte Klassifizierung, riskiert empfindliche Verwaltungsstrafen. In Summe führt dies dazu, dass viele Bauherren und Planer die Wiederverwertung scheuen – und lieber deponieren, obwohl die Materialien technisch problemlos einsetzbar wären.

Das soll sich nun ändern. Im Umweltministerium wird derzeit eine Verordnung erarbeitet, die das sogenannte „Abfallende“ für Bodenaushub rechtssicher und praktikabel definieren soll. Laut aktuellem Entwurf soll ein zertifizierter Gutachter das Material vor Ort begutachten können. Wird eine bestimmte Qualität nachgewiesen, verliert das Material seine Einstufung als Abfall. Es erhält den Status eines Produktes und kann ohne weitere abfallrechtliche Auflagen verwendet werden.

Bau- und Recyclingwirtschaft begrüßen diesen Schritt. Sie machen in einem Positionspapier zum vorliegenden Entwurf allerdings noch verschiedene Verbesserungsvorschläge. Das Ziel: möglichst unbürokratische Regelungen. Dazu zählt unter anderem der Punkt Anwendungsbeschränkungen: Wenn das Abfallende durch ein Gutachten bestätigt wird, sollte es möglichst wenige Einschränkungen bei der Verwendung geben. Aufzeichnungspflichten sollten minimiert werden. Ein anderer Punkt betrifft die Meldepflichten: Wenn das rechtliche Abfallende eines Bodenaushubs feststeht, sollte keine weitere Meldung über den Übernehmer des Materials notwendig sein.

Insgesamt, so betont Robert Rosenberger von der Geschäftsstelle Bau der WKÖ, brauche es eine einfache, klare und rechtssichere Lösung. Der Bedarf sei vorhanden, das Potenzial immens – jetzt liege es an der Politik, durch eine zielgerichtete Regelung die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Rosenberger: „Im Sinne der Kreislaufwirtschaft sollte die geplante Abfallende-Verordnung möglichst unbürokratisch und schlank gestaltet werden, damit diese in der Baupraxis auch tatsächlich angenommen wird.“