Lean macht Laune
In der Autoindustrie wird es seit Jahrzehnten mit Erfolg praktiziert – nun hält Lean Management auch in der Bauwirtschaft Einzug. Immer mehr Unternehmen nutzen es. Das Ziel: Projektlaufzeiten verkürzen, Abläufe effizienter gestalten und Ressourcen besser nutzen.

„Die gefährlichste Art von Verschwendung ist jene, die wir nicht erkennen.“ Was wie eine fernöstliche Lebensweisheit klingt, ist in Wirklichkeit eine fernöstliche Managementweisheit. Sie stammt von Shingeo Shingo, der maßgeblich an der Entwicklung des Produktionssystems des Autobauers Toyota beteiligt war. Im Westen kennen wir es unter vor allem unter einem Schlagwort: Lean Management.
Fernöstliche Weisheit
Das Zitat findet sich auf einem Power-Point-Slide von Julia Meisel, Lean Managerin beim Wiener Bauunternehmen Sedlak, das stark auf Lean Management setzt. „Es geht darum, den komplexen Vorgang des Bauens in einzelne Bausteine herunterzubrechen und diese klar und einfach darzustellen. So schafft man Transparenz“, meint sie. Diese Transparenz, so die Lean-Expertin weiter, biete die Basis für das weitere Vorgehen. Und da kann es durchaus unterschiedliche Stoßrichtungen geben. „Es kommt darauf an, welches Ziel bei dem Bauvorhaben definiert wird. Das können die niedrigsten Kosten sein, die höchste Qualität oder die kürzeste Zeit.“
Was vor vielen Jahrzehnten in der japanischen Autoindustrie begann, findet nun verstärkt seinen Weg in die Bauwirtschaft – auch in Österreich. Sedlak ist nicht das einzige Bauunternehmen, das sich mit dieser Methode befasst. Zu den Lean-Anwendern zählen unter anderem auch die Porr, Leyrer + Graf oder Handler.
„Weniger Verschwendung, mehr Fokus auf Wertschöpfung. Das ist das Erfolgsrezept von Lean Construction. In der Bauwirtschaft bedeutet das kürzere Projektlaufzeiten, effizientere Abläufe und eine optimierte Nutzung von Ressourcen.“ So versteht man bei der Porr den Ansatz. Der Konzern setzt breit auf Lean Construction. Der Erfolg zeige sich bei zahlreichen Projekten in Ländern wie Österreich, Deutschland und Rumänien.
Verschwendung systematisch zu vermeiden – ob es soeben um Zeit, Material oder Kapazitäten geht – steht im Mittelpunkt von Lean Construction bei der Porr. „Bereits im Vorfeld werden alle Arbeitsschritte eines Projekts gemeinsam analysiert, um Ressourcen optimal einzusetzen. Auf der Baustelle selbst werden die Abläufe laufend mit allen beteiligten Gewerken optimiert“, so die Porr. „Das erhöht nicht nur die Produktivität, sondern auch die Planbarkeit und Nachhaltigkeit von Bauvorhaben.“ So entstehe eine Projektabwicklung, in der sich alle Beteiligten auf Augenhöhe begegnen und das Projektziel jederzeit im Blick haben.
„Die Zukunft des Bauens liegt in der smarten Kombination von Lean-Methoden mit der Digitalisierung, etwa in Form von BIM“, ist Porr CEO Karl-Heinz Strauss überzeugt. „Die zeitlichen Vorgaben bei Bauprojekten werden immer straffer und die Anforderungen an die Qualität, nachhaltige Bauweisen und den Einsatz von digitalen Daten für intelligenteres Bauen werden immer höher. Wir können mit Lean-Methoden für unsere Auftraggeber ein Optimum herausholen und sind in diesem Bereich international führend.“
So realisierte die Porr für eine Produktionshalle eines großen Automobilherstellers in Deutschland erstmals eine gewerkeübergreifende zentrale Logistik, um den Wertschöpfungsanteil bei den Handwerkern zu steigern. Ein eigenes Logistikteam wurde etabliert und koordinierte alle Materialflüsse, steuerte die Entlastung der Aufnahmezonen und sorgte dafür, dass Material punktgenau in der richtigen Menge und Sorte am Montageort bereitgestellt wurde. Somit konnte eine Kostenersparnis im sechsstelligen Euro-Bereich erwirtschaftet werden.
Auch bei Projekten für die Wiener Netze kam Lean zum Einsatz. Im Rahmen der Sanierung und Erweiterung des Stromnetzes setzte die Porr auf das Expertenwissen ihrer Tochtergesellschaft PDE Integrale Planung. Durch visuelle Darstellungen des Prozesses und eine Vier-Wochen-Vorschau konnte man die Effizienz bei der parallelen Koordination und Abwicklung mehrerer Baustellen steigern: Die Durchlaufzeit der Baustelleneinrichtung sank um 24 Prozent, die Stillstandzeiten reduzierten sich um 17 Prozent.
Bei Sedlak ist Lean Management ebenfalls gelebte Praxis. Bereits vor dem Baustart werden in einem Workshop mit dem Bauherrn die drei zentralen Projektziele – Qualität, Zeit und Kosten – gemeinsam gewichtet. Die anschließende Planungsphase findet gemeinsam mit Statiker*innen, Fachplaner*innen und dem Bauherrn statt. Dabei verwendet man bei Sedlak durchaus auch noch analoge Tools: In den Planungssitzungen werden auf großen Plakaten mit farbigen Post-its die Gewerke, Meilensteine und Liefertermine visualisiert. „Das gibt allen Beteiligten einen Überblick – sichtbar und greifbar“, meint Lean Managerin Meisel.
Sie verdeutlicht die Bedeutung der detaillierten Abstimmung am Beispiel des Rohbaus: „Schalungspläne, Bewährung, Lieferung, Betonage und Folgearbeiten müssen exakt aufeinander abgestimmt sein – ein präzises Zusammenspiel vieler Beteiligter ist notwendig.“ Während der Bauphase wird die Ablaufplanung laufend aktualisiert. Wöchentliche Last-Planner-Sitzungen sorgen dafür, dass Fortschritte und Probleme dokumentiert werden. Ursachen für Verzögerungen – wie Materialmangel oder fehlende Freigaben – werden statistisch ausgewertet.
„Lean Management ist ein Mix aus Prinzipien, Methoden und Werkzeugen“, sagt Dieter Hofer, OE-Manager beim niederösterreichischen Bau- und Immobilienunternehmen Handler. Seit mehr als fünf Jahren arbeitet das Unternehmen mit dem eigenen Last-Planner-System Team.Fixe. Ziel ist es, Prozesse verschwendungsfrei und ausgeglichen zu gestalten – ohne Kapazitäten zu überlasten. Im Vordergrund steht bei Handler die Ablauforganisation. „Herzstück ist die Umsetzung eines visuellen Managements der zu lösenden Projektaufgabe, das allen Beteiligten einen geordneten und zielgerichteten Informationsfluss ermöglicht.“, so Hofer. „Die Komplexität in den Bauprojekten wird reduziert, dadurch Stress vermieden und gleichzeitig die Durchlaufzeit verkürzt.
Auch bei Handler führt man wöchentlich moderierte Baustellenbesprechungen durch. Diese dauern selten länger als eine Stunde, ermöglichen aber ein genaues Tracking aller Leistungsprozesse – unabhängig von der Projektgröße. „Wesentlich ist der Austausch mit den Prozesseignern unserer Wertschöpfungspartner“, betont Hofer. Zudem bedeutet Lean Management laufende Verbesserung. Hofe: „Nach jedem Projekt gibt es einen moderierten Reflexionsworkshop, wo die Erfahrungen und gemessenen Kennzahlen aufgearbeitet werden und der kontinuierliche Verbesserungsprozess vorangetrieb