Recycling

Gips mit Grips

10.11.2025

Im niederösterreichischen Stockerau hat die erste Recyclinganlage Österreichs für Gipsabfälle ihren Betrieb aufgenommen. Betrieben wird sie den Branchengrößen Porr, Saint-Gobain und Saubermacher. Die hochmoderne Anlage hat eine Kapazität von 60.000 Tonnen – und kann damit mehr als die Hälfte des Gipsabfallaufkommens in Österreich verarbeiten, das auf rund 100.000 Tonnen pro Jahr geschätzt wird.

Die beste Pointe des Tages setzte Christian Moser, Vizepräsident der Wirtschaftskammer Niederösterreich. In der Halle Süd, in der man hier stehe – unter den Stockerauern auch einfach als „Süd“ bekannt – habe sich früher ein Lager für Glaswolle befunden. Er sei hier in jungen Jahren als Lkw-Fahrer unterwegs gewesen. „Ich war eigentlich ein guter Fahrer, habe mich aber mit dem Zurückschieben etwas schwergetan“, gestand Moser. Dies habe zu diversen Beschädigungen an der Fassade des Gebäudes geführt. „Diese Schäden wurden nun im Zuge der Renovierung beseitigt. Darüber bin ich sehr froh.“

Gips zu Gips

Moser machte dieses Geständnis vor wenigen Wochen bei der offiziellen Eröffnung des Gips-zu-Gips-Recyclingwerks im niederösterreichischen Stockerau, nordwestlich von Wien. Abgesehen von der Beseitigung der Folgen jugendlicher Fahrfehler bietet das Projekt einen weiteren großen Vorteil: Es ist die erste Anlage dieser Art in Österreich. Sie kann Gipsabfälle von Baustellen zu Rezyklat verarbeiten, das in weitere Folge bei der Produktion von neuen Gipskartonplatten verwendet wird. „Das schont die natürlichen Vorkommen und setzt den Weg frei für die Umsetzung der Recyclinggips-Verordnung und des kommenden Deponierungsverbots“, meint man bei Saint-Gobain. Besagtes Verbot tritt am 1. Jänner 2026 in Kraft. Ab diesem Datum dürfen Gipsabfälle in Österreich nicht mehr deponiert werden.

Advertorial

Das neue Recyclingwerk in Stockerau startet also zur rechten Zeit. Es wird vom Unternehmen GZG Gipsrecycling betrieben – ein Joint Venture von Saint-Gobain, das Unternehmen ist Österreich vor allem mit der Marke Rigips bekannt, dem Baukonzern Porr und dem Abfall-Spezialisten Saubermacher. Die Anlage hat bereits im Sommer 2025 damit begonnen, die ersten Gipsabfälle anzunehmen. Sie hat im Endausbau eine Jahreskapazität von 60.000 Tonnen und ist damit in der Lage, den Bedarf im Osten von Österreich abzudecken. GZG-Geschäftsführer Julian Lechner ortet großes Interesse vom Markt, er geht aber nicht davon aus, gleich im ersten Jahr voll ausgelastet zu sein. „Wir schätzen, dass wir 2026 rund 15.000 Tonnen an Material bekommen werden“, so Lechner. Man stehe erst am Anfang und die Logistikketten müssten erst aufgebaut werden.

Bei den Kunden der Anlage handelt es sich vor allem um spezialisierte Unternehmen, die die Gipsabfälle von den Baustellen einsammeln und behandeln. Mit ihnen stehe man im engen Kontakt, um die Partnerschaften aufzubauen, erläutert Lechner. Österreichweit wird das jährliche Aufkommen an Gipsabfall auf rund 100.000 Tonnen geschätzt. Der Zielmarkt der GZG ist aufgrund der geografischen Lage vor allem der Osten Österreichs, aber bei der Akquise kommuniziert man in der aktuellen Aufbauphase österreichweit.

Gips ist zu 100 Prozent recycelbar und ist daher sehr gut für die Kreislaufwirtschaft geeignet. Im ersten Schritt werden die Abfälle dafür in Stockerau in einer speziell entwickelten mechanischen Abfallbehandlungsanlage für die weitere Verarbeitung vorbereitet. Dazu wird der Gipskern von Karton und anderen Störstoffen getrennt, zerkleinert und einer Qualitätskontrolle unterzogen. Danach wird das hergestellte Rezyklat zu Saint-Gobain nach Bad Aussee gebracht. Bis zu 40 Prozent des Rezyklats können dort in neuen Gipskartonplatten verarbeitet werden. Der Transport erfolgt emissionsreduziert mit der Bahn; die Anlage in Stockerau hat dafür einen eigenen Bahnanschluss.

Die Beteiligten an dem Joint-Venture verstehen das Projekt als wichtigen Schritt zur Kreislaufwirtschaft am Bau: „Als Bauunternehmen nehmen wir unsere Verantwortung für die Nachhaltigkeit sehr ernst. Uns war es wichtig, bereits frühzeitig eine innovative Antwort auf das Deponieverbot zu schaffen und damit die Kreislaufwirtschaft in Österreich substanziell mitzugestalten“, meint Porr COO Josef-Dieter Deix. „Mit dieser Anlage haben wir einen Prozess geschaffen, der Vorbildwirkung hat: Der früher als wertlos erachtete Gipsabfall wird in ein wertvolles Recyclingmaterial umgewandelt.“

Benoit Bazin, Präsident und CEO der Saint-Gobain Gruppe, ist davon überzeugt, dass nachhaltiges Bauen „ein Umdenken, wie wir Materialien entwickeln, herstellen und wiederverwerten“ erfordert. „Der Übergang zur Kreislaufwirtschaft ist unerlässlich, da er den Ressourcenverbrauch, beispielsweise von Gips, senkt, die Lebensdauer von Produkten verlängert und Recycling fördert.“ Peter Giffinger, CEO Austria bei Saint-Gobain, ergänzt: „Seit 2019 arbeiten wir daran, Gips in einen geschlossenen Recyclingkreislauf zu bringen. Die Frage, warum es uns trotz der jahrtausendelangen Bedeutung von Gips als Baustoff nicht gelungen ist, ihn nachhaltig wiederzuverwenden, hat mich stets beschäftigt. Heute können wir stolz sagen, dass wir einen bedeutenden Schritt in Richtung Kreislaufwirtschaft gemacht haben“, so Giffinger bei der Eröffnung.

Saubermacher-Gründer Hans Roth sieht die Anlage als „Meilenstein für die Kreislaufwirtschaft in Österreich: Erstmals wird Gips im industriellen Maßstab wieder in den Stoffkreislauf zurückgeführt. Indem wir Gipsabfälle hochwertig recyceln, reduzieren wir Deponievolumen, sparen Primärrohstoffe und senken Emissionen“, so Roth. „Gemeinsam mit unseren Partnern PORR und Saint-Gobain setzen wir ein starkes Zeichen für Innovation und Verantwortung in der Bauwirtschaft und sichern zugleich die Versorgung mit nachhaltigen Rohstoffen für die Zukunft.“