Kontrolle ist gut, Kooperation ist besser
Komplexe Bauvorhaben werden immer häufiger mit sogenannten „Allianzmodellen“ umgesetzt. Der Ansatz dabei: Kontrolle ist gut, Kooperation ist besser. Das Ziel: Durch ein kluges rechtliches Konstrukt die Zusammenarbeit verbessern – und damit Zeit und Geld sparen.
„Wir werden am Open Books festhalten und anhand weiterer Projekte mit Allianzmodellen Erfahrungen darüber sammeln.“ Was Judith Engel, Mitglied des Vorstands der ÖBB Infrastruktur AG, kürzlich auf einer Fachveranstaltung von der Österreichischen Bautechnikvereinigung (ÖBV) und Heid und Partner Rechtsanwälte formulierte, beschreibt einen wichtigen Trend in der Abwicklung großer Infrastrukturprojekte in Österreich: Immer häufiger greifen die Auftraggeber bei komplexen Projekten zu sogenannten Allianzverträgen, Open Books ist ein Bestandteil dieses Ansatzes.
Seit 30 Jahren im Einsatz
In Deutschland sind Allianzverträge unter dem Begriff IPA bekannt. Sie werden international bereits seit mehr als 30 Jahren vor allem bei großen Infrastrukturprojekten verwendet. In Österreich wurde 2017 beim Gemeinschaftskraftwerk Inn das erste Vorhaben auf Basis eines Allianzvertrags umgesetzt. Seither wächst die Zahl stetig: Bislang kam das Modell in Österreich bei 16 Projekten zum Einsatz. Fünf sind abgeschlossen, neun laufen derzeit, zwei befinden sich in Vorbereitung. Vor allem große Infrastrukturbetreiber wie die Asfinag, die ÖBB oder Energieversorger setzen auf die Vorzüge dieser Modelle. Es gibt aber auch erste Hochbauprojekte. Dazu zählen beispielsweise der FH Campus in Wien oder das Verteilerzentrum des Einzelhändlers DM in Kronstorf.
Der Name deutet es bereits an: Allianzverträge zeichnen sich durch einen partnerschaftlichen Ansatz aus. Dazu zählen ein partnerschaftliches Vergütungsmodell, gemeinsame Projektziele und eine enge Zusammenarbeit aller Beteiligten. Doch was genau verbirgt sich hinter einem Allianzmodell? Im Kern steht die Abkehr vom klassischen Vergabeverfahren mit starren Verträgen und einseitiger Risikoabwälzung. Stattdessen wird auf eine enge Kooperation zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer gesetzt.
Ganz zentral dabei ist die vollständige Transparenz bei den Kosten – sogenannten Open-Book-Abrechnungen – und einer Bonus-Malus-Systematik, die alle Beteiligten dazu motiviert, gemeinsam wirtschaftlich und effizient zu arbeiten. Der Begriff „Open Book“ steht dabei sinnbildlich für das grundlegende Prinzip: „Sämtliche Kosten, die den ausführenden Unternehmen entstehen, werden offengelegt und ohne Aufschläge dem Kunden weiterverrechnet – ergänzt um Zuschläge für Geschäftsgemeinkosten, Bauzinsen, einer vereinbarten Gewinnmarge“ und weiteren Kosten, “, Daniel Deutschmann von der auf derartige Verträge spezialisierten Rechtsanwaltskanzlei Heid & Partner. „Dieser Teil der Vergütung entspricht einem Cost-Plus-Fee-Modell.“
Ein reines Cost-Plus-Fee-Modell hätte allerdings einen nicht ganz kleinen Haken: Da dem Auftragnehmer die Erstattung seiner Kosten vertraglich garantiert ist, hat er kein Incentive, diese zu senken. Um dies zu verhindern, wird im Allianzvertrag eine Zielkostenlinie vereinbart. Sie stellt die Null-Linie für eine Bonus-Malus-Reglung dar. „Liegen die tatsächlichen Projektkosten unter dieser Linie, gibt es einen Bonus, der zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer aufgeteilt wird. Liegen die Kosten darüber, gibt es einen Malus, der vom Zuschlag des Auftragnehmers abgezogen wird“, erläutert Experte Deutschmann.
Viele Vorteile der Allianzverträge
Die Höhe von Bonus und Malus kann je nach Vertrag unterschiedlich festgelegt sein. „Im Maximalfall kann der gesamte Zuschlag verloren gehen. In vielen Verträgen ist das aber gedeckelt, zum Beispiel auf 50 oder 75 Prozent. Auch beim Bonus gibt es Verträge mit oder ohne Cap“, so Deutschmann. Manche Modelle staffeln die Aufteilung: Bei Einsparungen zwischen null und zehn Prozent etwa erhält der Auftragnehmer 40 Prozent des Bonus, der Auftraggeber 60. Bei zehn bis 20 Prozent Einsparung sind es dann 20 zu 80 Prozent. Deutschmann: „Entscheidend ist, dass der Bonus hoch genug ist, um für alle Projektpartner attraktiv zu sein, damit sie ein echtes Interesse haben, die Kosten zu senken.“
Ein wichtiges Merkmal von Allianzverträgen ist zudem der Umgang mit Risiken. Sie werden klar definiert und in drei sogenannte Risikosphären eingeteilt: jene von Auftraggeber, Auftragnehmer und gemeinsame Risiken. Die gemeinsamen Risiken umfassen in der Regel Baugrundrisiken, Wetter oder Planungsrisiken – also alles, was nicht einseitig von einem Vertragspartner beeinflussbar ist. „Für diese Risiken wird ein Puffer kalkuliert und in die Zielkosten aufgenommen“, schildert Deutschmann. Der große Vorteil: „So spart man sich im Nachhinein endlose Diskussionen und Rechtsstreitigkeiten. Wenn ein Risiko schlagend wird, liegt der Fokus nicht darauf, den Schuldigen zu suchen und die Zielkosten zu erhöhen, sondern eine Lösung zu finden.“
Der partnerschaftliche Ansatz in diesen Modellen zeigt sich auch im Projektmanagement: Anstelle separater Zuständigkeiten wird ein sogenannter „Allianzvorstand“ gebildet, das paritätisch besetzt ist und Entscheidungen gemeinsam trifft. Es steuert das Projekt. Für die operative Abwicklung sorgt ein Allianz-Managementteam, das nach dem Prinzip „Best Person for the Job“ zusammengesetzt wird.
Dabei zählt vor allem die fachliche Kompetenz, aber nicht nur. Auch die soziale Passung spielt bei der Auswahl der Kandidat*innen eine Rolle. „Man überprüft, wie die Teams von Auftraggeber und Auftragnehmer zusammenarbeiten“, beschreibt Deutschmann. In Assessment-Workshops mit wirtschaftspsychologischer Begleitung werden soziale und technische Kompetenzen evaluiert. Ziel sei es, nicht den günstigsten Anbieter zu wählen, sondern jenen, der das beste Ergebnis liefert. „Wir wollen keinen, der uns zuerst EUR 100 Millionen anbietet und dann EUR 200 Millionen abrechnet. Sondern wir wollen jemanden, der uns ehrlich EUR 120 Millionen anbietet und dann auch EUR 120 Millionen abrechnet“, sagt Deutschmann.
Obwohl Allianzverträge bisher hauptsächlich bei großen Infrastrukturprojekten eingesetzt werden, schließen Fachleute auch einen breiteren Einsatz nicht aus. Dafür ist das sogenannte „Allianzmodell Light“ gedacht. Dieses verzichtet auf die aufwendige Open-Book-Abrechnung und setzt bei kleineren Bauvorhaben mit gut planbaren Tätigkeiten – etwa dem Straßenbau – auf Tagespauschalen mit einem entsprechenden Anreizsystem. Auch im Hochbau könnten Allianzmodelle künftig häufiger zur Anwendung kommen. „Die bisherigen Erfahrungen mit dem Modell sind sehr gut“, meint Fachmann Deutschmann. „Ich gehe davon aus, dass die Auftraggeber es bei komplexen Projekten verstärkt einsetzen werden.“
Leitfaden:
Im Shop der ÖBV ist das Merkblatt „Alternative Vertrags- und Vergabemodelle“ erhältlich: https://www.bautechnik.pro/shop




