Klare Worte

Sind Messen noch zeitgemäß?

01.12.2025

Die einen sagen ja, die anderen auf keinen Fall. Aber es gibt sie noch, die Leuchttürme unter den Messen - wie die Heimtextil in Frankfurt. Wie diese Messe tickt, wo der Fokus liegt und wie man es anlegen kann erzählt mit Bettina Bär, Show Director der Heimtextil, im Interview.

COLOR: Das Format „Messe“ befindet sich derzeit in einer nicht ganz einfachen Situation. Kosten steigen, Unternehmen sind vorsichtiger, ebenso Besucher. Warum
sollte man als Aussteller trotzdem Präsenz zeigen?

Bettina Bär: Wir erleben eine Zeit, in der sich vieles verändert – wirtschaftlich, politisch, technologisch. Märkte sind in Bewegung, Unternehmen müssen flexibel bleiben. Mit dem digitalen Wandel durch KI kommt eine neue Dynamik dazu. Gerade in diesem Umfeld sind Messen wichtiger denn je. Sie sind mehr als ein Schaufenster: Sie sind strategische Partner und Impulsgeber. Messen übersetzten Veränderung in Fortschritt und zeigen, wie die Branche auf aktuelle Herausforderungen reagieren kann. Sie gestalten den Wandel aktiv mit: Auf der Heimtextil greifen wir Entwicklungen früh auf, stoßen neue Ideen an und geben Orientierung bei Themen wie KI, Nachhaltigkeit oder Materialinnovation. Gleichzeitig machen wir Produkte erlebbar. Stoffe muss man fühlen – vor allem in der Textilwelt zählen Haptik, Materialität, Struktur. Und: Messen sind Begegnungssorte auf globaler Ebene. Nur hier treffen Entscheider*innen, Einkäufer*innen, Planer*innen, Designer*innen, Händler*innen, Hersteller*innen und Presse aus aller Welt aufeinander. Diese Dichte an relevanten Neukontakten ist einzigartig. Diese Live-Erlebnisse und persönlichen Kontakte schaffen Vertrauen und Markenbindung, die online so nicht entstehen. Messen stärken Innovation, Sichtbarkeit und Beziehungen – und sind ein Invest in die Zukunft.

Auch der Messebesuch selbst hat sich stark verändert. Was muss heute eine Messe können, um für die Besucher attraktiv zu sein und es nachhaltig auch zu bleiben?

Eine Messe muss heute kuratieren, inspirieren und vernetzen. Besucher*innen erwarten Orientierung und neue Perspektiven in einem überkomplexen Markt. Wir schaffen Räume für Austausch, in denen sich Branchenakteure aus aller Welt begegnen, Ideen teilen und Zukunft gemeinsam gestalten. Das gelingt über klare Themenführungen, hochwertige Präsentationen und kuratierte Sonderflächen, die zeigen, was die Branche bewegt. Die Heimtextil liefert dafür konkrete Impulse: neue Materialien, nachhaltige Lieferketten, technologische Lösungen. Unsere Aussteller bieten einen einzigartigen globalen Produktüberblick und zeigen, wohin sich die Branche bewegt. Über Sonderschauen, Trendpräsentationen und Expert*innen vermitteln wir zusätzlich praxisnahes Know-how und Best-Practices. Eine Messe muss heute Relevanz stiften – mit zukunftsfähigen, businessfördernden Konzepten und Begegnungen.

Advertorial

Frankfurt ist nach wie vor ein Messestandort, der gut funktioniert. Andere scheitern bereits. Umdenken müssen jedoch alle. Ist noch Zeit dafür, „Messe“ neu zu denken?

Der Markt ist im Wandel – und das betrifft uns alle. Unsere Aussteller*innen, Besucher*innen und Partner*innen müssen sich den volatilen Bedingungen flexibel anpassen, um relevant zu bleiben. Stillstand ist keine Option, auch nicht für Messen. Zusammen mit der Branche entwickeln wir uns entlang ihrer Bedürfnisse kontinuierlich weiter. Messen bieten einen globalen Marktüberblick. Gleichzeitig müssen sie Formate schaffen, die auf Community und Content setzen, die Austausch, Wissen, Orientierung und Inspiration fördern. Frankfurt hat dafür ideale Voraussetzungen: Hier kommen Kompetenz, Infrastruktur und Internationalität zusammen – vom Messegelände, über den Flughafen bis zur Hotellerie. „Messe neu denken“ bedeutet daher, smart und relevant zu bleiben: mit klaren Inhalten, einem einzigartigen Angebot und messbarem Mehrwert für alle Beteiligten.

Freund oder Feind? Für viele Kreative ist Künstliche Intelligenz ein Angstthema. Bei der Heimtextil „fürchtet“ man sich nicht davor, sondern holt sie bewusst an Bord und thematisiert sie ganz offen. Warum ist das wichtig?

KI verändert alle kreativen Branchen – von Planung und Produktentwicklung, über Design und Produktion bis zur (Innen-)Architektur. Wir vermitteln Kompetenz und machen neue Chancen sichtbar. Auf der Heimtextil zeigen wir der Branche, wie KI neue Gestaltungsspielräume eröffnet – etwa bei der Entwicklung individueller Muster, Farbkonzepte oder nachhaltiger Materialien. KI ist ein Werkzeug. Es schafft Freiraum für das, was wir Menschen am besten können: Ideen entwickeln, Emotionen wecken, Geschichten erzählen. Auf der Heimtextil zeigt sich das ganz konkret: Wegweisend sind hier unsere progressiven Heimtextil Trends 26/27, die gezielt KI und Textilhandwerk zusammen denken. Oder die Sonderschau „among-all“ der Stardesignerin Patricia Urquiola, die KI-generiertes Textildesign in einen immersiven Raum überträgt.

Sie sprechen in Zusammenhang mit KI auch von einer künftigen „Hyper-Individualisierung“ und von „Connectivity“. Worauf muss sich die Branche einstellen?

Wir sehen, dass Konsument*innen sich über Gestaltung zunehmend selbst ausdrücken – auch im Wohnen. Textilien, Farben, Materialien sind Identitätsmerkmale. Diese Hyperindividualisierung wird durch Technologie unterstützt: KI-Design, On-Demand-Produktion, 3D-Konfiguratoren ermöglichen es, Produkte auf individuelle Bedürfnisse konkret zuzuschneiden. Gleichzeitig wächst der Wunsch nach echter Verbindung – zu Marken, Communities, Werten. Das ist die neue Konnektivität. Diese Entwicklung zeigt sich auch im Handel und Hospitality. Ob beim Einkaufen, im Hotel oder Restaurant: Gäste und Kund*innen wollen nicht nur konsumieren. Vielmehr geht es um hochpersönliche Erlebnisse. Für die Branche heißt das: Produkte, Räume und Konzepte müssen flexibler, emotionaler, und adaptiver werden, um einzigartige Erlebnisse, echtes Vertrauen und Markenbindung zu schaffen.

Wie können Unternehmen und Handwerksbetriebe dieses Hintergrundwissen erfolgreich umsetzen?

Indem sie sich inspirieren lassen, zuhören, vernetzen – und vor allem: ausprobieren. Eine Messe liefert nicht nur Inspiration, sondern konkrete Handlungsimpulse. Wer offen ist für neue Materialien, nachhaltige Produktionswege oder KI-Lösungen, kann sein Angebot gezielt weiterentwickeln und Türen öffnen: zu neuen Kundengruppen, neuen Partnern, neuen Märkten. Besonders im Handwerk sehe ich großes Potenzial: Individualisierung, lokale Fertigung und Digitalisierung ergänzen sich perfekt und schaffen neue Chancen für kreative, marktfähige Lösungen. Unsere Aufgabe als Messe ist es, dafür Brücken zu bauen – zwischen Wissen und Praxis, zwischen Idee und Umsetzung. Am Ende bleibt: Messe ist ein Resonanzraum. Sie lebt von Begegnung, Austausch und Emotion. Und genau das wird in einer zunehmend digitalen Welt wertvoller denn je.