Kein Vermessen beim Vermessen
Digitale Technologie wird in der Vermessungstechnik am Bau immer wichtiger – vor allem bei komplexen Bauwerken und im Bestand: Der Siegeszug von 3D-Laserscannern, Drohnen und KI ist nicht aufzuhalten. Der Vorteil in drei Worten: schneller, sicherer, vollständiger.
Hier entstehen auf 70.000 Quadratmetern neue Einkaufs- und Gastronomieangebote und Aufenthaltszonen für die Fluggäste. 420 Millionen investiert der Flughafen Wien in die Terminalerweiterung – die sogenannte „Süderweiterung“. 2027 soll sie in Betrieb gehen. „Unser Flughafen wächst, die Passagierzahlen legen zu und bei der Servicequalität sind wir international stets ganz vorne dabei – nun bringen wir auch die Terminalinfrastruktur auf internationales Top-Niveau“, so Flughafen-Vorstand Julian Jäger beim Baustart.
3D-Scanner: schnell und präzise
Top-Niveau ist ein gutes Stichwort: Damit beim Bau alles auch wirklich exakt so läuft wie geplant, kommt regelmäßig ein Laserscanner zum Einsatz. „Die schnellen Aufnahmen ermöglichen es dem Auftraggeber mehrmals pro Woche zu prüfen, ob exakt nach Planung eingebaut wurde. Die Bauleitung kann so zeitnah reagieren. Das erhöht Bauqualität, Termin- und Kostensicherheit“, erläutert Nikolaus Studnicka, Manager Terrestrial Laser Scanning Division beim heimischen 3D-Laserscanner-Hersteller Riegl.
Laserscanner werden am Bau immer öfter eingesetzt. „Hat man vor circa zehn bis 15 Jahren noch sehr viele Aufnahmen mit klassischen Vermessungstechnologien wie Totalstationen und GNSS-Instrumente erledigt“, so setze man heutzutage in sehr vielen Bereichen wie Gebäudebestandsaufnahme und Infrastrukturaufnahmen „fast ausschließlich Laserscanner und oder Drohnen ein“, meint Michaela Ragossnig-Angst, Geschäftsführerin des Wiener Vermessungsunternehmens Angst Vermessung. „Dieser Trend wird sich fortsetzen, da die Handhabung immer einfacher und die Datenaufnahme immer genauer wird.“ Riegl-Manager Studnicka formuliert es so: „Der Laserscanner hat sich von einem Spezialinstrument für einzelne Vermessungsaufgaben zur praktischen Standardlösung für die Bestandsaufnahme und die baubegleitende Qualitätskontrolle entwickelt.“
„Schneller, sicherer, vollständiger“, bringt Ragossnig-Angst die Vorzüge von Laserscanner bündig auf den Punkt. Etwas ausführlicher: „3D-Laserscanner liefern dichte, millimetergenaue Punktwolken in kurzer Zeit – berührungslos und ohne Eingriffe in den Betrieb. Das minimiert Begehungen in Gefahrenbereichen, reduziert Nachträge durch lückenlose Bestandsdaten und schafft eine belastbare Grundlage für Scan-to-BIM, Kollisionsprüfung und Abnahmen.“
Aus Sicht von Riegl-Experten Studnicka bieten 3D-Laserscanner vor allem zwei Vorteile: „Höchste Präzision und extreme Geschwindigkeit.“ Ein moderner terrestrischer Laserscanner wie der Riegl VZ-600i erfasst in weniger als einer Minute pro Scanposition seine gesamte Umgebung und erzeugt eine hochauflösende Punktwolke mit Millimetergenauigkeit. Gleichzeitig werden kalibrierte Fotos aufgenommen, mit denen die Punktwolke fotorealistisch eingefärbt werden kann. Außerdem wird aus den Fotos pro Scanner-Position ein hochauflösendes Panoramafoto generiert, das für einen virtuellen Rundgang genutzt werden kann. Studnicka: „Dieser enorme Informationsgewinn hat den Baubetrieb verändert. Während früher einzelne Messpunkte aufgenommen wurden, steht heute ein vollständiges 3D-Abbild des Bauzustands zur Verfügung. Das ermöglicht einen unmittelbaren Abgleich zwischen Planungsmodell (BIM) und Realität und hilft, Abweichungen früh zu erkennen.“
Digitale Technologie hilft
Wie hilfreich die digitale Technologie in der Praxis ist, zeigt sich am Beispiel der ehrwürdigen Notre-Dame de Paris. Beim Wiederaufbau der durch einen Brand stark beschädigten Kathedrale wurden Lasercans verwendet, die vor dem Brand erstellt worden waren. Diese auf fünf Millimeter genauen Messungen dienten, kombiniert mit neuen Messungen und aktuellen Drohnenaufnahmen, als Referenzmodell für Stabilisierung, Planung der Restaurierung und Qualitätsprüfung.
Aber auch im Neubau kommt die moderne Vermessungstechnologie immer häufiger zum Einsatz. Vor allem für den Nachweis von Verformungen und um zu dokumentieren, dass zulässige Toleranzen im Hochbau eingehalten wurden, erweist sie sich oftmals als unverzichtbar, wie Jürgen Stricker, Geschäftsführer des Bauunternehmens und Planungsbüros CAD Office, erläutert. Stricker schildert dies am Beispiel eines Hochregallagers für ein Versandgebäude. Hier muss bereits in der Rohbauphase sehr präzise gearbeitet werden, da für die „Folgegewerke der maschinellen Anlageteile begrenzte Toleranzen bei den Fundamentplatten und Geschossdecken vorgegeben“ sind. Diese, so Stricker weiter, „werden vor dem Start der Anlagenmontagen als Dokumentation und zum förmlichen Nachweis in Form von 3D-Scan planlich geliefert“.
Beim Bauen im Bestand erweist sich der Einsatz von Laserscanner ebenfalls als große Hilfe – gerade bei älteren Gebäuden, für die keine ausreichenden Planungsunterlagen vorhanden sind. Zudem, meint Stricker, „sind gerade bei älteren Bestandsbauten die Raumstrukturen möglicherweise schief oder über Jahrzehnte erweitert worden und können mit der Laserscan-Technologie genau aufgenommen werden. Mit der traditionellen manuellen Vermessung unter Zuhilfenahme von Zollstock oder Entfernungsmesser sei dies nur „begrenzt zielführend und mit mehr Zeitaufwand möglich“.
Bauen im Bestand
„Immer häufiger kommen für das Bestandsaufmaß Laserscanner zum Einsatz“, bestätigt Johann Nothbauer, Teamleiter Reality Capturing beim heimischen Softwareanbieter rmData, der sich auf Geometik und Vermessung spezialisiert hat. „Die Gründe liegen auf der Hand: Die Geräte werden leistungsfähiger, schneller und gleichzeitig erschwinglicher. Mit einem Scan entsteht ein vollständiges Aufmaß – kein Maß wird vergessen. Das reduziert Risiken und spart Zeit in der Planung.“
Nothbauer weist aber auch auf eine „Kehrseite der Medaille“ hin: „Laserscans erzeugen riesige Punktwolken und damit Datenmengen, deren Verwaltung und Auswertung komplex ist.“ Genau dafür biete man mit der hauseigenen Lösung rmData Reality 3D die passende Antwort: „Die Software ermöglicht eine rasche und intuitive Ableitung von Plänen und 3D-Modellen aus Punktwolken“, so Nothbauer. „Der Benutzer wird durch eine Vielzahl von praktischen Automatismen und Werkzeugen unterstützt, die direkt auf die Punktwolken-Verarbeitung zugeschnitten sind. Damit wird der Schritt vom Scan zum verwertbaren Modell deutlich vereinfacht.“
Angesichts der großen Vorteile gehen die Expertinnen und Experten davon aus, dass der Siegeszug von digitaler Vermessungstechnik am Bau nicht aufzuhalten ist. „Im Bauwesen stehen Unternehmen vor der Herausforderung, Budgets und Zeitpläne einzuhalten und gleichzeitig präzise nach Planung zu bauen.“ Angesichts des Fachkräftemangels, steigender Kosten, enger Zeitfenster und komplexer Architektur werde dies zunehmend schwieriger, meint Johann Handel, Teamlead Construction Austria beim Hersteller Leica Geosystems.
Handel verweist vor allem auf die Fehlervermeidung durch intelligente Technologien: „Zeitgerechte Tachymeter nutzen künstliche Intelligenz, um menschliche Fehler bei Aufmaß und Absteckung zu minimieren. Funktionen wie automatische Prismenverfolgung, Erkennung von Lotstabzielhöhen oder Lotstäbe mit Neigungskompensation sorgen für höchste Präzision“, so der Leica-Manager. „3D-Laserscanner erfassen komplette Räume oder ganze Baustellen, sodass teures Nachmessen“ entfalle. „Im Tiefbau unterstützen 3D-Maschinensteuerungen den Maschinisten, indem sie exakte Plandaten direkt am Display in der Kabine anzeigen“ und beispielsweise „durch den Einsatz einer Semi-Automatik Lösung von Leica“ ein Übergraben vermieden werden könne.
Handel deutlich: „Papierpläne sind veraltet, sobald sie gedruckt werden. Digitale Lösungen ermöglichen Soll-Ist-Abgleiche, Fortschrittsdokumentation und Benachrichtigungen bei Planänderungen in Echtzeit. Cloud-Systeme sichern Daten vor Verlust und machen sie jederzeit verfügbar.“ Und, so der Leica-Experte weiter, sie erleichtern die Zusammenarbeit zwischen den Gewerken: „Mit Echtzeitdaten in der Cloud können Planer und alle beteiligten Fachbereiche effizienter zusammenarbeiten, Fehler vermeiden und Projekte schneller sowie kostengünstiger umsetzen.“
„Digitale Vermessungstechnik wächst stark“, bestätigt Handel. „3D-Laserscanning Lösungen – Hardware, Software, Cloud – verzeichnen seit Jahren hohe Zuwächse, und der Trend hält an. Wir als Leica setzen auf einfache Bedienung und KI gestützte Datenverarbeitung, bieten Mietmodelle, Testlizenzen und skalierbare Cloud-Dienste, um den Einstieg zu erleichtern.“
CAD-Office-Geschäftsführer Stricker ist da allerdings etwas zurückhaltender. Er geht davon aus, dass das Wachstum sich in den kommenden Jahren abschwächen wird. „Ein großer Nachteil ist, dass nicht alle Scanner mit allen Programmen kompatibel sind, da man die Anwender auf einer Schiene behalten will und andere ausgrenzen möchte“, meint er. Nachsatz: „Dadurch, dass jedes Programm gewisse Vorteile hat, wäre hier viel Potenzial nach oben.“




