Wasted Time statt Wasted Love
Johann Marchner, Geschäftsführer von Wienerberger Österreich und Pipelife Austria, findet im Gespräch mit der Bauzeitung „Klare Worte“. Er spricht über Wasted Love, verlorene Zeit und wie er mit der Flaute im Wohnbau umgeht.
Johann Marchner über das aktuelle Geschäft.
Wir leiden natürlich unter den stark gesunkenen Volumina im Neubau – vor allem im Wohnbau. Das gilt für den mehrgeschossigen Wohnbau, aber mehr noch für den Bereich des Einfamilienhauses. Der Neubau liegt auf einem Niveau, das es seit vielen Jahrzehnten nicht mehr gegeben hat. Der Markt hat sich halbiert. Wobei mittlerweile bei unseren keramischen Produkten – von der Wand über die Fassade bis zum Dach – ein zartes Pflänzchen aufgegangen ist. Das gießen wir nun und hoffen auf gutes Wetter. In anderen Worten: Die Talsohle dürfte durchschritten sein, aber wir sind noch weit weg vom Normalniveau. Bei den Rohrsystemen schaut es besser aus: Hier hilft uns der Ausbau der Infrastruktur, vor allem der Ausbau der digitalen Netze und der Energieversorgung.

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Viel Zeit verloren
Was die österreichische Regierung mit dem European Song Contest zu tun hat:
Beim Song Contest ging es um „Wasted Love“, in der österreichischen Politik leider um „Wasted Time“: Man weiß seit zwei Jahren, was zu tun ist, um die Bauwirtschaft anzukurbeln. Geschehen ist bislang fast nichts. Die neue Regierung hat ebenfalls einige vollmundige Ankündigungen gemacht. Die müssen jetzt rasch umgesetzt werden.
Welches Versprechen der Regierung ihm besonders gut gefällt – falls Taten folgen:
Ich begrüße sehr, dass sich die Regierung zur Zweckbindung der Wohnbauförderung bekannt hat. Sie ist die Grundvoraussetzung, um einen gesunden Mix zwischen gefördertem und frei finanziertem Wohnbau zu schaffen. Nun müssen aber auch Taten folgen: Die Zweckbindung der Fördermittel bringt nur etwas, wenn die Fördertöpfe auch gefüllt werden.
Was aus seiner Sicht für eine baldige Erholung des Wohnbaus spricht – und was nicht:
Es wird die eine oder andere Initiative der Regierung und der Länder geben. Das wird helfen. Das gilt auch für das Ende der KIM-Verordnung. Auf der anderen Seite ist die Inflation in Österreich immer noch relativ hoch. Das fördert weder die Konsumlaune, noch schafft es Vertrauen. Die Zinsen sind zwar gesunken, aber noch nicht auf ein Niveau, das zu einem starken Anstieg der Investitionen in Bauvorhaben führt. Zumal die gute Verzinsung am Anleihemarkt derzeit eine attraktive Alternative darstellt. Das Kapital sucht sich seinen Weg. Ich denke daher, dass 2025 im Wohnbau noch ein schwieriges Jahr wird. Ab 2026 sollten die Maßnahmen dann nachhaltig greifen.
Wie Wienerberger Österreich mit der aktuellen Flaute im Wohnbau umgeht:
Wir müssen natürlich auf die Kosten achten und haben die Kapazitäten an den Markt angepasst. Das ist uns zum Großteil durch natürlichen Abgang gelungen. Zugleich haben wir aber unser langfristiges Ziel weiter im Blick: Da das kleinvolumige Bauen aufgrund der Debatte um die Bodenversiegelung immer schwieriger wird, setzten wir seit einigen Jahren verstärkt auf den urbanen Bereich. Ziegel kann nicht nur Einfamilienhaus. Wir haben eine Reihe von großen Projekten realisiert und einiges im Vorlauf. An diesem Kurs halten wir fest.
Welche Rolle neue Technologien beim Ziegelbau der Zukunft spielen …
Wir setzen auf neue Technologien. Dazu gehört die Produktion von Ziegelfertigteil-Wänden. Wir haben 2022 damit begonnen, und die Pipeline füllt sich stetig. Nicht zuletzt mit Blick auf den Facharbeitermangel ist die Vorfertigung ein wichtiger Ansatz. Das Gleiche gilt für den Einsatz von Ziegelrobotern. Wir haben im vergangenen Jahr als erstes Unternehmen in Europa einen Mauerwerksroboter zur Marktreife gebracht, unseren WLTR. Wir testen ihn nun weiter in mehreren Pilotprojekten und erweitern seine Fähigkeiten. WLTR kann mittlerweile auch ums Eck mauern. Ich bin davon überzeugt, dass Mauerwerksroboter in Zukunft sowohl in der Fertigung im Werk als auch auf der Baustelle eine wichtige Rolle spielen werden.
… und welche die Kreislaufwirtschaft:
Auch hier sehen wir großes Potenzial. Wir arbeiten mit der TU Graz an einem Projekt zum Thema Re-Use – also daran, komplette Wandelemente aus Ziegel zu verbauen und wiederzuverwenden. Das kann sehr interessant für den Bürobau sein oder für Filialisten, die regelmäßig ihre Standorte anpassen müssen.