Durchbruch unterm Brenner
Beim Jahrhundert-Projekt Brenner Basis Tunnel wurde an der Grenze zwischen Österreich und Italien der Durchschlag gefeiert. Tief unter der Erde – mit viel Prominenz. In den vergangenen Monaten stellte der Berg die Tunnelbauer vor erhebliche Herausforderungen.

Das Ereignis wurde gebührend zelebriert: Mit großem Pomp und Trara wurde Mitte September der Durchschlag im sogenannten Erkundungsstollen des Brenner-Basistunnels gefeiert. Rund 1.000 geladene Gäste versammelten sich in einem Zelt nahe der Grenze, als über eine Liveschaltung die letzten Meter Fels unter Tage durchstoßen wurden. Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, Österreichs Bundeskanzler Christian Stocker, die Verkehrsminister Matteo Salvini und Peter Hanke sowie EU-Verkehrskommissar Apostolos Tzitzikostas drückten gemeinsam den symbolischen roten Knopf. Es gab großen Applaus, als Tunnelarbeiter gemeinsam über die unterirdische Grenze zwischen Österreich und Italien schritten.
Meloni sprach in ihrer Ansprache von einem „wichtigen Schritt“. Mit der Tunnelverbindung würden künftig Wirtschaft, Wettbewerb und Umwelt profitieren. Die Brennerautobahn, derzeit ein „Flaschenhals“, werde entlastet. Bundeskanzler Stocker zeigte sich hingegen realistisch: „Der Tunnel alleine wird die Transitprobleme nicht lösen.“ Die Autobahn sei längst an ihrer Kapazitätsgrenze angelangt. Gleichzeitig betonte er die Notwendigkeit „nachbarschaftlicher Lösungen“ für die Verkehrsprobleme.
Mit dem Durchschlag des Erkundungsstollens ist eine zentrale Etappe in einem der größten Infrastrukturprojekte Europas erreicht. Der Brenner-Basistunnel (BBT) erstreckt sich auf einer Gesamtlänge von 64 Kilometern zwischen Innsbruck im Norden und Franzensfeste im Süden. Er ist das Herzstück der neuen Eisenbahnverbindung von München nach Verona. Nach der geplanten Fertigstellung im Jahr 2031 und der Inbetriebnahme in 2032 wird er die längste unterirdische Eisenbahnverbindung der Welt sein. Güterzüge sollen mit bis zu 160 Stundenkilometern, Personenzüge mit bis zu 250 Stundenkilometern fahren können. Die Fahrzeit zwischen Innsbruck und Franzensfeste wird sich dadurch von derzeit 80 auf 25 Minuten reduzieren. Die veranschlagten Kosten für das Projekt liegen bei stolzen 10,5 Milliarden Euro.
Technisch besteht der BBT aus drei Röhren: zwei Hauptröhren, in denen die Gleisanlagen verlaufen, und einem tieferliegenden Erkundungsstollen. Dieser verläuft auf einer Länge von 57 Kilometern und liegt rund zehn bis zwölf Meter unter den Hauptröhren. Der Erkundungsstollen diente zunächst der geologischen Vorerkundung und wird später als Entwässerungs-, Flucht- und Wartungsstollen genutzt. Zwischen den Röhren bestehen regelmäßige Verbindungen im Abstand von 333 Metern.
„Man gelangt jederzeit vom Erkundungsstollen zu den Haupttunneln, was diese durchgängig nutzbar macht“, erläutert Sebastian Reimann, stellvertretender Projektleiter für das österreichische Baulos H53 Pfons–Brenner. „Das bringt Vorteile bei Wartung und Instandsetzung. Längere Sperren, wie etwa beim Gotthard-Tunnel, werden dadurch reduziert.“
Die Wahl der Bauverfahren orientierte sich an den geologischen Bedingungen. Auf österreichischer Seite wurde eine Kombination aus Tunnelbohrmaschine (TBM) und der Neuen Österreichischen Tunnelbaumethode, also dem Sprengvortrieb, eingesetzt. Die ersten sechs Kilometer des Erkundungsstollens wurden ab 2009 im Sprengvortrieb erstellt. Ab der sogenannten Nothaltestelle Innsbruck übernahm die TBM „Günther“ und bohrte rund 16,6 Kilometer bis in das Baulos „Pfons-Brenner“. Die restlichen knapp 8.500 Meter bis zur Staatsgrenze wurden im Sprengvortrieb aufgefahren. Insgesamt bestand die österreichische Strecke aus sechs Baulosen, das letzte – H53 – wurde 2023 an die Arbeitsgemeinschaft Porr Marti vergeben.
Auf österreichischer Seite galt es, einige geologische Herausforderungen zu bewältigen. Dazu zählte die „Iris“-Störzone bei Kilometer 16,8: „Dort entstand ein Hohlraum von etwa 5.000 Kubikmetern durch nicht standfestes Gebirge“, schildert Reimann. Diesen Abschnitt mussten die Tunnelbauer mit diversen Maßnahmen, unter anderem Schauminjektionen, stabilisieren, um ein gefahrloses Durchfahren der Maschine zu ermöglichen.
Eine zweite Problemzone lag im Bereich Hochstegen bei Kilometer 29. Hier durchquert der Tunnel auf einer Strecke von 500 Meter eine durchlässige karbonatische Gesteinsschicht, die stark wasserführend ist. Das Wasser schießt hier mit einer Geschwindigkeit von bis zu 70 Litern pro Sekunde aus dem Gestein. Um den Bereich sicher zu durchqueren, waren auch hier umfangreiche Maßnahmen notwendig. „Wir haben bis zu 120 Meter tiefe Erkundungslöcher vorausgebohrt, die Gesteins- und Wasserverhältnisse analysiert und dann gezielte Injektionen durchgeführt“, so Reimann. „Das Ziel war, das Wasser umzuleiten und so zu verhindern, dass es in den Stollen eintritt.“ Besonders sensibel war dabei der Umstand, dass der Bereich oberirdisch als Natura-2000-Gebiet geschützt ist. Die Arbeiten erfolgten daher unter strenger behördlicher Aufsicht.
Neben den geologischen Herausforderungen galt es auch, beträchtliche logistische Anforderungen zu bewältigen – vor allem die Entsorgung des Ausbruchmaterials war mit hohem technischem Aufwand verbunden. „Zwischen den Baulosen H41 und H53 wurde ein 18 Kilometer langes Förderband im Erkundungsstollen verlegt. Mit weiteren Abschnitten betrug die gesamte Transportlänge rund 32 Kilometer“, erklärt Reimann. Mit diesem Förderband wurden 3,6 Millionen Tonnen Material unterirdisch von 2 Tunnelvortriebsmaschinen abtransportiert – das entspricht rund 180.000 Lkw-Fahrten, die so vermieden wurden. „Das ist ein großer Beitrag zu Emissionsvermeidung, Arbeitsschutz und Nachhaltigkeit“, meint Reimann.
Doch damit sind die Arbeiten am Mega-Tunnel nicht beendet. Nun gilt es, die beiden Hauptröhren zu finalisieren. Der Durchbruch ist für 2026 geplant. 2031 soll der Brenner Basis Tunnel fertiggestellt werden. 2032 soll er in Betrieb gehen – garantiert mit noch mehr Pomp und Trara.
Informationen:
- Gesamtlänge: 64 Kilometer
- Struktur: Zwei Hauptröhren und ein Erkundungsstollen
- Funktion: Güter- und Personenzüge, reiner Zugtunnel
- Geplante Inbetriebnahme: 2032
- Kosten: rund 10,5 Milliarden Euro
- Bauzeit: seit 2007