KI geht nur mit Kultur
Eine aktuelle Studie zeigt: KI am Bau rechnet sich. Dennoch zögern noch viele Betriebe Künstlichen Intelligenz einzusetzen. Nur 27 Prozent nutzen sie ernsthaft. Aus Sicht von Experten liegt das weniger an den Kosten, sondern ist eine Frage der Kultur.
„KI im Bauwesen steckt noch in den Kinderschuhen. Doch die Dynamik unter den sogenannten Early Adopters nimmt rasant zu und führt zu spürbaren Einsparungen von Kosten, Zeit und verbessert die Zusammenarbeit.“ Zu dieser Einschätzung kommt Usman Shuja, CEO von Bluebeam, einem Anbieter von Software und Dienstleistungen für das Bauwesen, der zur Nemetschek Group gehört.
1.000 Expert*innen befragt
Shuja stützt sein Urteil auf eine aktuelle Untersuchung, die Bluebeam durchgeführt hat. Im Rahmen der Studie „Bluebeam Ausblick auf Technologie- und Digitalisierungstrends in 2026“ wurden weltweit Umfrage rund mehr als 1.000 Experten befragt – darunter auch 150 aus Deutschland. Dabei wurde ein besonderer Schwerpunkt auf das Thema KI im Bauwesen gelegt. Die Studie kommt zu einem klaren Ergebnis: Die Nutzung von KI im Planungs- und Bausektor wird zunehmend zu einem strategischen Wettbewerbsvorteil – vor allem für Unternehmen, die frühzeitig in entsprechende Technologien investieren.
„Die Frage ist jetzt nicht mehr, ob KI funktioniert, sondern wie sie sich effektiv integrieren lässt. Unsere Kunden sind dann erfolgreich, wenn KI zu ihrer Arbeitsweise passt“, meint Bluebeam CEO Shuja. Fast die Hälfte der Unternehmen, die KI bereits einsetzen, erzielt laut Studie erhebliche Einsparungen bei Tätigkeiten wie Bau- und Terminplanung oder Dokumentenanalyse. Shuja ergänzt: „Wenn die KI damit nicht länger nur ein Hype, sondern ein Werkzeug zur Lösung realer Herausforderungen ist, zeigt sich ihre wahre Wirkung – und genau in diese Richtung entwickelt sich die gesamte Branche.“
Was die KI kann, zeigt sich laut Jeff Sample, Industry Consultant bei Bluebeam, zum Beispiel bei der Analyse von Bauplänen: „Bauunternehmen erhalten laufend neue Pläne und müssen diese mit den vorhergehenden Versionen abgleichen. Fortgeschrittene KI kann genutzt werden, um Änderungen hervorzuheben, auf mögliche Fehler hinzuweisen oder potenzielle Risiken zu identifizieren – und zwar automatisiert ohne manuelle Schritte“, so Sample. „Diese Fähigkeit, tief in die Details einzusteigen, ist enorm wertvoll.“
Eine Frage der Kultur
Die aktuelle Bluebeam-Studie zeigt, dass der Einsatz von KI bislang allerdings bislang noch relativ begrenzt ist. Nur 27 Prozent der befragten Unternehmen setzen KI derzeit für Automatisierung, Problemlösung oder Entscheidungsfindung ein. Die Studie zeigt aber auch, dass die Early Adopter – also die frühen Anwender – erheblich vom Einsatz der innovativen Technologie profitieren und einen hohen Return on Investment (ROI) erzielen: 68 Prozent der Unternehmen, die bereits KI nutzen, haben laut Studie mindestens 50.000 US-Dollar eingespart. 46 Prozent konnten durch den Einsatz von KI-Tools 500 bis 1.000 Arbeitsstunden einsparen. Und das Wachstum der KI beschleunigt sich: 94 Prozent der Unternehmen, die KI schon einsetzen, planen, ihre Investitionen und den Einsatz der Künstlichen Intelligenz im nächsten Jahr weiter zu erhöhen – und von Pilotprojekten zur Integration in bestehende Arbeitsabläufe überzugehen.
Zudem wird die KI nicht mehr nur als Produktivitätstreiber angesehen, sondern auch als Schlüssel zur Bewältigung des Fachkräftemangels und als Wettbewerbsvorteil bei der Gewinnung und Bindung von Personal: 56 Prozent der Befragten geben an, dass der Einsatz von KI dazu beiträgt, den Fachkräftemangel auszugleichen. Und 44 Prozent sehen fortschrittliche digitale Tools – neben Unternehmenskultur und Vergütung – als entscheidenden Faktor, um Spitzenkräfte zu gewinnen und an das Unternehmen zu binden.
Dennoch: Bei allen Vorteilen und nachweislichen Erfolgen der KI – viele Betriebe bleiben weiterhin vorsichtig. Als große Herausforderungen nennen die Befragten die Punkte Sicherheit beim Datenaustausch (42 Prozent) sowie Kosten und Komplexität (33 Prozent). Sehr groß ist auch die Unsicherheit in Bezug auf fehlende Regularien: „69 Prozent der Unternehmen geben an, dass Bedenken hinsichtlich künftiger KI-Vorschriften ihre eigenen KI-Initiativen verlangsamt oder eingeschränkt haben“, so die Studie.
Bluebeam-Experte Sample verweist auf einen weiteren Befund: „84 Prozent der Befragten wollen im kommenden Jahr in Technologie investieren und ihre Investitionen sogar erhöhen. Aber nur etwa die Hälfte gibt an, vollständig digital zu arbeiten. Das heißt: Sie nutzen nach wie vor Papier in ihren Prozessen“, so Sample. „Für mich zeigt das, dass der Wunsch nach Automatisierung und digitaler Transformation zwar ungebrochen ist, bei der Umsetzung aber noch eine große Lücke bleibt.“
Sample sieht das größte Hindernis für die erfolgreiche Implementierung von innovativen Technologien in fehlenden Investitionen in Schulung und Prozessgestaltung. „Weltweit neigen wir dazu, Probleme mit glänzenden neuen Tools lösen zu wollen, anstatt die Werkzeuge, die wir bereits haben, optimal zu nutzen und in digitale Workflows einzubetten. Das ist aus meiner Sicht der Kern des Problems.“
Der Bluebeam-Experte erläutert dies an einem konkreten Beispiel. „Angenommen, es soll erfasst werden, wie viel Zeit Mitarbeitende auf der Baustelle verbringen. Die spontane Reaktion ist oftmals: Schaffen wir eine neue App an“, erläutert Sample. „Aber diese App ist dann in vielen Fällen isoliert. Man hat ein neues Datensilo ohne Verbindung zu anderen Systemen geschaffen. Der Nutzen hält sich in Grenzen.“
„Die größten Hindernisse für die Einführung von Bau-Technologien im Jahr 2026 sind nicht die Kosten, sondern die Komplexität, Kultur und Vernetzung“, betont auch Bluebeam CEO Shuja. „Erfolg hängt nicht allein von den richtigen Werkzeugen ab, sondern ebenso von gezielten Schulungen und einem integrierten Ansatz, der Teams, Projektphasen und Arbeitsabläufe miteinander verbindet.“ Um in dieser neuen Ära erfolgreich zu sein, braucht es seiner Meinung nach sogenannte „Dual Athletes – Teams“, also Teams, die Baukompetenz und digitale Kompetenz miteinander verbinden, um sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Shuja: „Wenn Bauunternehmen und Technologieträger zusammenarbeiten, werden Barrieren zwischen Tools, Teams und Daten abgebaut – und die digitale Zusammenarbeit wird nahtlos und transformativ sein.“




