Baulogistik: Planen statt Plagen
Am Bau geht noch viel Zeit verloren. Laut Studien wird 30 Prozent der Zeit nicht produktiv gearbeitet und mit Warten, Transport und Materialsuche verloren. Professionelle Baulogistik soll hier Abhilfe schaffen. Expertinnen und Experten zeigen, wie.

Die Zahlen sind eindeutig – und zeigen, dass es noch viel Luft nach oben gibt: Laut Studien wird nur rund ein Drittel der Arbeitszeit auf Baustellen für die eigentliche Bautätigkeit genutzt. Ein weiteres Drittel geht für sonstige, persönlich bedingte Unterbrechungen drauf. Ein weiteres Drittel entfällt auf Wartezeiten, Transportwege oder Materialsuche. „Das Potenzial ist enorm. Während sich persönliche Unterbrechungen kaum beeinflussen lassen, kann man die Warte- und Wegezeiten deutlich optimieren“, meint Dominik Müller, Geschäftsführer beim Vermiet- und Baulogistik-Spezialisten Zeppelin Rental Österreich. „Das Ziel ist, aus einem Drittel produktiver Zeit zwei Drittel zu machen. Dazu kann professionelle Baulogistik einen großen Beitrag leisten.“
Nur die Hälfte
In der Praxis kommt diese laut Müller aber nur eingeschränkt zum Zug. „Baulogistik wird bislang höchstens bei der Hälfte der Projekte eingesetzt“, schätzt er. Viele Baustellen arbeiten noch immer ohne gezielte Logistikkoordination. Und selbst wenn Koordination stattfindet, reicht sie oft nicht aus: „Poliere, Vorarbeiter oder Techniker übernehmen durchaus koordinative Aufgaben. Aber das ersetzt keine professionelle Baulogistik mit all ihren Effizienzreserven.“
Um zu verdeutlichen, wie man diese Reserven heben kann, erläutert der Zeppelin Rental-Geschäftsführer den Unterschied zwischen Lieferlogistik und Materiallogistik: „Heute wird auf den Baustellen meist noch klassische Lieferlogistik betrieben: Material wird zur Baustelle geliefert, vor Ort zwischengelagert und später mehrfach verschoben – weil es im Weg ist oder andere Gewerke ihre Arbeiten ausführen müssen“, so Müller.
Materiallogistik hingegen bedeute, präzise und vorausschauend zu planen. Müller: „Was wird wann, wo und in welcher Menge gebraucht? Wenn wir diese Informationen kombinieren, steigt die Effizienz enorm.“ Die Grundlage für diese Planung bieten moderne Methoden wie Lean Management und digitale Instrumente wie BIM: „Ich sehe uns als Baulogistik-Dienstleister als Schnittstelle zwischen Lean und BIM. Wir koordinieren, wann welches Material wohin geliefert wird, auf Basis der Materialdaten aus dem BIM-Modell und der Terminierung aus dem Lean-Plan. Dabei geht es auch um Lagerflächen, Transportmittel, Lagerbedingungen.“
Was fehlende Planung in der Praxis anrichten kann, zeigt Müller an einem simplen Beispiel: Auf einer mittelgroßen Baustelle mit 250 Beschäftigten stehe jeder im Schnitt zehn bis 20 Minuten am Tag vor einem Bauaufzug und warte, dass dieser frei werde. Das summiere sich auf mehr als 60 Stunden pro Tag – allein fürs Warten. „Die wirtschaftliche Auswirkung ist erheblich: Aufs Jahr gerechnet, bedeutet das mehr als 300.000 Euro Kosten durch Wartezeiten“, fasst Müller zusammen. „Mit intelligenter Baulogistik könnte man vorab planen: Wie viel Material kommt wann auf die Baustelle? Wie viel muss entsorgt werden? Wie viele Bauaufzüge braucht es temporär, um Wartezeiten zu vermeiden?“
Der Logistik-Fachmann nennt ein weiteres Beispiel: „Trockenbauplatten können nicht im Freien lagern, weil sie empfindlich sind. Wenn ich weiß, was wann gebraucht wird und wie das Material beschaffen ist, kann ich punktgenau liefern. Das Material wird verbaut, bevor andere Gewerke behindert werden.“
Letzte Meile
Wie sich diese Konzepte praktisch umsetzen lassen, zeigt das Projekt „Strandkai“ in Hamburg. Dort hat erstmals eine sogenannte Last-Mile-Logistik implementiert. Dabei geht es um den Weg des Materials vom Eintreffen auf der Baustelle bis zum Einbauort im Bauteil. Das Besondere an dem Konzept: „Wir koordinieren den Materialfluss zentral. Es wird nicht einfach irgendwo abgeladen und mehrfach umgelagert“, so Müller. Die Planung erfolgt digital und vorausschauend: „Wir erfassen digital, was wo gebraucht wird, planen Lager und Transportwege, nutzen vertikale Transportmittel effizient und stellen sicher, dass Material nur dann angeliefert wird, wenn es auch verbaut werden kann. Dadurch erreichen wir echte Effizienz auf der letzten Meile.“
Für die Umsetzung kam moderne Technologie zum Einsatz: „In der Last-Mile-Logistik nutzen wir unser Online-Avisierungsportal, steuern Lkw-Anlieferungen und bringen Material in ein Zwischenlager. Die Gewerke rufen es per App gezielt ab und wir verbringen es just-in-time an den Einbauort.“ Die Vorteile zeigen sich im Ablauf: Der Trockenbauer etwa schickt seinen Facharbeiter nicht selbst zur Lagerfläche, sondern ruft via App genau die Paletten ab, die er für das sechste Obergeschoss braucht. „Wir schauen parallel: Wo steht das Material? Wann ist der Aufzug frei? Wie sind die kürzesten Wege? Indem wir zum Beispiel das Material in den Abendstunden verbringen, in denen die Transportaufzüge kaum frequentiert sind, vermeiden wir, dass andere Gewerke blockiert werden“, schildert Müller. In Österreich stehe man bei diesem Thema aber noch am Anfang.
Ziemlich gut etabliert ist hierzulande schon der digitale Projektraum des heimischen Software-Anbieters Planfred. Es bietet eine spezialisierte Lösung für das Management von Bauprojekten und bündelt dabei vier zentrale Funktionen: Planmanagement, Dokumentenmanagement, Aufgabenverwaltung und Fotodokumentation. Jede dieser Komponenten ist darauf ausgelegt, die Kommunikation und Dokumentation in Bauvorhaben zu vereinfachen und rechtssicher zu gestalten.
Im Zentrum des Angebots steht das Planmanagement, das laut Hannes Nimmerfall, Baumeister und Mitgründer bei Planfred, das „Herzstück“ der Anwendung bildet. Nutzer*innen laden Pläne hoch, die automatisch dokumentiert und an alle Projektbeteiligten verteilt werden. Dabei wird genau erfasst, wer wann welche Pläne hoch- und heruntergeladen hat – eine Funktion, die für sämtliche Planarten relevant ist: von Entwurfs- bis hin zu Detailplänen, unabhängig davon, ob sie vom Architekten, Statiker oder Fachplaner stammen. Besonders bei größeren Bauprojekten, bei denen „schnell 20 Planer beisammen sind und jeder laufend Änderungen vornimmt“ ist laut Nimmerfall die automatische Verteilung und Versionierung „essenziell“. Ergänzend dazu ermöglicht Planfred auch Planprüfungen. „Ich kann im Tool festlegen, dass jemand einen neuen Plan prüfen, freigeben oder kommentieren soll“, erklärt Nimmerfall. „Diese Freigabeschleifen sind zentral für die Qualitätssicherung im Planungsprozess.“
Dokumente managen
Die zweite Hauptfunktion betrifft das Dokumentenmanagement. Dabei geht es nicht nur um das Sammeln und Ablegen von Dateien, sondern vor allem um Nachvollziehbarkeit und rechtliche Absicherung. „Wenn etwas schiefläuft, muss nachvollziehbar sein: War das im Protokoll? Wann wurde es zur Verfügung gestellt? Hatte die Person die Information zu diesem Zeitpunkt bereits?“, so Nimmerfall. Der Vorteil: Im Gegensatz zur E-Mail-Kommunikation, die oft keine zuverlässige Empfangsbestätigung bietet, dokumentiert Planfred lückenlos, wer welche Informationen wann erhalten hat – „das ist wichtig, wenn es zu Streitfällen oder Unklarheiten kommt“, betont Nimmerfall.
Ein weiteres zentrales Element der Plattform sind die Tasks – also Aufgaben, Mängel oder Abklärungen, die innerhalb des Teams zugewiesen und dokumentiert werden können. Die Funktion ermöglicht es, Aufgaben mit Texten, Fotos oder Links zu versehen, diese zu kommentieren oder als erledigt zu markieren. Das verbessert die Nachverfolgbarkeit erheblich, wie Nimmerfall erläutert: „Im Tool geht keine Aufgabe verloren, wird als überfällig markiert und ist dokumentiert.“ Im Vergleich zur früher üblichen E-Mail-Kommunikation oder handschriftlichen Protokollen sorgt Planfred hier für deutlich mehr Verbindlichkeit.
Ganz neu ist eine weitere Funktion – eine Fotodokumentation. Fotos können mit Raumbezug, Gewerken oder Verortungspins versehen werden. Die chronologische Darstellung erleichtert die Rückverfolgung von Baufortschritten. Besonders in Streitfragen – etwa bei nicht dokumentierten Abdichtungen – ist diese Funktion aus Sicht von Nimmerfall von hoher Relevanz. „Dann kann ich nach einem konkreten Baustellenbereich filtern und sehe über eine Zeitleiste die Entwicklung vom Rohbau bis zur Übergabe, mit allen Fotos und Notizen dazu“, beschreibt Nimmerfall den praktischen Nutzen.
Im Vergleich zu BIM positioniert sich Planfred bewusst als niederschwellige Lösung. Während BIM in einem virtuellen Modell arbeitet und laut Nimmerfall ein „Werkzeug für die Planungselite“ darstellt, ist Planfred auf Verständlichkeit und einfache Bedienung ausgelegt. „Abseits der Planungskonsulenten finden sich die Projektbeteiligten in einem BIM-Modell nicht zurecht. Planfred schafft hier etwas anderes: Es bringt die Information auf eine einfache und konkrete Kommunikationsebene“, meint der Planfred-Mitgründer. Die Software richte sich eben auch an Personen ohne komplexe Planungssoftwarekenntnisse – etwa Bauherr*innen, Poliere oder Mitarbeiter der ausführenden Firmen auf der Baustelle.
Wachstums trotz Flaute
Trotz der aktuell angespannten Lage am Bau wächst das Unternehmen: „Wir haben nach wie vor rund 30 Prozent Umsatzwachstum“, berichtet Nimmerfall. Das Potenzial sei nach wie vor sehr groß – insbesondere im gesamten DACH-Raum, wo laut Nimmerfall nur ein kleiner Teil der möglichen Kundschaft erschlossen ist. Der langfristige Trend gehe seiner Meinung nach ohnehin in Richtung General-Digitalisierung. „Während früher digitale Projekträume vor allem bei Großbaustellen im Einsatz waren, sind sie mittlerweile auch im mittleren Segment angekommen. Projekte ab fünf Millionen Euro werden beinahe ausschließlich mit der Unterstützung von digitalen Werkzeugen koordiniert.“
Deutlich analoger geht es bei Containex zu. Das Unternehmen vermietet und verkauft Baustellen-Container, die als Aufenthaltsräume, Büros, Lagerflächen oder als Unterkünfte genutzt werden. Mit dem einfachen Bauwagen, in dem die Maurer vor 40 Jahren ihre Mahlzeiten zu sich genommen haben, haben diese Container allerdings nicht mehr viel zu tun. Mittlerweile werden auf Großbaustellen ganze Container-Dörfer errichtet. „Es geht darum, dass auf diesen großen Baustellen, alle Beteiligte untergebracht werden können – von der Planung und der Bauleitung bis zu den ausführenden Unternehmen“, meint Markus Schaden, Chief Digital Officer (CDO) von Containex. Die Zahl und Anordnung der Container kann dabei laufend an den aktuellen Projektstand angepasst werden. Bereits 2007 kamen beim ersten österreichischen Public-Private-Partnership-Projekt „Arge PPP Ostregion“ zum Bau der Nordostautobahn mehr als 100 Bürocontainer des Modells Classic Line zum Einsatz, die zu einem zweigeschossigen, zusammenhängenden Baubüro ausgeführt waren. Beim aktuelleren Projekt „Logistik Center Medlog“ in St. Pölten sind 50 Module vor Ort, die in anderer Anordnung, Ausführung und mit anderem Verwendungszweck ihre Aufgabe erfüllen.
Das Wiener Softwarehaus Ishap hat ein Tool entwickelt, mit dem die Arbeit der Hausverwaltungen erleichtert wird. „Mitarbeiter*innen von Hausverwaltungen kennen diese Situation: Ein Mieter ruft an, weil der Aufzug defekt ist. Also wird dann aus unzähligen Papierakten das letzte Wartungsprotokoll oder die zuständige Wartungsfirma gesucht. Oftmals mit dem Ergebnis, dass der entscheidende Zettel unauffindbar oder nicht aktuell ist“, erläutert man bei Ishap.
Weniger Zettel
Mit dem „Digitalen Bauwerk“ von Ishap soll diese wenig effiziente Zettelwirtschaft der Vergangenheit angehören. Ein Klick genügt: Im digitalen Wartungsbuch sieht der User sofort, wann die letzte Aufzugsprüfung war, wer sie durchgeführt hat, und kann das digitale Protokoll einsehen – direkt auf seinem Tablet, seinem Smartphone oder am Desktop. Die Software erinnert ihn außerdem automatisch an fällige Prüfungen und Wartungen. Der Hausverwalter kann proaktiv handeln, noch bevor ein Problem zum akuten Notfall wird. „Das gibt Hausverwaltungen nicht nur Rechtssicherheit, sondern spart den Mitarbeiter*innen vor allem eines: kostbare Zeit und Nerven“, so das Unternehmen.
Das Tool basiert auf einem Mix aus innovativer Software und persönlicher Dienstleistung durch Ishap-Experten, die bei der Datenerhebung unterstützen. „Unser Digitales Bauwerk ist ein umfassendes Gesamtkonzept zur digitalen Dokumentation von Bauwerken, das den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes abdeckt – von der Planung über den Bau bis hin zum Betrieb und Facility-Management“, meint Ishap-Teamleiterin Sophie Notz. Die Software verfolgt das Ziel, alle relevanten Informationen, Pläne und Unterlagen zu einem Bauwerk strukturiert zu erfassen und digital bereitzustellen, um Effizienz, Qualität und Rechtssicherheit zu erhöhen. „Das Bauwerk der Zukunft informiert selbstständig über seinen Bedarf. Damit können Hausverwaltungen, Bauträger oder Architekten frühzeitig agieren, statt nur reagieren“, so die Baumeisterin.
Viele Bauunternehmen und Hausverwaltungen nutzen laut Ishap bereits eine Vielzahl unterschiedlicher Softwarelösungen für die einzelnen Phasen oder Anforderungen eines Bauwerks. Dies führe zu Insellösungen und erschwere eine effiziente, lückenlose Dokumentation. Das Digitale Bauwerk von Ishap setzt hier an: „Unser System verfolgt das Ziel, alle relevanten Informationen, Pläne, Unterlagen, Protokolle zu einem Bauwerk strukturiert zu erfassen und digital bereitzustellen – und das in einer einzigen Lösung“, meint Ishap-Geschäftsführer Jan Hehenberger. „Damit entfällt das lästige Wechseln zwischen Systemen und es geht keine Information verloren.“