Eine Projektversicherung für alle
Bei komplexen Bauprojekten kommt seit einigen Jahren zunehmend eine neue Form der Versicherung zum Einsatz: die integrierte Projektversicherung. Sie bietet vor allem für den Bauherren echte Vorteile – aber auch für die ausführenden Betriebe.

„Wir haben vor vier Jahren damit begonnen, das Produkt in Österreich aktiv zu vermarkt. Damals hatten wir drei bis vier Anfragen pro Jahr. Mittlerweile sind es 150 bis 200.“ Das Produkt, das Michael Sturmlechner meint, gehört nicht zu den Dingen, deren Erwerb der Käuferin oder dem Käufer schlaflose Nächte der Vorfreude bereitet. Aber es eignet sich dazu, Schlafstörungen anderer Art zu mildern. Sturmlechner, Geschäftsführer des internationalen Versicherungsmaklers Aon in Österreich, spricht über eine Versicherung – genauer gesagt über eine umfassende Versicherung für komplexe Bau- und Montagevorhaben. Ihr Name: „Integrierte Projektversicherung“.
Eine für alle
Das Besondere an dieser Versicherung soll im ersten Wort der Produktbezeichnung zum Ausdruck gebracht werden. „Traditionellerweise ist es üblich, dass sich bei einem Bauprojekt die einzelnen Projektteilnehmer einzeln versichern“, so Sturmlechner. Das bedeutet: Jeder schließt für sich mit der Versicherung seiner Wahl eine Polizze ab. Der Bauherr schützt sich mit einer Bauherrenhaftpflicht bei Schäden gegenüber Dritten, wie beispielsweise der Beschädigung eines Gebäudes auf einem Nachbargrundstück, sowie mit einer Kaskoversicherung bei Schäden am eigenen Gewerk. Der Architekt schließt eine Planungshaftpflicht ab und das Bauunternehmen eine Betriebshaftpflicht gegen Risiken bei der Ausführung.
Diese Vorgangsweise ist gelernt, hat aber durchaus Nachteile – vor allem für den Bauherrn: „Er hat keine Transparenz über den Deckungsschutz, da er kein direktes Vertragsverhältnis zum Makler oder der Versicherung seiner Auftragnehmer hat“, erläutert Thomas Karamat, der bei Aon Österreich das Geschäftsfeld „Construction“ verantwortet. „Die Deckungssummen sind möglicherweise zu niedrig und manche Risiken gar nicht versichert. Es besteht die Gefahr von Deckungslücken. Zudem kann der Versicherungsschutz bei Insolvenzen der Auftragnehmer beeinträchtigt werden.“
Dazu komme, so Karamat weiter, dass der Auftraggeber im Schadenfall weder die Kontrolle noch einen klaren Überblick habe und mit zahlreichen Schnittstellen kämpfen müsse. „Da sind schnell fünf Gutachter involviert und es kann sich Jahre hinziehen, bis klar ist, wer für was haftet“, meint der Aon-Experte. Und auch die ausführenden Unternehmen und die Planer fahren nicht optimal mit der geübten Praxis: Dadurch, dass jeder nur die eigenen Risiken versichert, sind die Deckungssummen relativ niedrig und die Prämien hoch.
Die integrierte Projektversicherung soll diese Nachteile beseitigen. Der Grundgedanke ist einfach: Der Bauherr schließt eine umfassende Versicherung ab, die sämtliche Risiken abdeckt – und zwar die Risiken aller Projektpartner, Haftpflicht und Kasko. Der Bauherr zahlt die gesamte Prämie. In der Ausschreibung wird das Versicherungspaket samt anfallender Prämie aber dezidiert angeführt und festgehalten, dass die Kosten mit der Schlussrechnung aliquot auf die Beteiligten aufgeteilt werden. Laut Aon-Österreich-Geschäftsführer Sturmlechner profitieren alle Projektbeteiligten davon – auch die Ausführenden. „Durch das höhere Volumen der integrierten Versicherung können sie relativ günstig eine hohe Versicherungssumme einkaufen. Das ist ein Riesenvorteil“, meint er. „Dazu kommt ein weiterer Vorteil. Im Schadensfall wird ihr Rahmenvertrag nicht belastet.“ In anderen Worten: Die Prämie, die die Ausführenden für ihre eigene Betriebshaftpflicht zahlen, erhöht sich bei einem Schaden nicht, da sie ja nicht herangezogen werden muss.
Einen noch größeren Nutzen hat aus Sicht des Aon-Managers aber der Bauherr: „Er hat völlige Transparenz und Kontrolle“, so Sturmlechner. Der Bauherr wisse, genau, was wie hoch versichert ist und müsse sich im Schadensfall nicht den Kopf darüber zerbrechen, ob der Fehler beim Architekten liegt oder bei einem Ausführenden und wessen Versicherung haftet. „Er hat Sicherheit: Egal wer die Schuld trägt, meine Polizze deckt das Risiko ab.“
Aon ist nicht der einzige Makler, der die integrierte Projektversicherung in Österreich vertreibt. Sturmlechner ist aber davon überzeugt, dass man das umfassendste Produkt am Markt anbietet: „Vergleichbare Produkte am Markt bieten nicht den Umfang.“ Besagtes Produkt kommt vor allem bei komplexeren Bauprojekten mit einem Volumen von mehr als 500 Millionen Euro zum Einsatz. Zu den Kunden zählen große Industrieunternehmen wie die OMV, Lenzing, Semperit oder Mondi, aber auch Betriebe aus dem Mittelstand und die öffentliche Hand.
Die integrierte Projektversicherung stammt an sich aus dem deutschen Markt. Von dort hat sie vor einigen Jahren den Weg nach Österreich gefunden. Aon hat mit mehr als 20 Versicherungsunternehmen einen Rahmenvertrag vereinbart, der die Vertragsdetails für das Konstrukt festlegt. Dieser Pool wird herangezogen, wenn ein Kunde Interesse an dem Produkt zeigt: Die Aon-Experten screenen den Pool nach geeigneten Versicherern für das bestimmte Projekt und führen für den Kunden eine Ausschreibung durch, um Angebote einzuholen.
Dieses Service wird trotz der aktuellen Wirtschaftslage auch derzeit häufig in Anspruch genommen. Vor allem aus dem Infrastrukturbereich kommen zahlreiche Aufträge, da Bund, Länder und Gemeinden unverändert kräftig investieren. Aon Österreich-Manager Sturmlechner: „Wir wollen bei der integrierten Projektversicherung heuer weiter kräftig wachsen.“