Forschung

Forschen für die Baumeister

06.05.2025

Gunther Graupner, Geschäftsführer der Zukunftsagentur Bau (ZAB), spricht im Interview mit der Bauzeitung darüber, warum Innovation für das Baugewerbe wichtig ist – und welche Themen bei den Baumeistern besonders gut ankommen.

Herr Graupner, was genau macht die Zukunftsagentur Bau, und worin sehen Sie Ihre Aufgabe?
Kurz zusammengefasst ist die Zukunftsagentur Bau der Forschungs- und Innovationsarm des österreichischen Baugewerbes, also der österreichischen Baumeister. Warum gibt es uns? 2009 haben wir festgestellt, dass Innovation besonders bei KMU-Betrieben nicht einfach umzusetzen ist. Gerade Betriebe mit weniger als 50 Mitarbeitenden haben es schwer, Forschung und Innovation voranzutreiben. Deshalb wurden wir von der Bundesinnung Bau gegründet. Wir fördern bewusst Brancheninnovationen für diese Betriebe und geben das Wissen anschließend an sie zurück.

Lösungen für das Gewerbe

ZAB-Geschäftsführer Gunther Graupner. Copyright: ZAB
ZAB-Geschäftsführer Gunther Graupner.
Copyright: ZAB

Warum sind Innovationen und die damit verbundene Forschung so wichtig, besonders für kleinere Betriebe?
Das ist eine berechtigte Frage. Die großen Betriebe treiben Innovationen eigenständig voran. Kleinere Betriebe versuchen dies auch innerbetrieblich, stoßen aber an Grenzen. Es gibt Themen, bei denen ein einzelner Betrieb keinen unmittelbaren Vorteil sieht, aber trotzdem mithalten muss, um am Markt bestehen zu können. Genau hier liegt unser Zugang: Wir versuchen, Lösungen zu entwickeln und den Betrieben Ergebnisse zurückzugeben oder sie mit Argumenten zu unterstützen, um ihre Anliegen besser sichtbar zu machen.

Advertorial

Wenn man es aus einer anderen Perspektive betrachtet: Wie nehmen die Betriebe Sie wahr, denen Sie Wissen vermitteln? Wie groß ist der Bedarf nach Wissen?
Das hängt stark vom jeweiligen Thema ab. Wichtiger ist vielleicht, wie wir zu unseren Themen kommen. Wir sind über die neun Landesinnungen sehr eng mit den Betrieben vernetzt. Die Betriebe melden Themen an die Landesinnungen. Dort wird entschieden, ob ein Thema branchenrelevant ist. Wir greifen es dann auf und bearbeiten es gemeinsam mit Experten für die Betriebe. Unser großer Vorteil ist, dass wir dadurch sehr nah an den Betrieben sind und oft näher als andere Forschungsinstitutionen.

Können Sie uns ein Beispiel für ein Projekt geben, das bei den Betrieben besonders gut angekommen ist?
Ein klassisches Beispiel ist die Bauteilaktivierung. An diesem Thema arbeiten wir schon seit mehreren Jahren. Ursprünglich sagten die Baumeister: „Wir errichten sowieso Bauteile, warum versehen wir sie nicht mit zusätzlicher Intelligenz?“ Dieses Projekt haben wir über Jahre gemeinsam mit anderen Institutionen bearbeitet. Heute ist es besonders im Wiener Raum kaum noch wegzudenken, weil viele Bauträger das Thema Kühlung mitverkaufen möchten. Natürlich gab es einige Learnings in diesem Prozess. Anfangs dachten wir, wir könnten das Thema über erhöhte Behaglichkeit verkaufen. Damit lagen wir aber völlig falsch. Heute wird das Thema hauptsächlich durch zwei Aspekte getrieben: Kühlung und Energiespeicherung. Diese Themen werden von den Betrieben mittlerweile sehr gerne angenommen. Außerdem liefert es starke Argumente im Kontext des grünen Wandels.

Was lernen Unternehmen konkret aus Ihren Projekten? Können Sie uns ein Beispiel für konkreten Output geben?
Das ist sehr unterschiedlich. In manchen Projekten spielen wir Wissen direkt zurück. Zum Beispiel hatten wir ein Projekt zu Nassraumabdichtungen. Dabei ging es darum, Normen zu beeinflussen oder zu hinterfragen, ob Abdichtungen bei massiven Bauteilen überhaupt notwendig sind. Die Betriebe konnten anschließend entscheiden, ob sie auf Basis dieses Wissens anders vorgehen möchten. Bei der Bauteilaktivierung haben wir konkret bei den Rechenverfahren geholfen, die die Betriebe zur Dimensionierung benötigen.

Wie intensiv beteiligen sich die Betriebe an Ihren Projekten?
Das hängt stark vom jeweiligen Thema ab. Bei der Bauteilaktivierung sind es mittlerweile viele Betriebe. Bei anderen Themen, die wir gerade erst beginnen – wie beispielsweise dem Recycling – ist das Interesse noch geringer.

Das alles klingt sehr praxisbezogen. Woher stammen die Grundlagen dafür? Betreiben Sie selbst Grundlagenforschung oder kooperieren Sie mit technischen Universitäten oder anderen Institutionen?
Ganz genau. Da das Leistungsbild des Baumeisters sehr vielfältig ist, können wir natürlich nicht überall selbst die nötige Expertise haben. Wir arbeiten deshalb bei fast allen Projekten mit unterschiedlichen Institutionen zusammen, beispielsweise der Universität für Weiterbildung Krems, der TU Wien, der TU Graz, der Universität Innsbruck, der FH Salzburg oder auch außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Je nach Thema suchen wir uns den optimalen Partner, um die Fragen oder Ideen, die uns die Betriebe mitgegeben haben, möglichst gut beantworten zu können.

Ich höre heraus, dass Sie Forschungsergebnisse möglichst schnell praktisch nutzbar machen möchten – also direkt auf die Baustelle bringen?
Ja, da befinden wir uns in einer sehr komfortablen Situation. Die österreichische Bauwirtschaft verfügt über acht Bauakademien. Durch die Umwandlung des Kompetenzzentrums Bauforschung in die Zukunftsagentur Bau wurde die Verbindung zwischen Baubetrieb, Innung, Bauakademien und Zukunftsagentur Bau noch enger gestaltet. Ziel war es, den Austausch von Themen und Wissen weiter zu verbessern. Da die Bauakademien so etwas wie das Wifi für die Baubranche sind, gelingt es uns gut, das Wissen über die Bauakademien zurück an die Betriebe zu geben. Wenn es ein österreichweites Thema betrifft, geben wir die Inhalte teilweise selbst weiter. Wenn jedoch eine großflächige Vermittlung notwendig ist, übernehmen dies die Bauakademien für uns.

Wo setzen Sie die Schwerpunkte Ihrer Forschung?
Unsere Schwerpunkte liegen derzeit im Bereich Digitalisierung und Nachhaltigkeit – vor allem in den Bereichen Ressourceneffizienz und Energie. Ein weiteres Thema, das wir bereits vorbereitet hatten, ist die Nachhaltigkeitsberichterstattung für Unternehmen. Hier waren wir bereits aktiv und hatten sogar schon Vorlagen vorbereitet. Allerdings wurden wir von der Omnibus-Verordnung eingeholt, was aus meiner Sicht zum Glück geschah. Wir helfen außerdem dabei, normative Hürden aus dem Weg zu räumen. Wir arbeiten eng mit den Betrieben zusammen, und diese melden uns zurück: „In diesem Bereich sind wir außerhalb der Norm“ oder „Das Rechenverfahren ist noch kritisch, wenn wir es auf diese Weise anwenden. Wir könnten ein Gewährleistungsproblem bekommen. Könnt ihr nicht ein gesichertes Rechenverfahren entwickeln?“ So arbeiten wir diese Punkte Schritt für Schritt ab, immer in Rücksprache mit den Betrieben, die bereits vorneweg gehen.

KASTEN Zur Person: Gunther Graupner ist gemeinsam mit Harald Kopececk Geschäftsführer der Zukunftsagentur Bau, in der Branche auch als ZAB bekannt. Er leitet seit mehreren Jahren das Kompetenzzentrum Bauforschung. Unter seiner Führung werden Forschungs- und Innovationsprojekte in der Bauwirtschaft koordiniert und umgesetzt, mit besonderem Fokus auf nachhaltiges Bauen, Digitalisierung und Kreislaufwirtschaft.