Innovationen

Reden ausdrücklich erwünscht

27.05.2025

Sechs heimische Bauunternehmen haben sich zur Allianz „Smart Construction Austria“ (SCA) zusammengeschlossen. Ihr Ziel: Voneinander lernen und gemeinsam besser werden. Eines der Projekte: die Schaffung eines eigenen SCA-Baustandards.

„Was bei anderen ein Kündigungsgrund wäre, ist bei uns ausdrücklich erwünscht.“ Renate Scheidenberger, Baumeisterin und Geschäftsführerin der Smart Construction Austria GmbH (SCA), kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Um was die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei SCA mit Nachdruck gebeten werden: miteinander reden und Informationen austauschen. Das Besondere daran: das Ganze soll über Unternehmensgrenzen hinweg passieren, und es dürfen und sollen durchaus auch mal Informationen dabei sein, die man als „vertraulich“ bezeichnen könnte. „Wir wollen voneinander lernen. Das geht nur, indem wir offen miteinander sind“, so Scheidenberger.

Sechs Partner

Bei der SCA handelt es sich um eine Allianz von sechs heimischen, mittelständischen Bauunternehmen, die sich 2019 gebildet hat. Die Gesellschafterbetriebe sind breit über Österreich verteilt. Mit dabei sind – von West nach Ost gereiht – Tomaselli Gabriel Bau aus Vorarlberg, Riederbau aus Tirol, Hillebrand Bau aus Salzburg, Wimberger Bau aus Oberösterreich, die DI Wilhelm Sedlak GmbH aus Wien und Handler Bau aus Niederösterreich. Die Vision der sechs Unternehmen: „Den Bau von morgen aktiv mitzugestalten“.

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Die sechs Mitglieder tauschen nicht nur Informationen und Erfahrungen aus. Sie erarbeiten Lösungen für konkrete Fragestellungen, führen Forschungsprojekte durch und kümmern sich darum, dass die Erkenntnisse daraus, in den Arbeitsalltag einfließen. Wesentliche Themen, mit denen sie sich befassen: nachhaltige Bauweisen, moderne Prozesse und Digitalisierung. Auf Agenda stehen aber auch Dinge wie der Einsatz von neuen technischen Hilfsmitteln, betriebliche Gesundheitsvorsorge, altersgerechtes Arbeiten oder Lehrlingsausbildung. „Wir wollen Innovationen in die Praxis bringen. Dafür nutzen wir unser gemeinsames Know-how und haben auch den Mut, neue Wege zu gehen“, meint SCA-Geschäftsführerin Scheidenberger.

Diesen Mut zeigen die SCA-Mitglieder bei einem Thema, das derzeit in der österreichischen Bauwirtschaft hohe Wellen schlägt: Bauen außerhalb der Norm. Dabei geht es um einen Vorstoß des Baugewerbes, das Bauen außerhalb bestehender Normen und Vorschriften zu ermöglichen – und damit mit niedrigeren Kosten und CO₂-Emissionen zu bauen, ohne bei der Sicherheit Kompromisse einzugehen. Einer der Initiatoren ist Anton Rieder. Der Tiroler Bauunternehmer gehört der SCA-Allianz an und ist Innungsmeisterstellvertreter der Bundesinnung Bau.

Er stößt sich am stetig wachsenden Dickicht an Baustandards in Form von Bauordnungen und technischen Normen, das das Bauen immer aufwendiger und teurer macht – und es zudem erschwert, den CO₂-Fußabdruck des Bauwesens zu reduzieren. Rieder: „Normen kennen leider nur eine Richtung: Es werden immer mehr.“ Rieder verdeutlicht das Problem mit einem einfachen Beispiel aus der Praxis: „Als ich vor fast 40 Jahren die HTL begonnen habe, benötigte man für einen Kubikmeter Beton 50 Kilogramm Bewehrung. Heute sind es 100 Kilogramm. Wir haben bessere Planungssoftware und bessere Materialien – und dennoch brauchen wir immer mehr. Da stimmt etwas nicht.“

In dieser Beurteilung dürften sich die sechs Mitgliedsbetriebe der SCA einig sein. Sie arbeiten derzeit an einem gemeinsamen „SCA-Baustandard“, in dem konkrete Vorschläge definiert werden sollen, wie man einfacher und günstiger bauen kann, ohne bei der Sicherheit zu sparen. Scheidenberger gibt dafür ein Beispiel: „Der Eurocode begrenzt Rissbreiten auf
weniger als 0,3 Millimeter. Wenn man das auf 0,4 Millimeter erhöhen würde, ergibt sich eine signifikante Reduktion an erforderlicher Bewehrung. Das hat auf die Sicherheit keine Auswirkung, würde aber zu beträchtlichen Kosteneinsparungen führen.“

Ein anderes Beispiel betrifft den Trittschall. Im Rahmen der Bauen-außerhalb-der Norm-Initiative wurden verschiedene Vorgangsweisen für den Bau einer massiven Geschossdecke berechnet: In der herkömmlichen Bauweise nach der DIN 4109-5 benötigt man für diese Decke 864 kg Stahl, 48 m² Schalung und 8,64 m³ Beton. Die Decke würde 5.091 Euro kosten. Alternativ wurde kalkuliert, welchen Effekt die Reduktion der Stahlbetonschicht von 18 auf 14 cm haben würde. Das Ergebnis: Das Trittschalldämmmaß würde sich um vier bis sechs Dezibel reduzieren, die Tragfähigkeit wäre aber nicht beeinträchtigt. Die Einsparung bei Beton und Stahl hätte signifikante Effekte: Eine Reduktion der Kosten um 9 Prozent und der CO₂-Emissionen um 19 Prozent.

SCA-Geschäftsführerin Scheidenberger erfasst derzeit mit ihren Mitgliedern weitere derartige Fälle und arbeitet an der Erstellung eines Katalogs, der dann den SCA-Baustandard bilden soll. Bis November will Scheidenberger ihren Vorschlag den Mitgliedern präsentieren. Vorbild ist der Gebäudetyp-E, der in Deutschland im Laufe des Jahres beschlossen werden soll, sowie der Hamburger-Standard, der derzeit in der norddeutschen Stadt diskutiert wird. „Der SCA-Baustandard könnte bis zu 50 konkrete Vorschläge für sinnvolle Vereinfachungen enthalten – sowie 20 Handlungsvorschläge an die Politik“, so Scheidenberger. „Dabei geht es unter anderem darum, Regelungen zu schaffen, die es rechtlich ermöglichen, von Normen abzuweichen, ohne Haftungsklagen befürchten zu müssen.“