Seit 75 Jahren

Kollektivvertrag für Bauangestellte

Kollektivvertrag
25.10.2023

Vor genau 75 Jahren wurde der Angestellten-Kollektivvertrag abgeschlossen. Dieser ist – mit Änderungen – nach wie vor in Kraft.

Am 28. September 1948 schlossen die damalige Bundesinnung der Baugewerbe und die Gewerkschaft der Privatangestellten einen „Kollektivvertrag für Angestellte der Baugewerbe und der Bauindustrie“(im Folgenden kurz KV) ab. Trotz einiger punktueller Überarbeitungen sind viele KV-Bestimmungen heute nur in ihrem historischen Kontext verständlich bzw. werden leichter verständlich, wenn man diesen Kontext berücksichtigt.

Vorausbildungen gemäß § 9 KV

Das betrifft etwa die erforderlichen Vorausbildungen gemäß § 9 KV. Hintergrund war, dass zahlreiche Bauangestellte im Zweiten Weltkrieg eingezogen worden waren und nach Kriegsende va. das kaufmännische Personal z.T. unzureichend ausgebildet war. Die Arbeitgeberseite wollte verhindern, unqualifiziertem Personal vergleichsweise hohe Gehälter bezahlen zu müssen und wollte daher die Ausbildung verstärkt berücksichtigen. Da diese Ausbildung aber grundsätzlich durch Praxiserfahrung ersetzbar ist, führt das Fehlen einer derartigen Ausbildung zunächst nur dazu, dass der Angestellte in eine niedrigere Gruppe einzustufen ist.
Eine der im KV genannten Ausbildungen ist die Mittelschulreifeprüfung. Nun war aber im Jahr 1948 unter Mittelschule etwas anderes zu verstehen als heute. Damals war die Mittelschule jener Schultyp, der heute als allgemein bildende höhere Schule (AHS) oder berufsbildende höhere Schule (BHS) zu verstehen ist, während die heutige Mittelschule damals als Hauptschule bezeichnet wurde. An Letzterer gab und gibt es aber keine Reifeprüfung. Als Mittelschulreifeprüfung im Sinne des § 9 KV ist daher die Matura an einer AHS, HTL oder HAK zu verstehen.
Ähnliches gilt für den Begriff des Hochschulstudiums, wobei hier zu beachten ist, dass mit dem „Bologna-System“ vor etwa 20 Jahren ein neuer Studientyp geschaffen wurde, den es 1948 noch nicht gab. Im KV wurde dazu aber nichts ergänzt. Problematisch ist, dass der neue Studientyp – nämlich der Bachelor-Abschluss – zweifellos eine Ausbildung ist, die über die Reifeprüfung hinausgeht, aber nicht das Niveau eines Masterstudiums (damals: Diplomstudium) erreicht. Hier hilft ein Vergleich mit anderen Ausbildungen weiter: so sieht etwa die Gruppe A4 auch die Ablegung der Baumeisterprüfung (als Äquivalent zum Studium, weil beide Ausbildungen ein Jahr Praxis erfordern) vor. Und für die Baumeisterprüfung ist nur das Masterstudium anrechenbar (jedenfalls für den zentralen Teil der Prüfung). Daher ist auch aktuell nur ein Masterstudium, aber kein Bachelorstudium als Hochschulstudium im Sinne des KV zu werten.
Weiters gab es im Jahr 1948 noch keine Fachhochschulen. Da sie der Gesetzgeber aber an sich gleich behandelt wie Universitäten (mit der Ausnahme, dass Doktoratsstudien nur an Universitäten möglich sind), sind sie wohl auch im KV gleich zu behandeln. Ein abgeschossenes Bachelorstudium an einer FH ist daher kein Hochschulstudium im Sinne des KV, ein Masterstudium hingegen schon.

Zeitvorrückung und Vorrückung

Alle Angestellten rücken in ihrer Gruppe nach zwei Jahren in ein höheres Gruppenalter auf, dies allerdings bis maximal zum zehnten Gruppenjahr (Gruppe A5 achtes Jahr). Der KV bezeichnet dies als Zeitvorrü-ckung, in der Praxis wird dies Biennalsprung genannt. Grund für diese sprachliche Unterscheidung ist, dass der KV im Jahr 1948 beim Gruppenalter ein anderes Schema enthielt und nicht alle zwei Jahre Zeitvorrückungen vorsah, sondern in manchen Gruppen beispielsweise erst nach fünf Jahren. Daher wäre das Wort Biennalsprung damals falsch gewesen.
Eine Vorrückung liegt dann vor, wenn der Angestellte dauerhaft Tätigkeiten einer höheren Beschäftigungsgruppe erbringt und aus diesem Grund in diese höhere Beschäftigungsgruppe einzustufen ist. 
Für die Behandlung der Ist-Gehälter enthält der KV unterschiedliche Bestimmungen für die Vorrückung und für die Zeitvorrückung, die leider in § 11 KV systematisch vermengt sind. Das ist Folge einer späteren Hinzufügung von entsprechenden Bestimmungen, die in der Stammfassung noch nicht enthalten waren.

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