Studie

Einsparpotenziale bei Bauwerkskosten

Baukosten
24.04.2023

Eine aktuelle Studie im Auftrag der Bundesinnung Bau zeigt Potenziale zur Kostenreduktion bei Gebäuden auf. Die Palette der Kostentreiber ist vielfältig. Es müsste an mehreren ­Schrauben gedreht werden.

Die Errichtungskosten von Bauwerken sind zuletzt stark gestiegen. Neben der inflationsbedingten Kostenentwicklung bestehen projektspezifische und unausweichliche Kostentreiber. Funktionale und architektonische Anforderungen oder das Bedürfnis nach großzügigen Flächen und hoher Qualität zählen zu den projektspezifischen Kostentreibern. Die von Univ.-Prof. Andreas ­Kropik (TU Wien) im Auftrag der Bundesinnung Bau erstellte Studie beschäftigt sich vor allem mit den unausweichlichen Kostentreibern, welche von öffentlich-rechtlichen Bauvorschriften, aber auch von Normen und Richtlinien ausgehen. Nicht zuletzt erhöht auch das Denken in Lebenszyklen die Baukosten: Höhere Bauwerkskosten sollen zu geringeren Folgekosten (z. B. Betriebskosten) führen.

Die Weiterentwicklung von technischen Regeln schafft meistens einen höheren zu erfüllenden Standard und bringt selten Ansätze für Kosteneinsparungen. Manifestiert werden die Anforderungen vor allem in den Bauvorschriften der Bundesländer, den OIB-Richtlinien, Wohnbauförderungsgesetzen, nationalen (ÖNormen) und internationalen Normen (CEN/ISO) oder der EU-Gebäuderichtlinie. 

Über die Studie

Die Themen Deregulierung sowie leist­bares Bauen und Wohnen beschäftigen Baubranche, Politik und Öffentlichkeit seit vielen Jahren. Zwecks Schaffung eines aktuellen Überblicks über Einsparpotenziale hat die Bundesinnung Bau die Studie in Auftrag gegeben. Sie liefert im ersten Teil allgemeine wirtschaftliche Erkenntnisse, bringt danach einen Überblick über die Kernaussagen vergleichbarer Studien und Expertisen, um sich im Hauptteil den Bauvorschriften zuzuwenden.

Thema Kaufkraftverlust

Zu Beginn der Studie wird die Entwicklung der Kaufkraft in unserer Gesellschaft in den vergangenen Jahren beschrieben. Nach einer jahrzehntelangen Periode steigender Kaufkraft – mit dem durchschnittlichen Einkommen konnte man sich die Errichtung von immer mehr Fläche leisten – kippte dieser Trend um die Jahrtausendwende. Diese Entwicklung und zusätzlich noch die steigenden Grundstückspreise sind ein besorgnis­erregendes Signal für die Errichtung und Finanzierbarkeit künftiger Bau- und Wohnbauprojekte. Wenn diese Entwicklung nicht gestoppt wird, können sich Durchschnittsverdiener mit ihrem Einkommen immer weniger Quadratmeter an Wohnnutzfläche leisten bzw. werden auch Büro-, Gewerbe- und Industriebauten überdurchschnittlich teurer, worunter die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft leidet.

Thema Kostentreiber

Praktisch alle Untersuchungen im Bereich kostengünstiges Bauen und leistbares Wohnen kommen zu dem Ergebnis, dass sich das Bauen durch die laufend erhöhten Anforderungen des Baurechts, der Normen und Richt­linien erheblich verteuert hat.

Beim Einsparen von Baukosten ist eine Interessenabwägung nötig. Bereits mit einer kritischen Hinterfragung der Ansprüche könnten teilweise erhebliche Einsparungen erzielt werden. Einsparungen sind jedoch – allen vorliegenden Studien zum Trotz – seitens der Politik meistens nicht gefragt, sondern stets scheint das Ziel zu sein, wie es noch "besser" machbar wäre. 

Thema Einsparpotenziale

Einsparpotenziale finden sich auf mehreren Ebenen. Dazu zählen übergeordnete Maßnahmen wie Bauvorschriften, EU-Vorgaben oder Normen ebenso wie Maßnahmen im Detail (z. B. Mindest­flächen, Stellplätze oder Aufzüge) oder Maßnahmen bei individuellen Einzelprojekten. Nachfolgend sind beispielhaft einzelne Maßnahmenvorschläge herausgegriffen.

Abbildung Bauwerkskosten
Einflüsse auf die Bauwerkskosten

Vorschlag 1: Übergeordnete Maßnahmen

  • Vereinheitlichung der Bauvorschriften: Dabei handelt es sich um eine jahrzehntelange Forderung der Bauwirtschaft, die im Bereich der Technik mit den OIB-Richtlinien ansatzweise umgesetzt wurde. Dennoch sind die Bauordnungen alle unterschiedlich aufgebaut und verwenden auch unterschiedliche Begriffe.
  • Schaffung einer Musterbauordnung: Wenn die Landeskompetenz im Bereich des Baurechts behalten werden soll, könnte zumindest eine Musterbauordnung nach deutschem Vorbild geschaffen werden, an die sich alle Bundesländer halten müssen. Dann wären z. B. Mindesthöhen von Räumen in allen Landesbauordnungen im selben Paragrafen geregelt.
  • Umdenken bei Standards: Wenn Grenzen im Sinne von Mindeststandards gesetzt werden, sollten diese keine Wunschstandards sein. Mindeststandards sollten nur das absolut Notwendige regeln und nicht den Idealzustand aus Expertensicht wiedergeben. Generell sollten Standards bezüglich ihrer Notwendigkeit und Kostenverursachung stets hinterfragt und evaluiert werden.
  • Stabilität: Ein langfristig stabiles, rechtliches und technisches Umfeld sind wichtig für die Planungssicherheit. Änderungen von Bauordnungen sollten nur vollzogen werden, wenn sie unbedingt notwendig sind, Novellen sollten in möglichst langen Abständen erfolgen. 
  • Kein "Gold-Plating": Als Grundprinzip muss stets gelten, dass europarecht­liche Vorgaben nicht übererfüllt werden sollen. Jede "Fleißaufgabe" ist in der Regel mit erhöhten Kosten verbunden, die andere Mitgliedsländer nicht treffen, wenn sie sich genau an die Vorgaben halten.

Vorschlag 2: Maßnahmen in den Bauordnungen

Folgende Maßnahmen in den Bauordnungen könnten angedacht werden und sind nur als Beispiele zu verstehen:

  • Entfall von Mindestflächenvorgaben und Vorgaben für Einzelräume (z. B. Vorzimmer oder WCs).
  • Individualisierung der Mindestabmessungen von Gängen, Stiegenhäusern und Fluchtwegen.
  • Evaluierung der verpflichtenden Stellplatzzahl für Pkws und Fahrräder.
  • Evaluierung der verpflichtenden Stellplatzgröße.
  • Reduktion der minimalen lichten Raumhöhe auf 2,40 m (im Wohnungsbau), mehr Flexibilität im Dachgeschoß.
  • Verpflichtende Aufzugsanlage bei Wohngebäuden erst bei mehr als vier oberirdischen Geschoßen (Akzeptanz der Harmonisierungsgrundlage).
  • Angemessene Anforderungen an die Anzahl und Ausstattung barrierefreier Wohnungen bzw. Gebäude.

Bei jedem dieser Punkte wird schnell klar, dass einer Änderung zumeist gesellschaft­liche Zwänge (z. B. Komfort, Sicherheit oder Inklusion) entgegenstehen.

Vorschlag 3: Projektspezifische Maßnahmen

Nicht nur allgemeingültige Regeln bergen Einsparpotenziale. Auch mit selbst auferlegten und individuellen Vor­gaben für Einzelprojekte können Kosten beeinflusst werden. Nachfolgend einige Beispiele:

  • Verwendung von Eignungs- und Zuschlagskriterien, die einen freien und ausreichend lebhaften Wettbewerb ermög­lichen.
  • Verwendung fairer Vertragsbedingungen, die zu keinen unkalkulierbaren Risikoaufschlägen führen.
  • Beachtung von Wirtschaftlichkeitsparametern bei der Planung und auch im Rahmen von Architekturwettbewerben.
  • Maßvolle Gebäudeausstattung.

Zuständigkeiten: Wer kann etwas tun?

  • Landesgesetzgeber: Bauordnungen bzw. Bauvorschriften unterliegen der Landesgesetzgebung. Die Empfehlung, zu einem weitgehend baurechtlich einheitlichen Rahmen zu gelangen, ist bereits eine alte Forderung, zu deren Umsetzung es eines gemeinsamen politischen Willens bedarf. Die Umsetzung gelingt nur im Konsens mit allen Bundesländern. Deutschland zeigt mit mehr Ländern als Österreich, dass eine weitgehende Harmonisierung des länderspezifischen Baurechts möglich ist.
  • OIB – Institut für Bautechnik: Das ­Österreichische Institut für Bautechnik (OIB) ist ein wichtiger Einflussgeber für die technischen Bauvorschriften. Die im OIB gesetzten Standards sollten regelmäßig mit dem Fokus auf Mindeststandards evaluiert werden. Die Umsetzung der OIB-Richt­linien ist den Landesgesetzgebern vorbehalten, wobei Abweichungen grundsätzlich möglich, aber nicht um Sinne der österreichweiten Harmonisierung der Bauvorschriften sind.
  • Normenausschüsse: Ein Großteil der technischen Normen wird nicht dezidiert über einen Verweis, sondern über die verpflichtende Beachtung des Stands der Technik indirekt Teil des Baurechts. Bei der Normenarbeit sollten generell die finanziellen Auswirkungen von neuen Regelungen verpflichtend geprüft werden müssen.

Zusammenfassung

Die Studie zeigt, dass es eine Reihe von Einsparpotenzialen gibt. Diese finden sich z. B. im Baurecht der Länder, in ­Normen, OIB-Richtlinien oder in der Gestaltung von Einzelprojekten. Es gibt keine eindeutige Gruppe von "Übeltätern", sondern die vorliegende Regelungsdichte ist die Summe aus vielen einzelnen, gewachsenen und jeweils bei der Entstehung "gutgemeinten" Maßnahmen. Will man eine Kostenentlastung erreichen, braucht es ein breit­flächiges, neues Kostenbewusstsein bei allen Bauregulativen, sowohl im rechtlichen als auch im technischen Bereich.

Die Bundesinnung Bau wird sich weiterhin dafür einsetzen, den Dialog mit den Entscheidungsträgern im Sinne einer Senkung der Bauwerkskosten voranzutreiben.

Die Bundesinnung Bau informiert

Hier finden Sie weitere Artikel der Bundesinnung Bau.

Branchen
Bau