Tischler und Designer: Grenzerfahrung mit Stilfaktor

Design
04.09.2018

Immer mehr Tischlereibetriebe holen sich innovative Designer ins Boot, wenn es um die Entwicklung von neuen Möbelstücken geht. Aber was macht die Kombination aus Design und Handwerk so besonders?
Ausgezeichnet mit dem Red-Dot-Design-Award: Massivholzbänke für die Ars Electronica Berlin, eine Zusammenarbeit des Designduos March Gut mit der Tischlerei Wittmann.
Ausgezeichnet mit dem Red-Dot-Design-Award: Massivholzbänke für die Ars Electronica Berlin, eine Zusammenarbeit des Designduos March Gut mit der Tischlerei Wittmann.
Stuhl, Hocker und Loungechair mit den Namen Hockn, Hocka und Clubhocka versprechen ein optimales Sitzen bei Tisch und an der Bar. Umgesetzt von der Tischlerei Pühringer
Unterstützen Betriebe auf der Suche nach Kooperationen mit der Kreativwirtschaft: Das Team der Creative Region mit Patrick Bartos, Georg Tremetzberger und Verena Kroupa (v.l.).

Sie heißen „Hockn“, „Guarda mi“, „Lentia“ oder „Ms. You“. Sie sind außerordentlich schön, zeichnen sich durch die optimale Verbindung aus innovativem Produktdesign und Handwerk aus, und viele von ihnen schaffen den Sprung in die Serienproduktion. 
Gemeint sind damit keine hypermodernen Lifestyle-Gadgets, sondern praktikable, schlaue und mit besonderem Design­anspruch entwickelte Möbelstücke. Immer mehr Tischlereibetriebe in Oberösterreich denken über den Tellerrand hinaus und suchen die Zusammenarbeit mit Desi­gnern, um ihren Möbelstücken das gewisse Extra zu verleihen. In der Verknüpfung der beiden Professionen liegt viel Potenzial, allerdings gibt es auch einiges zu beachten, wenn man Design und Handwerk als langfristige Zusammenarbeit auf die Beine stellen will. 
Einer, der damit schon viel Erfahrung hat, ist Tischlermeister Klaus Pühringer. Gemeinsam mit seinem Bruder Harald führt er den Familienbetrieb in Reichenthal – der Blick auf designorientierte Möbel­stücke ist dabei schon seit mehr als zehn Jahren fixer Unternehmensbestandteil. „Wir haben 2007 mit dem damaligen Netzwerk Design und Medien begonnen, junge Designer ins Boot zu holen“, erzählt Pühringer. Der Betrieb fördert designorientiertes Denken dabei auch ganz konkret im Rahmen der Kooperative der „Aufmöbler“. Der Zusammenschluss von sieben Tischlern aus dem Mühlviertel schafft so schon seit 1997 die Basis für eine optimale regionale Wertschöpfung – Kreativität, Innovation, offener Geist und Engagement sind dabei der Antrieb für mehr Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit. 

Eine gute Basis

Sowohl bei den Aufmöblern als auch in der Zusammenarbeit mit Designern ist der persönliche Kontakt einer der wesentlichen Parameter für ein gutes Gelingen von gemeinsamen Projekten. „Wir hatten von Anfang an eine optimale und mittlerweile freundschaftliche Basis zum Designer, die bis heute besteht“, so Pühringer. So arbeitet der oberösterreichische Betrieb schon seit vielen Jahren erfolgreich mit dem Designduo March Gut aus Linz zusammen. „Als handwerklich orientierter Tischler lernt man die Designbranche kennen und erweitert so seinen (Arbeits-)Horizont. Das ist natürlich nicht immer leicht: Als Produktdesigner ist man oft künstlerisch orientiert, als Tischler muss ich pünktlich meine Arbeit abliefern. Diese beiden Welten und die unterschiedlichen Ansprüche zu vereinen, ist sicherlich die größte Herausforderung.“ 

Neue Welten

Durch die Zusammenarbeit mit March Gut haben es die Pühringers geschafft, eine Nische zu besetzen und sich in der design­orientierten Möbelherstellung einen Namen gemacht. Die Aufgabe des Tischlers ist es dabei auch, den Entwurf so umzusetzen, dass er in Serie produziert werden kann – und damit auch den wirtschaftlichen Vorteil des Zusammenschlusses Design und Tischlerei nutzbar machen kann. Denn nur ein schönes Möbelstück alleine sorgt nicht für garantierten Umsatz, weiß Pühringer: „Wir investieren natürlich auch viel in Projekte, ohne sofort zu wissen, ob es sich wirtschaftlich lohnt. Die gegenseitige Befruchtung der beiden Bereiche zahlt sich aber immer aus – so hat der Fokus auf designorientiertes Arbeiten auch unseren eigenen Planungsbereich positiv beeinflusst.“ 

Optimal vernetzt

Ob Kleinserie oder Großauftrag – der Blick über den Designtellerrand lohnt sich also. Der Weg zu einer möglichen Kooperation mit einem Designer ist in Oberösterreich übrigens nicht weit und wird durch die Creative Region in Linz optimal unterstützt. Seit 2011 berät, unterstützt und vernetzt dort ein vierköpfiges Team rund um Patrick Bartos Betriebe, die auf der Suche nach erfolgreichen Kooperationen mit der Kreativwirtschaft sind. Und die boomt so richtig in Oberösterreich – auch, und gerade, durch das umfassende Angebot der Creative Region. Hier wird mit über 60 Workshops innovativer Wissenstransfer geboten, zusätzlich gibt’s Internationalisierungsiniti-ativen für Kreativschaffende und Start-ups. „Wir haben im Rahmen unterschiedlicher Projekte ein gutes Netzwerk zu designaffinen Tischlereien aufgebaut und unter anderem einige Möbelprojekte mittels Crowdfunding realisiert“, erzählt uns Verena Kroupa von der Creative Region. „Immer wieder kommen auch designinteressierte Tischlereien zu uns, um sich von uns beraten zu lassen, sei es in Bezug auf Förderungen, Kollaborationen oder Vernetzung. Außerdem nehmen Tischlereien auch gerne an unseren Workshops teil, um sich in Sachen Marketing und Branding zu professionalisieren und weiterzubilden.“ 
Eines ist dabei ganz klar zu erkennen:  Tischlereibetriebe entwickeln vermehrt einen eigenständigen Designanspruch – im Opti­malfall auch mit einem Wiedererkennungswert, der einen klaren Wettbewerbsvorteil schafft. „Generell stoßen regionales Handwerk und regionale Produktion wieder auf vermehrtes Interesse – zu wissen, wo und vom wem mein Möbel- bzw. Designstück gemacht wurde, kann (und sollte) für anspruchsvolle KundInnen ein zusätzlicher USP sein“, weiß die Projektmanagerin. 

Gefühlssache

„Neben ästhetischen, innovativen und lösungsorientierten Ansprüchen an den oder die Designer oder die Designerin ist bei allen Partnerschaften in erster Linie wichtig, dass die Chemie und gegenseitige Wertschätzung stimmen“, betont auch Kroupa. „Gerade die Kombination aus handwerklicher Kompetenz und ästhetischen Lösungsansätzen kann im Endeffekt das gewisse Etwas des Einrichtungsgegenstandes ausmachen.“ Der USP einer erfolgreichen Kollaboration liegt damit auch in der Erweiterung des Kundenkreises, denn designaffine Kunden aber auch Medien können gerade über solche Kollaborationen auf Tischlereibetriebe aufmerksam werden. Und eine gewisse neugierige Grundhaltung, Experimentierfreudigkeit und das Interesse an Innovation sind dabei wohl Grundvoraussetzung, wenn es darum geht, eine Zusammenarbeit mit Designern einzugehen. „Für interessierte Tischlereibetriebe ist es hilfreich, vorab mit Kollegen zu sprechen, die diesen Schritt bereits gewagt haben“, rät Kroupa. „Als Creative Region unterstützen wir gerne mit Kontakten zu passenden Designern, aber auch Tischlern in und aus Oberösterreich.“ Damit auch alles passt, ist neben konkreten Zielsetzungen enorm wichtig, vorab die finanziellen Konditionen zu klären. Hier sind Wettbewerbe oder Crowdfunding-Kampagnen eine interessante Option, solche Prozesse zu initiieren und auszu­probieren. 

Frischer Wind

Dass die gegenseitige Beratung zwischen Designer und Tischlerbetrieb wichtig ist, weiß auch Sophie Wittmann. Die Marketingverantwortliche des ­Scharnsteiner Traditionsbetriebs schätzt dabei den innovativen Charakter der Zusammenarbeit: „Als Tischlereibetrieb wird man in der Arbeit mit Designern schon aus der Reserve gelockt“, erzählt Wittmann. „Die eingelebte Routine zu überdenken, fällt dabei nicht immer leicht, zahlt sich aber in jedem Fall aus. Denn nur so gelingt Innovation.“ Der Fokus auf designorientiertes Arbeiten war für die Tischlerei im Almtal ein laufender Prozess, der auch jetzt gerade stark in Entwicklung steht. „Durch gewisse Projekte ist bei uns einfach die Lust auf die Zusammenarbeit mit Designern gewachsen“, so Wittmann, die gemeinsam mit ihrem Bruder Rudi Wittmann den hochspezialisierten Betrieb in den kommenden Jahren schon in die fünfte Generation führen wird. 
Erste Designprojekte wurden so mit dem Möbel- und Holzbau-Cluster realisiert, wo die Wittmanns mit jungen Designern vernetzt worden sind. Aber auch die Arbeit mit Architekten stellt immer wieder das designorientierte Arbeiten in den Fokus. Wie die Tischlerei Pühringer setzt der Massivholzprofi Wittmann in Sachen Design auf das March Gut-Duo sowie auf die Grafikdesignprofis Mooi mit Sitz in Linz. Immer das Massivholz als hochwertiges Element tragend, ist dabei zum Beispiel auch die Kooperation im Rahmen der Medienkunst-Schau „Ars Electronica Berlin“ entstanden. Während die Holzeinbauten von der Tischlerei Pühringer stammen, hat das Team der Tischlerei Wittmann spezielle Bänke, Tische und Hocker aus Massivholz realisiert. 
„Auf den ersten Blick sind die Stücke durch ihre aufwendige Lackierung gar nicht als Holzmöbel erkennbar“, erklärt Sophie Wittmann. „In der Umsetzung mit hochwertigen Steckelementen und innovativen Verbindungen gewinnen die Möbel an optimaler Stabilität.“ Mit Erfolg: Die Innen­architektur wurde erst im Frühjahr mit dem Red Dot Design-Award ausgezeichnet. Auch für Sophie Wittmann ist klar: Der Entwurfsprozess ist spannend – er muss allerdings auch wirtschaftlich tragbar sein. Das gelingt aber mitunter auch, wenn man nach Auftragslegung einen Designer ins Boot holt: „Wenn ich als Tischler beispielsweise die Chance habe, ein Hotel auszustatten, kann ich mir einen Designer ins Boot holen. Das macht den ganzen Prozess nicht nur kreativer, sondern in der Regel auch hochwertiger für den Kunden.“ Die solcherart hochqualitative Umsetzung von Möbeln wird laut Sophie Wittmann vom Endkunden auch immer mehr nachgefragt. „Die Wertschätzung für designorientiertes und qualitativ hochwertiges Handwerk ist wieder stark am Steigen – nicht nur im Objektbereich, sondern auch bei Privatkunden.“ 

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