Interview

Ein Leben voller Farben

Farben
15.09.2023

Das Designstudio Besau – Marguerre zählt zu den gefragtesten Gestaltern, vom einzelnen Möbelstück bis zum holistischen Einrichtungskonzept. Neben ungewöhnlichen Materialien und experimentellen Formen haben die beiden ein feines Gespür für Farben. Welche das sind, verraten sie im Interview.

Color: Fangen wir mal ganz trivial an: Was bedeutet eigentlich Farbe für euch?
Farben sind unser wichtigstes Gestaltungsmerkmal. Es ist bei jedem Projekt wieder faszinierend und beeindruckend zu sehen, welche Wirkung Farben auf Menschen und Räume haben. 

Wie wichtig ist Farbe in der Raumgestaltung – für die Wahrnehmung, für das Wohlbefinden, für das Sein?
Farben haben eine großartige Wirkung auf Menschen, Räume und Produkte. Und diese Wirkung begeistert uns immer wieder aufs Neue. Farben definieren und organisieren Räume und können sogar als Leitsystem fungieren, wie wir bei unserem Projekt für das MK&G in Hamburg gezeigt haben. Farben können Möbeln und Räumen mehr Charakter verleihen, sie können sie lebendig oder statisch, anziehend und zurückhaltend wirken lassen. Möbel in warmen Farben wie einem strahlenden Gelb scheinen näher zu rücken und sprechen eine Einladung aus, während schwarze Möbel sich eher vom Menschen entfernen und distanzierter wirken. All diese Wirkungen, die Farben auf uns Menschen haben, wirken unbewusst. Die meisten Menschen haben eher ein diffuses Gefühl, ob sie ein Raum einlädt, ob er ein gutes Gefühl vermittelt oder nicht. Für uns ist es das größte Kompliment, wenn wir hören, dass zum Beispiel das Foyer im MK&G die Leute in seinen Bann zieht, dass sich die Leute dort wohl und eingeladen fühlen. Das haben wir zum großen Teil der Farbwahl zu verdanken.

Farbkarten

Wenn ihr einen Entwurf beginnt, was ist denn da zuerst: die Farbe oder das Objekt?
Sehr oft steht ein Farbgefühl ganz am Anfang eines Entwurfes, noch bevor die Formen entstehen. Manchmal entsteht beides gemeinsam, Farben sind aber in jedem Fall immer von Beginn an mit im Prozess. Durch viele Gespräche mit unseren ­Kunden, in denen wir die Bedürfnisse, die Anforderungen und Wünsche an ein Projekt hören, durch Ortsbegehungen bei Interior-Projekten oder Produktionsführungen bei Produktdesignprojekten entstehen bei uns zuerst diffuse Gefühle, Bilder, Stimmungen und damit auch Farben, die wir für das jeweilige Projekt stimmig finden.
Erstaunlicherweise „sehen“ wir beide sehr oft dieselben Farben für ein Projekt. Unser Gestaltungsprozess fängt oft auch bei uns mit vielen Gesprächen an, in denen wir uns wie beim Pingpong Ideen hin und her spielen, ergänzen und weiterentwickeln. Wir entwerfen so im Kopf und beschreiben uns gegenseitig die diffusen Bilder, Farben und Stimmungen, die dann immer konkreter werden, bis wir sie schließlich auf Papier bringen.

Inwieweit beeinflusst Farbe euren kreativen Prozess?
Farben sind ein ganz wesentlicher Bestandteil unserer kreativen Prozesse, sie beeinflussen nicht nur, sondern gestalten aktiv mit.

Farben sind in ihrer Wirkung nicht immer berechenbar. Hat euch schon mal eines eurer Produkte in einer anderen Farbe selbst überrascht? Wenn ja, inwiefern?
Das kommt tatsächlich immer mal wieder vor, und es ist jedes Mal wieder extrem spannend, was Farben mit einem Produkt, einer Form und dessen Materialität machen. Am eindrücklichsten war für uns ein Erlebnis noch im Studium, als wir unser Erstlingswerk – wenn man so möchte –, den Hocker Nido, entworfen haben, einen extrem leichten Hocker, komplett aus in Harz getränkten Glasfasern gewickelt. Wir haben anfangs, da es eine Materialstudie war, nicht an die Farben gedacht. Glasfaser ist weiß, aber im Zusammenspiel mit Harz wird die Farbigkeit leicht durchscheinend und giftig grün. Wir waren total unzufrieden mit dem Entwurf und konnten nicht begreifen, was daran nicht stimmt. Bis wir zum Glück irgendwann auf die Idee gekommen sind, eine Sprühdose in die Hand zu nehmen und den Hocker einfach schnell mal anzusprühen. Der Effekt war riesig und wir wieder zufrieden mit unserem Entwurf. Es war schlichtweg die falsche Farbe für das Objekt, denn bei dem handwerklichen Charakter der gewickelten Glasfaser brauchte es als Gegenspieler eine starke und klare Farbigkeit, um den Entwurf abzurunden.

Designelement aus Rohren

Lasst ihr euch von „Diktaten“ wie „Pantone-Farbe des Jahres“ oder Mode-Farben beeindrucken?
Nein, überhaupt nicht, uns geht es immer um das jeweilige Projekt und den Kunden, unabhängig von Farbtrends.

Gibt es eine Farbe, die ihr nie einsetzen würdet?
So generell ist das schwer zu sagen. Es sind eher Farbkombinationen, die für uns überhaupt nicht funktionieren.

Bei welchem Projekt bisher konntet ihr eure farbliche Leidenschaft am stärksten ausleben?
Das lässt sich schwer sagen. Wir haben zum Glück fast immer Kunden, die uns genau wegen unserer Leidenschaft für Farbe beauftragen. Sicherlich ist unser Konzept für das Foyer des MK&G in Hamburg ein sehr farbstarker Entwurf, genauso farbstark sehen wir aber unser Interieur, das wir für die Elbphilharmonie entworfen haben. Auch, wenn hier alle Möbel und Elemente in hellen Tönen gehalten sind, ist dieses Projekt in seiner Konsequenz der einheitlichen Farbgebung, die sich durch das ganze Gebäude zieht, eine sehr starke Farbaussage, quasi als umgekehrter White Cube, um dem Erlebnis Musik und der Architektur ihre Bühne zu geben.

Wo würde es eurer Meinung nach noch mehr Farbe brauchen?
Ganz spontan gesagt: in Krankenhäusern und im öffentlichen Raum.

Habt ihr eigentlich eine persönliche Lieblingsfarbe?
Wir lieben alle Farben und vor allem Farbkombinationen, das ist meist viel spannender als eine Farbe alleine, aber wenn ich auf unsere Projekte schaue, sieht man schon eine Vorliebe für Gelb- und Blautöne. Beide Farben haben auf unterschiedliche Weise die Fähigkeit, tolle Partnerfarben zu sein: Sie tragen andere Farben und bringen sie zum Leuchten.

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