Grün kann günstig
Nachhaltige Gebäude müssen nicht teuer sein – im Gegenteil. Eine aktuelle Studie der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) zeigt: Wer CO₂-Emissionen reduziert und den Lebenszyklus im Blick hat, kann langfristig sogar sparen. Besonders wichtig: kluge Planung, klare politische Vorgaben und Know-how in der Ökobilanzierung.

„Nachhaltig bauen ist ja schön und gut, aber leider auch teuer.“ Aussagen wie diese hört man oft am Bau. Aber stimmt sie auch? Aus Sicht der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) handelt es sich um einen weitverbreiteten Trugschluss: „Kaum ein Vorurteil hält sich im Bau- und Immobilienbereich so hartnäckig, wie die Annahme, dass eine nachhaltige, klimagerechte Bauweise teuer ist,“ meint Christine Lemaitre, Geschäftsführender Vorstand der DGNB.
Nicht teuer
Die DGNB hat gemeinsam mit dem Buildings Performance Institute Europe (BPIE) die Ökobilanzdaten von 28 DGNB-zertifizierten Gebäuden mit Blick auf ihre Baukosten und ihren CO₂-Ausstoß ausgewertet. Die Ergebnisse der Studie „Lebenszyklusbasierte Betrachtung von Gebäuden“ liegen nun vor – und sind durchaus eindeutig: Nachhaltiges Bauen muss nicht teurer sein. Im Gegenteil: Wer frühzeitig klimagerechte Maßnahmen ergreift, kann unter Umständen sogar Baukosten senken und Nutzungskosten langfristig minimieren.
„Es ist absolut möglich, Gebäude mit geringen CO₂-Emissionen und hohen Zertifizierungsgraden zu errichten – und das zu niedrigen Kosten“, sagt DGNB-Geschäftsführerin Lemaitre.
Die Untersuchung vergleicht Bau- und Nutzungskosten mit dem CO₂-Ausstoß der Objekte über den Lebenszyklus. Ein zentrales Ergebnis: Es gibt keine eindeutige Korrelation zwischen dem Grad der Nachhaltigkeit und den Errichtungskosten. Selbst Projekte mit der höchsten DGNB-Zertifizierungsstufe Platin waren teilweise günstiger als solche mit Silber. Besonders klimafreundliche Bauten wiesen zum Teil sogar unterdurchschnittliche Baukosten auf. Oliver Rapf, Geschäftsführer des BPIE, sieht die Studie als „ermutigendes Signal“ für die Branche: „Die Ergebnisse kommen zum richtigen Zeitpunkt. Sie zeigen, dass Klimaschutz im Bauen kein Kostentreiber ist, sondern ein Innovationstreiber.“
Bemerkenswert ist auch der Blick auf die Kostenverteilung im Zeitverlauf: Während bei älteren Projekten rund zwei Drittel der CO₂-Emissionen im Zuge des Gebäudebetriebs entstehen, sinkt dieser Wert bei neueren Gebäuden auf rund die Hälfte. Der Rest entfällt auf die sogenannten „grauen Emissionen“ – also jener Anteil, der bei Herstellung und Bau des Gebäudes anfällt. Genau hier sieht die DGNB einen wichtigen Hebel.
„Gerade, weil sich die Betriebsemissionen durch neue Technik und Standards reduzieren, steigt die Bedeutung der Bauphase. Wer hier optimiert, beeinflusst die Klimabilanz erheblich“, betont Anna Braune, Leiterin Forschung und Entwicklung bei der DGNB und einer der Studienautor*innen. „Die Bauweise und insbesondere das Tragwerk sind entscheidend, wenn es um die Reduktion der grauen Emissionen geht“, so Braune weiter. Die wichtigsten Themen dabei: Materialwahl, Kreislauffähigkeit und Rückbaubarkeit.
Ein weiterer Fokus der Studie lag auf dem Vergleich der Nutzungskosten bei älteren und neueren Gebäuden. Dabei kam man zu einem auf den ersten Blick verblüffendem Ergebnis: Der Anteil der Nutzungskosten steigt bei den neueren Gebäuden – allerdings nicht deshalb, weil der Energieverbrauch zunimmt, sondern weil die Preise für Strom, Wasser, Reinigung und Instandhaltung deutlich angezogen haben. „Die Kostenverteilung verschiebt sich“, so Braune. „Und genau deshalb lohnt es sich, diese Posten frühzeitig mitzudenken.“
Die Berechnungen zeigen: In vielen Fällen sind die Errichtungskosten bei älteren und neueren Projekten nahezu identisch. Doch bei neueren Projekten schlagen die Nutzungskosten stärker zu Buche – teilweise aufgrund steigender Energiepreise, aber auch wegen teurerer Instandhaltungsmaßnahmen. Die Empfehlung der DGNB ist daher eindeutig: Schon in der frühen Planungsphase sollten Lebenszykluskosten berücksichtigt werden. Auch das dafür notwendige Know-how müsse aufgebaut werden.
Die Notwendigkeit für ein Umdenken ist auch auf europäischer Ebene angekommen: Mit der überarbeiteten Gebäuderichtlinie EPBD hat die EU eine klare Vorgabe formuliert. Ab Jänner 2028 müssen alle neuen öffentlichen Gebäude mit mehr als 1.000 Quadratmeter Nutzfläche eine Lebenszyklus-Ökobilanz vorlegen und definierte Grenzwerte einhalten. Ab 2030 gilt das für sämtliche Neubauten. Diese Ökobilanz wird dann zur Voraussetzung für die Baugenehmigung.
„Es braucht klare politische Signale und eine frühzeitige Umsetzung auf nationaler Ebene“, sagt Braune. Einige Länder – darunter Frankreich, die Niederlande und Dänemark – haben bereits CO₂-Grenzwerte definiert. Deutschland hat das Prüfverfahren eingeführt, jedoch noch keine Grenzwerte beschlossen. Die Studienautorin betont: „Die Zeit drängt. Jedes Jahr, in dem keine Grenzwerte gelten, werden weiter Gebäude errichtet, die nicht den künftigen Anforderungen entsprechen – mit entsprechend negativen Auswirkungen auf die Klimabilanz“, meint Braune. Wer jetzt beginne, die neuen Standards umzusetzen, habe einen klaren Vorteil.
„Auch wenn aktuell in Deutschland unter dem Schlagwort der Entbürokratisierung die Klimaschutzanforderungen im Bauen und die Dringlichkeit ihrer Umsetzung punktuell infrage gestellt werden, wird die durch die EU vorgegebene Richtung trotzdem bleiben“, ist Braune überzeugt. Ihr Fazit: „Mit der Kurzstudie haben wir gezeigt, dass der angeblichen Mehrkosten-Argumentation die Grundlage fehlt. Vielmehr geht es um gute Planung und den Willen, nachhaltige Gebäude mit möglichst geringer Klimawirkung zu errichten.“
Die Studie:
Die vollständige Studie „Lebenszyklusbasierte Betrachtung von Gebäuden“ kann kostenlos heruntergeladen werden: www.dgnb.de/hintergrundinformationen